Februar 07, 2007

DVD: ALIEN AUTOPSY

Ein langer steriler Tisch. Mehrere Männer in weißen Anzügen sind zu sehen. Sie hantieren mit Skalpell, Knochensäge und anderen wahrscheinlich authentischen Utensilien. Inmitten dieser Szenerie liegt ein undefinierbarer, vermutlich toter Körper, der in langen Einstellungen seziert wird. Dieses grobkörnige Schwarzweiß-Video sorgte 1995 für einen weltweiten Medienrummel, es soll die wahre Autopsie eines außerirdischen Wesens abbilden, als ein Originaldokument aus dem berühmt-berüchtigten Juni des Jahres 1947 in Roswell, New Mexico. Experten hielten es für einen Schwindel, doch die breite Öffentlichkeit war fasziniert vom mysteriösen Phänomen: Das Video wurde in 32 Länder verkauft.

Aber wer steckte hinter den Aufnahmen, wer brachte sie ans Tageslicht, wenn sie der Wahrheit entsprächen, oder wer inszenierte sie, wenn dies nicht der Fall sei? Darüber schwieg man sich so lange aus, bis ein jeder die Existenz des Films schon wieder verdrängt hatte – nach 10 Jahren kommt mit der autobiographischen Komödie "Alien Autopsy" die Wahrheit ans Licht. Und ja, das Video ist ein Schwindel! Dahinter steckten die beiden Freunde Ray Santilli und Gary Shoefield, die – um der Geschichte zumindest ein wenig restliche Mystik zu bewahren – aus der Not eine Tugend machen und die ursprünglichen Aufnahmen, die sie von einem alten Mann in Ohio gegen 30 000 US-Dollar bekamen, nachdrehen mussten. Denn in genau der Zeit, in der sich die beiden Briten auf die Suche nach Kreditgebern machten, wurde das Material unbrauchbar. Das Video sei somit zwar gefälscht, basiere aber eben auf tatsächlichen Aufnahmen, die nicht mehr rekonstruiert werden könnten.

Die Veröffentlichung dieses Kinofilms, der alle Geheimnisse lüften soll, geht einher mit diversen in Großbritannien ausgestrahlten Dokumentationen, ist also durchaus ein berechnendes Marketingunterfangen. Anstatt ihre „wahre“ Geschichte jedoch bierernst zu erzählen, produzierten Santilli und Shoefield eine irrwitzige und hinreißend charmante Anarchokomödie, die an genau jenen Stellen augenzwinkernd Umschweife macht, die die eigentlich zur Enthüllung notwendigen Fragen aufwerfen. Das Duo wird von den englischen Komikern und einstigen Popsängern Declan Donnelly und Ant McPartlin (einigen vielleicht noch als PJ & Duncan bekannt) verkörpert, die dem Stoff eine herrlich ironische Leichtigkeit verleihen. Natürlich nimmt sich "Alien Autopsy" alles andere als ernst, er versucht weniger hinter eine inszenierte Massenmanipulation zu blicken, als vielmehr erneuten Schwindel zu verbreiten – die Umstände, die zur Inszenierung des Videos im heimischen Wohnzimmer führen, sind womöglich alle frei erfunden oder hoffnungslos überzogen – und diesen im selben Moment als reine, also durch und durch unwahre Unterhaltung selbst entlarvt.

Dabei ist der Film nicht weniger als eine ungemein rasant inszenierte Buddykomödie, der im weiteren Verlauf spielend leicht auch der Absprung zur Mediensatire gelingt. Mit vielen skurrilen, vermeintlich wahren Ideen werden pausenlos schwarzhumorige, überaus britische Gags abgefeuert, bei denen einige besonders auf das Konto von Götz Otto als schmierig-schwulen Geldgeber gehen. In der Rahmen- handlung, bei der die beiden Glückspilze (immerhin verdienen sie sich mit dem Verkauf der Rechte eine goldene Nase) einem abgehalfterten Dokumentarfilmer ihre Erlebnisse 10 Jahre später, also in der Gegenwart, berichten – und die sich so womöglich in den Büroräumen irgendeines britischen Studios auch tatsächlich zugetragen haben dürfte – kann ein unrasierter Bill Pullman ebenfalls für einige Schmunzle sorgen. Abgerundet wird "Alien Autopsy" mit liebevoll schrulligen Nebenfiguren und einem fetzigen Soundtrack diverser Chartverbrechen der mittleren 90er-Jahre. Hierzulande wird sich kaum jemand für den kleinen Ausflug in die wunderbare Welt des Unsinns interessieren, deshalb gilt es umso mehr, sich diesen Geheimtipp dringend zu Gemüte zu führen!


70% - Review erscheint in der Deadline 02/07