Dafür allerdings bliebe dem Superhelden gar keine Zeit: Weil ein eitler Prinz sich entschlossen hat, den langlebigen Friedenspakt zwischen der Welt der Menschen und jener der, nun ja, phantastischen Wesen für beendet zu erklären, und gleich noch eine gigantische Armee goldenerer Krieger zum Leben erwecken will, müssen sich Hellboy (Ron Perlman), Liz (Selma Blair) und Abe (Doug Jones) mit diversen Fantasie- gestalten und schließlich der Zwillingsschwester des Blondschopf-Prinzen herumschlagen – nur mit ihrer Hilfe nämlich kann die Menschheit noch gerettet werden, sozusagen.
Nun ist der Bösewicht-Bruder kein einfacher Irrer, der sich am Krieg zwischen Mensch und, zum Beispiel, einem riesigen Waldgott inmitten New Yorks ergötzen, sondern eigentlich nur für die Rechte seinesgleichen einstehen will: Für ihn ist die geheime Parallelexistenz fremder Wesen vor allem ein Ausdruck für die Unterdrückung durch den Menschen, und das möchte er nicht länger hinnehmen. Getreu der Sequel- Gesetze, die ein Comic zum Gelingen ja doch eher besser befolgen sollte, befördert dieser ambivalente Trieb des Prinzen den Titelhelden in ein moralisches Dilemma. Denn schließlich ist auch er, der Hellboy, nur eine Kreatur, die im Unsichtbaren agieren, die sich verstecken muss vor den Menschen, für deren Sicherheit er sich ja überhaupt erst in manch unangenehmes Abenteuer stürzt. Da lohnt es sich zumindest, über den Lockruf des Gegners einmal nachzudenken: Wenn dieser unseren eigenwilligen Superhelden darauf hinweist, dass all dessen Müh letztlich vergebens sei, weil er weder Dank noch wirkliche Anerkennung vom Menschen bekommen könne, ist der innere Konflikt natürlich mächtig am Brodeln. Alle Comic-Helden müssen so eine Gewissensprüfung irgendwann bestehen, selbst Batman und Spider-Man.
In "Hellboy II: The Golden Army" treibt del Toro die Erzählung überall dahin, wo man sie üblicherweise eben hinführt, um interessante Plot-Variationen und Konflikte für die nunmehr bekannten Figuren zurechtgenerieren zu können, während er den Film strukturell eigentlich wie den ersten Teil aufbaut. Das macht er grundsolide, ohne Stolpersteinchen oder nennenswerte dramaturgische Aussetzer. Dennoch liegt die ganz große Stärke auch dieses zweiten Hellboy-Films nicht unbedingt in der mäßig originellen Geschichte (die sich irgendwie ganz schön zusammensetzt aus phantastisch Bekanntem), sondern seiner konsequenten Überbietungs- strategie. Der Film setzt überall noch mal eins drauf, immer dort, wo schon der Vorgänger so überraschte: Wuchtige und übermütige Action, natürlich, tolle und einfallsreiche Effekte, viel Witz, Herz und komische Dialoge. Oder er beschreitet neue Wege, zum Beispiel mit der Verpflichtung Danny Elfmans für die Musik, und liegt auch dabei goldrichtig.
Aber in erster Linie hat del Toro verstanden, dass er den Figuren, und seien sie noch so fantasievoll, monströs oder bedrohlich, Persönlichkeit und Würde verleihen muss. Man findet diesen Hellboy einfach drollig in seiner Unbeholfenheit, aber auch seiner Stärke, und man ist fasziniert, wie nicht enden wollend der Regisseur magische Situationen und Fantasy-Set-Ups entwirft, in denen kauziger Humor und opulentes Spektakel sich so wunderbar (und ökonomisch!) ergänzen. Dazwischen findet der Film immer auch wieder Zeit für hübsche kleine Episoden, für besinnliche Ruhemomente oder schlicht urkomische Momentaufnahmen – so sich Hellboy und Abe eines Abends einfach betrinken und ein lautstarkes Duett zu einem Liebesschlager einstimmen, während der rote Dämon dazu mit seinem Schwanz wackelt, ja, das ist dann ganz einfach liebenswürdig und schön, und zwar ohne dass es in irgendeiner Hinsicht unangenehm berühren würde. "Pan’s Labyrinth" dürfte es zuletzt wohl besiegelt haben: Guillermo del Toro ist mittlerweile einfach eine verdammt sichere Bank.
80% - erschienen bei: WICKED-VISION