
Dass die J.J. Abrams’ Produktion mit einer Idee aufwartet, die letztlich weder neu, noch sonderlich originell ist, sich nämlich gänzlich einer subjektiven Perspektive, einer Ich-Erzählung via Digitalkamera zu verschreiben, ist an und für sich nicht weniger vermessen als einen großen Monsterfilm ohne eigentliche Monster in Szene zu setzen. Sicher: Da wird schon durch New York gerempelt, da werden kleiner Krabbelviecher abgesondert, die die Menschen attackieren, aber das alles findet in Bruchteilen statt, in kurzen Momenten, oder sogar gänzlich off-screen. Unverschämt ist das, und kostengünstig obendrein. Warum fasziniert diese pseudo-reale Monsterattacke aber dennoch, wo man gerade mal ein paar schnelle Blicke auf das erhaschen kann, wofür man eigentlich Eintrittsgeld bezahlt.
Weil der Film in seiner veritablen Ökonomie jene banale wie simple These aufstellt und beweist, dass das, was man nicht sieht, eben doch um einiges erschreckender sein kann als jede Scope-Einstellung nackten Grauens und toll getrickster Effekte. Hier macht es sich "Cloverfield" wunderbar einfach, die Kamera schwenkt mal hier und mal da hin, zoomt dort mal kurz ran und fällt hier mal auf den Boden, dazwischen sieht man dann oft nichts oder einfach nur eine Horde Mitzwanziger durchs nächtliche zerstörte New York irren. Das soll großes Kino sein und ist in seiner tatsächlich weitgehenden Distanzlosigkeit, die besagte Wackelbilder hervorrufen, ungemein fesselnd und beklemmend, auch wenn man nie so recht weiß, warum das nun eigentlich der Fall ist. Wie "Cloverfield" also auf einer gänzlich suggestiven Ebene arbeitet und funktioniert, ist so selbstverständlich wie erstaunlich: Man kennt das alles, das Prinzip ist nicht anders als im End-90er-Kinohit um die drei Studenten auf den Waldspuren einer Hexe, und eigentlich ist es verdammt dated und verdammt berechenbar.

Ganz sicher wird man "Cloverfield" übel nehmen, dass er keine innere Plausibilität herstellt. Warum jemand, der dauerhaft um sein Leben bangen muss, alles darauf setzt, dies auch filmen zu können, dafür höhere Risiken und manch deftige Pietätlosigkeit in Kauf nimmt, weiß eigentlich auch kein Mensch. Altruismus in Notsituationen ist ebenfalls eine ehrbare Eigenschaft – ob es aber auch noch einen anderen Grund dafür gibt, dass die Truppe völlig unnötige Gefahren auf sich nimmt, um eine Freundin zu finden und aus einem umgestürzten Hochhaus zu befreien, außer dass es sich gut für den Verlauf der Geschichte und einige ideenreiche Drehbucheinlagen macht, darf natürlich bezweifelt werden. Dass der Film hierbei also ebenso an Logik einbüßt wie seine Versprechen unerfüllt bleiben, könnte zu einer deutlichen Spaltung des Publikums führen (von der dezenten Geschmacklosigkeit der 9/11-Verweise ganz zu schweigen). Man wird diesen Film entweder als feinen Monsterhorror mit neuer alter Hülse feiern – oder verzweifelt nach der herkömmlichen Filmsprache rufen müssen. "Cloverfield" ist in etwa so originell wie Roland Emmerichs "Godzilla"-Remake, aber bei aller Innovationsarmut auch so richtig schön offenherzig. Und wenn das so simpel möglich ist, warum dann eigentlich nicht.
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