Dezember 17, 2009

Kino: AVATAR

Der größte, der teuerste, der aufregendste Film nach dem Mega-Spektakel, das selbst schon als der größte, teuerste und aufregendste Film aller Zeiten galt. Zum König der Welt hat sich James Cameron auf seinem Oscarsiegeszug vor 12 Jahren selbst gekürt und dann von der großen Leinwand verabschiedet, um nicht am finanziellen und zu Teilen auch künstlerischen Maßstab seines Riesenhits vom sinkenden Schiff gemessen werden zu können. Die 3D-Technik nun lockte den Regisseur mit attraktiven Fluchtmöglichkeiten in neue Räume aus dem Schaffensexil: in der Tiefe des Bildes findet Cameron offenbar den Mut, sich endlich wieder einem Publikum zu stellen. Das neue alte Gimmick des Kinos wirkt Distanz zersetzender denn je, und "Avatar" ist schwer, zumindest aber anders zu beurteilen in seiner digitalen Ästhetik und Dreidimensionalität – er läuft nicht Gefahr, in Konkurrenz mit "Titanic" treten zu müssen. Gewiss nicht.

Cameron entwirft, mit aller Sensibilität, Melancholie und Beherztheit, eine filmische Natur, in der man feinste Blüten, wunderbar fluoreszierende Blätter und schönste Flugtiere bestaunen kann! Dass der Mann, der einst noch für ein Kino aus Schwermetall ("Terminator"), aus kybernetischen Kräften ("Terminator II") und wuchtigem Militärgeschütz ("Aliens") stand, mit geradezu sinnlicher Akribie digitale Naturbilder erschafft, die nicht selten die Grenzen zum Kitsch überschreiten, das verwundert nach dem Gefühlsklopper "Titanic" erst einmal nicht. Eher schon irritiert, dass Cameron in "Avatar" gänzlich vom Kampf der friedlichen Ökologie gegen gewaltsame Maschinen erzählt, und dabei gar noch Umweltbotschaften auf den Weg gibt: Das harmonische Waldvölkchen der Na'vi nämlich muss sich gegen böswillige Militärs mit imposanten Waffen zur Wehr setzen, um ihre Flora und Fauna zu schützen. Cameron erweist sich dabei als geradezu grüner Ideologe, der mit den Na’vi tanzt. Die blauen Wesen haben gelbe Zähne und schicke Flesh Tunnels, erweisen sich trotz ihrer bedrohlichen Erscheinung jedoch als esoterische Sensibelchen, die in sektengleichen Massenzeremonien einer gigantischen, wurzelartigen Lichtquelle zu Fuße liegen – mein Freund, der Baum. Klanglich verhält sich der Film zu diesem in violetten und rosafarbenen Tönen getünchten Bilderreigen ("The Abyss") mit einer hübsch gejaulten Ethno-Beschallung durch James Horner, der immer wieder den gleichen schönen simplen Soundtrack recyceln darf. Selten war seine Musik von einer so banalen, wenig tragfähigen und verkennbaren Qualität – für die Ohren zumindest hat "Avatar" nicht viel Neues zu bieten.

Was aber eigentlich hat dieser Film überhaupt (Neues) zu bieten, wo er doch irgendwie als so etwas wie die sinnästhetische Revolution des Kinos angekündigt und vermarktet wurde? Diese Frage mag Grund sein, warum man nach knapp drei Stunden aus dem Kinosaal torkelt und mehr über die 3D-Brillenabdrücke auf der Nase, als das eben Gesehene nachdenken möchte. Denn "Avatar" ist letztlich ein Film der Widersprüche: Die visuellen Effekte suchen ihresgleichen, die Motion-Capture-Animation war noch nie so überzeugend, die künstlichen digitalen Naturbilder noch nie so real. Das hat man so tatsächlich noch nie gesehen, und doch überrascht Cameron an keiner Stelle seines Films. Die Gut-Gegen-Böse-Geschichte ist mindestens so alt wie die Technik neu sein mag, die Dramaturgie so dünnflächig wie die visuellen Attraktionen im Überfluss. Das alles Innovative dieses Films letztlich dem Computer entstammt oder zumindest auf ihn zurückzuführen ist, während Handlung und Figuren archetypischer und langweiliger nicht sein könnten, macht "Avatar" bestenfalls zu einer CGI-Öko-Fabel im Ethno-Takt. Oder auch ganz schlicht zum bisher dürftigsten Film von James Cameron – so beeindruckend und so egal.