Qualitätsfernsehen mit HBO-Gütesiegel, sorgfältig produziert und jenseits der mit formattypischen Bestimmungen (Laufzeit) und gängigen Accessoires (Cliffhangern) langweilenden TV-Serien-Generik. "Boardwalk Empire" braucht lange, sehr lange, um seine Handlungsfülle publikumswirksam zu strukturieren und irgendwann schließlich auch einfach mal laufen zu lassen. Die bis ins Detail durcherzählte historische (Parallel)Welt bildet einen in dieser Vielschichtigkeit so noch nicht gesehenen Spielraum der Roaring Twenties – für ein gleichfalls kunterbuntes Personal, dessen Geschichten vom großen öffentlichen Politskandal bis zur intimen Ehekrise, von der organisierten Kriminalität bis zum gewöhnlichen Prohibitionsalltag reichen. Im Groß des Fluchens und Fickens wird dabei wieder einmal die alles entscheidende Männlichkeit auf den Prüfstand gestellt, und das mitunter aufs Allervorzüglichste.
Der plotgewaltigen Komplexität folgt dahingegen ein Hang zu seichtem Symbolismus: Wenn der Kapitalmogul Nucky Thompson (Steve Buscemi) in jeder Folge aufs Neue sein Geld im Close-Up zählt, verkommt ein zunächst charakteristisches Ritual zur figuralen Widerholungsskizze. Mit der sicheren Hand eines Martin Scorsese etwa führt eben keiner der soliden Fernsehregisseure die sich dem Pilotfilm anschließenden Episoden. Als rein narrative Alternative zur inhaltlichen Verdichtungsästhetik und äußeren Opulenz der thematisch verwandten Kinoepen von Coppola über Leone empfiehlt sich "Boardwalk Empire" aber durchaus. Für zwischendurch.
60%