James McAvoy ist Wesley Gibson: 25 Jahre alt, liiert, Account-Manager. Ein ganz normaler Typ, möchte man meinen, der einen soliden Bürojob, eine hübsche Freundin, ein annehmbares Appartement hat, der mit beiden Beinen im Leben steht und weiß, was er kann. Oder: Was er nicht kann. Er kann zum Beispiel seinem Kollegen nicht die Fresse polieren, weil der mit dessen Freundin Beischlaf hält. Er kann seiner tyrannischen Chefin nicht die Meinung geigen, wenn sie ihn tagein, tagaus zusammenputzt. Und vor allem kann Wesley Gibson nicht aus seiner Haut: Er ist ein Loser. Ein Niemand. Einer, der Null Treffer erhält, wenn er seinen Namen bei Google eintippt.
Bis auf einmal die verführerische Fox (Angelina Jolie) neben ihm steht und das Leben des ahnungslosen Nichtsnutzes gehörig auf den Kopf stellt. Auf der Flucht vor einem unbekannten schießwütigen Killer (Thomas Kretschmann) wird Wes von einer Sekunde auf die nächste in spektakuläre Feuergefechte und wahnwitzige Verfolgungsjagden gezogen, ehe er sich im Hauptquartier einer alten Geheimorganisation wieder findet. Dort eröffnet ihm Teamführer Sloan (Morgan Freeman), dass er wie sein kürzlich ermordeter Vater zu einer kleinen Gruppe auserwählter Menschen gehört, die ein erhöhtes Reaktionsvermögen besitzen und daher vorher- bestimme Mordaufträge erfüllen müssten. Aus dem Verlierer von heute wird nach einem erbarmungslosen Training der Profikiller von morgen.
Das ist durchaus eine ziemlich radikale Geschichte, die Bekmambetov hier in betont stilvolle Bilder übersetzt. Der umgepolte Wesley bleibt auch nach seiner Erhebung zum eiskalten Auftragsmörder der Identifikationsheld, wenn nicht gar jetzt erst recht: Den Bürostuhl hat er gegen Waffen- geschoss eingetauscht, und seine ohnehin grundierte Anti-Menschen-Moral ist einer – möchte man meinen – reichlich ungesunden Ideologie vom Übermenschen gewichen. Immerhin verstehen sich die auserwählten Mitglieder der Gruppe als eine Art neue "Herrenrasse", die durch besonderes Genmaterial konventionelle Ordnungen überwinden möchte. In Heilbädern schließlich regenerieren sich die Schützen nach Aufträgen, ehe sie neue Anweisungen aus dem mysteriösen Codegenerator befolgen.
Zugegeben, "Wanted" muss sich vielleicht wirklich den Vorwurf vieler Kritiker gefallen lassen, bei allem modischen Comic-Zynismus, auf den der Actionfilm mittlerweile angewie- sen zu sein scheint (wie zuletzt "Shoot ’Em Up"), mit ziemlich menschenverachtendem und vielleicht sogar faschistoidem Anspruch unterhalten zu wollen. Wenn auch seine in ausgestellten Gewaltmomenten zelebrierte Lust an reichlich blutigen Kloppereien – das Modell einer elitären, geschlossenen und gewaltbereiten Gemeinschaft erinnert an "Fight Club" – und stilisierten Shoot-Outs – die wiederum in bester "Matrix"-Bullet-Time-Manier inszeniert sind – den fragwürdigen Grundtenor des Films natürlich ebenso wenig mildert, so sorgt doch zumindest ein überaus cleverer Plottwist für Relativierung.
Die simple Geschichte nämlich nimmt einen ebenso uner- warteten wie originellen Verlauf, der dem Action-Overkill zumindest den Ansatz einer Reflektionsebene verleiht. Aber selbst ohne seine findige Wendung sollte "Wanted" unbedingt als Comic-Relief verstanden werden: Schließlich ist es ja gerade die ausgelassene Inszenierungsfreude Bekmambetovs, die den Verzicht auf moralische Standfestigkeit einfordert. Der russische Regisseur haut hier spürbar unbefangen auf den Putz, kennt kein Halten und keine Kompromisse, setzt den Film schlicht und ergreifend mit einer Frische in Szene, die den betont coolen Konsens-Genrefilmen der letzten Jahre deutlich gefehlt hat.
Die Actionszenen fallen demnach nicht nur spektakulär aus, sondern sind vor allem ungemein einfallsreich und ästhetisch zurechtgetrickst, überwinden spielerisch physikalische Gesetze und sind zudem weitaus besser animiert, als es das Budget vermuten ließe. Mit ihren rasanten CGI-Choreo- graphien erwecken sie dabei zudem deutlich die Illusion eines Live-Action-Computerspiels.
Fast unverschämt frech, aufmüpfig und brutal, ungemein unterhaltsam und nicht zuletzt ironisch untersetzt schmettert Timur Bekmambetov ein erfrischendes Hollywooddebüt aufs Parkett. Mitunter zwar ideologisch gefärbt und sicher nicht gänzlich unbedenklich, ist das in erster Linie eine bitterböse, aber gewiss nicht unclevere Comicadaption. Allein die fulminant inszenierte Sequenz eines auf einer gigantischen Brücke entgleisenden Zuges lohnt schon das Eintrittsgeld – "Wanted" ist mit Sicherheit einer der besten Actionfilme des Jahres. Und die Fortsetzung befindet sich schon in Planung!