März 09, 2008

Kino: RUN, FATBOY, RUN

Die Verlobte am Hochzeitstag kurz vor der Trauung sitzen zu lassen, indem man geradewegs davonläuft, ist nun ganz sicher nicht die feine englische Art. Dennis (Simon Pegg) hat dafür, wie man später erfahren wird, zwar hehre Gründe, erst einmal aber lässt er den schönsten Tag im Leben seiner Freundin Libby (Thandie Newton) wie eine Seifenblase zerplatzen. Wenn der Sympathieträger eines Films also schon in den ersten fünf Minuten zu derlei Schandtaten befähigt wird, kann das ja ein heikles Vergnügen werden mit der britischen Romantic Comedy "Run, Fatboy, Run", erster Spielfilm des ehemaligen "Friends"-Serienstars David Schwimmer in der Position des obersten Befehlshabers. Aber Grund zur Sorge gibt es natürlich keinen: Wer könnte schon einen liebenswürdigeren Verlierertypen geben als der kauzige, immer etwas neben der Spur liegende Pegg, der auf tendenziöse Faulenzer/Slacker-Rollen spätestens seit der Zombieparodie "Shaun of the Dead" abonniert sein dürfte.
Schwimmers Kinodebüt ist eine wunderbar leichtfüßige Komödie, die nicht allzu ernsthafte, zumindest sehr überschaubare Themen verhandelt: Dennis nun ist rund fünf Jahre später noch immer damit beschäftigt, seinen Fehler von einst zu bereuen. Seinen kleinen Sohn sieht er zwar regelmäßig, doch Libby hat sich längst anderweitig orientiert und bewohnt mit ihrem Freund, dem gelackmeierten Geschäftsmann Whit (Hank Azaria), ein kleines Reihen- häuschen im Norden Londons. Nun sind die Rollen hier selbstredend schnell verteilt – Whit ist das aufgeblasene Arschloch, das man nur zu gern hasst, weil er Libbys Blick auf Dennis verstellt, weil er ihm die Vaterrolle streitig macht, und weil er eigentlich auch sonst alles ist, was Dennis nicht ist: Erfolgreich und beliebt, wohlhabend und zuvorkommend, ordentlich gebaut und topfit, ein Vorbild in allen Lebenslagen sozusagen. So einer, der alles hat, und es sich dennoch ständig selbst beweisen muss, z.B. mit einem Marathonlauf quer durch London, natürlich für einen guten Zweck. Und weil das die Angebetete sicherlich beeindrucken dürfte, entscheidet sich auch Dennis, an diesem wagemutigen Sportereignis teilzunehmen. Weg mit den Hüftrettungsringen, Zigaretten und Couch-Potato-Angewohnheiten.
Dass hier eine Menge dynamischer Ärger vorprogrammiert ist, versteht sich von selbst. "Run, Fatboy, Run" arbeitet mit einfachen Regeln und folgt den Konventionen der roman- tischen Komödie ebenso wie denen des Sportfilms, auch wenn er zumindest letztere parodierend vorführt. So verzichtet er nicht auf die obligatorische Montage der Vorbereitungen, stellt immer wieder die Frage, ob es der Held schaffen könnte, nur um sie an einem gewissen Punkt zu verneinen, damit doch noch alles ganz anders kommt. Was Schwimmer gleichzeitig augenzwinkernd vorführt, bedient er auch – nur ist das in diesem Fall keineswegs ein Problem. "Run, Fatboy, Run" ist ungemein schwungvoll in Szene gesetzt, Schwimmer bewältigt zahlreiche logistische Herausforderungen und dreht an vielfältigsten Schauplätzen, kommt selbst bei Massenszenen nicht ins Hadern und bietet vor allem ganz nebenbei noch eine stimmige Rundreise durch ein in warmen Bildern festgehaltenes London. Sicherheit dürfte Schwimmer dabei nicht zuletzt das wundervolle Drehbuch gegeben haben, das nach einer ersten Fassung von Simon Pegg komplett überarbeitet wurde.
Der Einfluss des langjährigen Comedy-Autoren macht sich in fast jeder Szene bemerkbar. Schon die Britcom "Spaced" lebte von Peggs eigenwilligem, trotteligen Humor, von Gags, deren offensichtliche Doofheit von den Figuren meist schon im selben Moment erfasst wurde, in dem sie ihnen herausgerutscht sind. Mit Regisseur Edgar Wright hatte sich da ein Seelenverwandter gefunden, und die zwischen bedingungsloser Liebenswürdigkeit und hoffnungsloser Verlierer-Attitüde ausgemachte Mentalität fand einen Kinoausdruck in "Shaun of the Dead" und der Polizeifilm- klamotte "Hot Fuzz". Pegg übernimmt vieles davon in "Run, Fatboy, Run", ohne dass Schwimmer ihm anders als Wright ein offenes Spielfeld anbieten würde. Die beiden harmonieren auf einer anderen Ebene, ähnlich wie schon in der schwarzhumorigen Zufallskomödie "Big Nothing". Schwimmer erweist sich eher als Vertreter eines gesetzten Humors, als jemand, der durchaus auch an einer funktionierenden, straffen Geschichte interessiert ist. Er hält nicht bei jeder Gelegenheit am Wegesrand an, um noch diesen oder jenen Gag mitzunehmen, was die Kombination Schwimmer/Pegg weniger verspielt und auch weniger spontan erscheinen lässt. Nichtsdestotrotz gelingen "Run, Fatboy, Run" viele unheimlich witzige Momente, und dass er grundsätzlich eher einen etwas emotionaleren Ton anschlägt, gibt Pegg auch die Möglichkeit, seine Fähigkeiten als tragikomischer Charakter zu beweisen. Das erinnert mal an "About a Boy", mal an "High Fidelity" – ist aber auf seine Art so ungemein charmant und sympathisch, dass man es nur schwer nicht mögen dürfte.


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