Nein, das will man den beiden Regisseuren Jaume Balagueró und Paco Plaza auch gar nicht unterstellen. Nur leider bietet ihr Film "[Rec]" nicht viel, das über diese Annahme hinausginge. Denn so originell, oder sagen wir: hübsch variiert, es zunächst scheinen mag, das bekannte Mockumentary-Szenario als Zombiefilm mit den Mitteln der Fernsehreportage aufzuziehen, so vernarrt ist das Vorhaben letztlich in die ewig gleichen Mittel. Da wird schon gewackelt, selbst wenn der Film noch den regulären Teil der Dokumentation vorzugeben versucht, werden die bekannten Verzerrer, Tonaussetzer und Bildstörungen montiert, und wird trotz grundsolider Ausgangsidee wieder einmal versäumt, den gesamten konstruierten Vorgang plausibel zu erklären. Denn auch wenn es in "Cloverfield" kürzlich noch weitaus weniger nachvollziehbar erschien, warum die Teenmeute ihre eigene Sicherheit hinter schnieke Camcorder-Bilder des zerstörten New Yorks anstellte, so erstickt jede innere Logik auch in "[Rec]", wenn der Kameramann eher draufhält, wie seine Kollegin angegriffen wird, als das lästige Teil einmal wegzuschmeißen und ihr zur Hilfe zu eilen.
Es stellt sich ganz einfach die Frage nach dem Sinn eines solchen Werks, das die konventionelle Filmsprache aufgibt, um ein neues formloses, gleichzeitig wiederum doch streng formelles Kino zu bedienen, das eigentlich nur Fernsehen bietet. Hüte sich, wer Filmen wie "[Rec]" unterstellt, sie würden den Nerv der Zeit treffen, indem sie das demokratische Massenmedium Internet thematisierten und reflektierten. Zwar wäre dies tatsächlich der einzige Ansatz, um die momentan höher frequentierten Fake-Doku-Filme mit Wackeloptik zu erklären und in gewisser Hinsicht zu legitimieren, nur genau hier lässt sich zumindest "[Rec]" nicht fassen: Denn er lügt. Er konfrontiert den Zuschauer ja gar nicht mit ungefilterten Bildern aus Extremsituationen, er zeigt kein ungeschöntes Material, zwängt einen gar nicht hautnah in eine Eskalation von Menschen, die wie Tiere übereinander herfallen. Das alles gibt dieser Film nur vor, "[Rec]" nutzt die Möglichkeiten seiner Form nicht.
Im Prinzip spulen Balagueró und Plaza hier nur unentwegt Genreklischees ab, sie filmen eine strenge Genresituation mit strengen Genremitteln. Grundsätzlich unterscheidet sich der Film nur durch seine vorgegaukelte Ernsthaftigkeit, die er meist unfreiwillig komisch, denn gelungen mit hektischem Firlefanz unterstreicht, von gängigen Zombievehikeln wie "28 Weeks Later". Die ganze Form wird zur Pose ohne Bedeutung. Würde "[Rec]" tatsächlich an den Zeitgeist appellieren, an die Jeder-ist-sein-eigener-Regisseur-Mentalität der YouTube- Generation, dann müsste er auch die inhaltlichen Konven- tionen hinter sich lassen. Dann gäbe es keine gruseligen, stimmungsvollen Schockszenen und keine typmäßig ausgewählten Figuren, sondern dann würden wir Bilder zu Gesicht bekommen müssen, die wahrlich verstörend sind. Bilder, wie sie echte Menschen in echten Horrorsituationen drehen. Bilder also, wie man sie täglich bei LiveLeak sehen kann.
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