März 21, 2007

Kino: THE HILLS HAVE EYES 2

Dass an die aufbrausende Subversivität des 70er-Jahre Exploitationkinos aus dem Autorenkosmos all der Wes Cravens, Tobe Hoopers und George A. Romeros im hypermodernen Kino der Videoclipremakes, das die einst realitätsreflexive Kunst nur mehr auf ihre Oberflächenreize hin imitiert, längst nicht mehr zu denken ist, lag selbst bei dem Versuch einer Neujustierung durch den französischen Regisseur Alexandre Aja auf der Hand. Zwar gelang mit der Neuverfilmung von Cravens rustikalem "The Hills Have Eyes" (Hügel der blutigen Augen, 1977) eine erstaunlich selbstsichere und bei aller Extremität vergnügliche Hommage an die Reifezeit jenes Genres, das den Schrecken der Gegenwart mit apokalyptischen Bildern roher Zerstörung zu kommentierten versuchte. Doch trotz seines zeitgemäßen Subtexts – der Kampf Mensch gegen Mutation als Spiegelung eines 9/11-Traumas, wo die legere Bürgerlichkeit auf ihr barbarisches Gegenbild trifft, das sie ironischerweise selbst konstruiert hat – unterstellte Aja sein Update einer drastischen Gewaltästhetik, die sich an ihren brutalen Auswüchsen primär ergötzte denn zu verunsichern und somit in letzter Konsequenz nur entfernt an die Tradition der Vorbilder appellieren konnte.

Und dennoch: Vom stinkenden Remakebottich berühmt- berüchtigter Terrorfilmklassiker setzt sich die Version des "Haute Tension"-Regisseurs mit großem Vorsprung ab, Ajas clever gestrickte und durchaus ironisch unterlegte Neuauflage des Stoffes ist im Gegensatz zu vielen anderen MTV-Interpretationen Kettensägen schwingender Metzger oder konsumgeiler Zombies noch am ehesten vom Geist der Midnight Movie-Ära beseelt. Da "The Hills Have Eyes" mit einem weltweiten Einspielergebnis von 70 Millionen US-Dollar auch relativ erfolgreich lief, ließ eine Fortsetzung nicht lang auf sich warten. Und damit diese pünktlich ein Jahr nach dem Vorgänger in die Kinos ziehen kann, musste das Sequel im Eilverfahren hergestellt werden. Der deutsche Musikvideo- und Werbeclipfilmer Martin Weisz, dessen unfreiwillig komische Killergroteske "Butterfly: A Grimm Love Story" (Rohtenburg, 2005) hierzulande durch ein gerichtlich erwirktes Aufführungsverbot (und damit zugunsten des Publikums) nicht gestartet ist, übernimmt die dankbare Rolle, eine eigenständige Fortsetzung zum Remake zu inszenieren – dem Kannibalensujet darf er dabei sogar treu bleiben.

Mit Cravens eigenem Sequel "The Hills Have Eyes Part II" (Im Todestal der Wölfe, 1985) hat das erst einmal nicht viel zu tun, vielmehr wirkt der Film wie ein Remake des Remakes, was einer gewissen Ironie nicht entbehrt. Abgesehen vom grundsätzlich identischen Plot, den alle "Hills"-Episoden aufweisen, wandelt Weisz routiniert auf dem sicheren Pfad des Vorgängers: Ein blutiger Prolog, der die Protagonisten und somit natürlich potentiellen Opfer in die Wüste befördert, die Unterteilung in eine eher durch Außenaufnahmen bestimmte erste und eine düstere, in den Katakomben angesiedelte zweite Hälfte, eine klare patriarchalische Struktur beider Seiten, die jeweils durch die Eliminierung des Oberhauptes aufgelöst und neu geformt wird (im Vorgänger starb Familienchef Big Bob einen radikalen Tod, während der Außenseiter im Bürohemd zum Helden avancierte) und zahlreiche kleine Ideen, die in "The Hills Have Eyes 2" nur variiert werden.

Grundsätzlich allerdings hat der Film mit Cravens einstiger Schnellschussfortsetzung mehr gemein, als man annehmen könnte. Beide erscheinen im Gegensatz zu ihren Vorgängern wesentlich konventioneller konstruiert und fügen sich deutlich der simplen Dramaturgie eines Slasherfilms. In Cravens Version von 1985 gerät eine Gruppe Jugendlicher in die Kannibalenwüste – nach und nach werden die schuldigen Kids dezimiert. Bezüge zum Original waren reiner Selbstzweck, letztlich unterschied sich "The Hills Have Eyes Part II" in seiner Beliebigkeit kaum mehr von einzelnen Ausgaben des "Friday the 13th"-Zyklusses. In der Neufassung gilt es deshalb nur die Teenager gegen eine Soldatentruppe einzutauschen: Der Rest ist nicht mehr als die Variation des ewig gleichen. Doch immerhin erhält der Film, dessen Drehbuch Craven gemeinsam mit seinem Sohn Jonathan verfasste, durch diesen Wechsel eine interessante Note: Der Kampf zweier Familien im Original und Vorgänger weicht für "The Hills Have Eyes 2" einer kriegerischen Auseinan- dersetzung zwischen blutjungen Gesandten des US-Militärs und barbarischen Terroristen.

Ohne wirklichen Ernst und entsprechend ausgearbeitete Dimension reicht das zwar nur für einen schmunzelnden, aber oberflächlichen Unterton, doch Craven hat diese Ebene zumindest ganz bewusst eingearbeitet: "Was im Moment passiert, ist historisch gesehen so wichtig – der Krieg im Irak und der Kampf gegen den Terrorismus, der Widerstreit der Kulturen! Vor dem Hintergrund dieser schrecklichen Realität fand ich es interessant, eine Geschichte zu entwickeln, in der amerikanische Jugendliche in Uniform gegen einen Feind kämpfen, der vollkommen unerklärlich ist. Sie werden auf ein bestimmtes Feindbild hintrainiert, aber dann mit etwas gänzlich Unbegreiflichem konfrontiert." Das wirkt in derart saloppem Stil zwar reichlich platt, umschreibt die grundsätzliche Stimmung des Films aber sehr treffend: Mehr als ein archaisches Duell zwischen dem modernen Krieger im Tarnanzug und unzivilisierten Monstern aus der Wüsten- berghöhle findet in "The Hills Have Eyes 2" nicht statt – ein Bezug zu identischen Bildern der Gegenwart soll also offenbar ganz deutlich hergestellt werden.

Aus dieser nicht ganz ernstzunehmenden Prämisse bezieht der Film manch ironische Einlage. Wenn sich ein Soldat auf dem ihm fremden Terrain von einem Berg abseilt, auf halbem Wege plötzlich ein Mitglied der Kannibalensippe aus einem Schlupfloch herbeieilt und ihm genüsslich den Arm abschlägt, kurz in der Luft zappeln und schließlich fallen lässt, dann bezeichnet das recht zutreffend den Fun-Charakter des ganzen, der mit der ursprünglichen Bedeutung des Originals natürlich nicht mehr viel zu tun hat. Stellt man sich aber die ein oder andere gescheiterte US-Mission im weiträumigen, durch seine Wüstenlandschaft geprägten Irak vor, erscheinen derartige Momente unerwartet komisch; im humoristischen Sinne. Besonders deutlich macht sich das in jener Szene, als sich hinter einer Soldatin unerwartet ein dem Felsen angepasster Mutant zu bewegen beginnt – gegen den durch sein Territorium getarnten Feind scheinen die modern ausgerüsteten Militärs machtlos.

Das bestechende Produktionsdesign ist dann auch eine der wirklichen Stärken des Films. Hervorragend photographiert von Sam McCurdy ("The Descent"), wirken die unter der sengenden Sonne eingefangenen Sets erstaunlich atmos- phärisch. Die Make Up-Effekte bewegen sich auf dem herkömmlichen K.N.B.-Niveau, kommen aber weitaus seltener zum Einsatz als in Ajas Vorgänger. Obwohl das Treiben der gierigen Kannibalenmeute durchaus blutiger Natur ist, wird die fast brachiale Härte des Remakes nicht einmal tangiert: Auf ausufernde Goreexzesse muss der begierige Schmuddelfreund also zumindest in der für das R-Rating abgemilderten Fassung verzichten. Was dann übrig bleibt, ist wohl Gewohnheits- sache: Unterm Strich ein leidlich spannendes Erlebnis, prinzipiell völlig austauschbar und uneigenständig, aber zumindest amüsanter als erwartet.

50% - erschienen bei Wicked-Vision.de

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