Dezember 03, 2013
Kino: INSIDE LLEWYN DAVIS

November 30, 2011
Kino: IN TIME
Oktober 07, 2010
Kino: THE SOCIAL NETWORK
Trotzdem "The Social Network", wie schon erwähnt, kein Film ist, der am Massenphänomen sozialer Netzwerke sonderliches Interesse bekundet, ja, diese nicht einmal verhöhnt, lässt er es sich nicht nehmen, seine symbolträchtige Aufsteigerstory in einen kritischen Bezug zum Erfolgsobjekt der Begierde zu setzen: Im Grunde ist es nicht relevant, welches konkrete Unternehmen die Unverhältnismäßigkeiten der freien (oder sozialen?) Marktwirtschaft antreibt (dieser Film funktioniert auch gänzlich allegorisch), und doch besteht Fincher darauf, den Widerspruch eines globalen Netzwerks, das soziale Kontakte intensivieren, vergrößern oder überhaupt erst produzieren soll, ausgerechnet als Erfindung eines sozial weitgehend inkompetenten Egozentrikers herauszuarbeiten. Insofern geht es hier vor allem um die Machtkämpfe der Harvardstudenten, um finanzielle und kreative Beteiligungen, um Plagiatsbeschuldungen, um den unerbittlichen Konkurrenzkampf in der Mensa. Auf dem Weg nach oben gilt es schließlich einige Hürden zu überwinden. Oder, wie es die Tagline des Films so treffend formuliert: "You don't get to 500 million friends without making a few enemies."
Und natürlich amüsiert sich der Film über das, was er zu ergründen versucht. Das ist zum Teil Verzweiflung, weil ihm die hochstaplerischen Eliteheinis suspekt sind, aber auch seine Interpretation der kuriosen Vorstellung, dass man mit einem anfänglichen Universitätsnetzwerk zum weltweiten Erfolgsgiganten mutieren kann. Wenn der Trailer seine Bilder mit den Lyrics einer Coverversion des Radiohead-Songs "Creep" unterlegt, verrät er auch, dass er diese ständig vor sich her faselnden Kids zwischen Größenwahn und raffinierter Strategiewut nur als weirdos begreifen kann. Insofern bezieht "The Social Network" Stellung, bleibt aber größtenteils dennoch – ganz wie Finchers meisterlicher "Zodiac" – ein Film, der sich mittels seines sorgfältigen Drehbuchs höchst konzentriert auf das Faktische beschränkt. In einer unfassbaren Fülle an cleveren Dialogen, mit einer detailgetreuen und präzisen Beobachtungsgabe.
Auch wenn das letztlich kein Film sein mag, der die Herzen seiner Zuschauer erobern wird, so ist es doch zumindest Finchers bisher reifste Regiearbeit. Formal auf das Wesentliche beschränkt, im völligen Verzicht ausgestellter Inszenierungskniffe und ganz ohne die ästhetische Verliebtheit in blumige Ausschmückungen. Keine durch Türschlitze gleitenden Kamerabewegungen, keine visuellen Verspieltheiten, keine erschöpfenden Legitimierungsversuche der eigenen (einstigen) Disziplinlosigkeit. Diese Geschichte ist so spannend und stark, dass auch Fincher sie mit aller Konzentriertheit erzählen möchte. Nach seinem klebrigen Regierausch mit "Benjamin Button" ist "The Social Network" die unerwartete, erfreuliche Selbstbesinnung eines Regisseurs, der vom Budenzauber Hollywoods und seiner eigenen Videoclipvergangenheit rehabilitiert scheint. Und es ist ein inspirierender Film. Ich empfehle Christopher Nolan, ihn sich genau anzusehen.
80% - erschienen bei den: 5 FILMFREUNDEN
Juli 10, 2007
Kino: BLACK SNAKE MOAN

"Black Snake Moan" ist kein gewöhnliches Südstaaten- Melodram, sondern erzählt in schicken und modernen Bildern eine zwar nicht ungewagte, tendenziell jedoch überaus altmodische Geschichte. Denn so unverhüllt und dirty die Grundsituation – greiser Bluesmusiker treibt fescher Kleinstadt-Nymphe den Teufel aus – erscheinen mag, hinter den gewitzten und herben Dialogen verbirgt sich lediglich eine ziemlich biedere Moral: So darf sich Ricci nicht nur für den Bund der Ehe und damit gegen ein umtriebiges Teenagerleben entscheiden, sondern Jackson sich auch gleich noch auf alte Tage berufen – als jemand, der eigentlich vom Glauben abgekommen war, schöpft er mittels Notfall-Exorzismus neue Kraft. Dabei hätte den Figuren ein wenig mehr Tiefe nicht geschadet, zumal Brewers Film ein merkwürdig misogynes Rollenverständnis hat: In der Welt von "Black Snake Moan" haben Frauen nichts anderes im Sinn als rumzuvögeln und ihre gut situierten Männer zu verlassen, die dann folgerichtig als Lebenswrack enden. Wären da nicht die gefühlvollen, puren Musikmomente, in denen Jackson zur Gitarre greift und manch rostigen Blues anschlägt, müsste man nach Brewers tollem "Hustle and Flow" von einer herben Enttäuschung sprechen.
45% - erschienen bei: DEADLINE
Januar 20, 2007
Kino: ALPHA DOG

So rennen seine brutalen Vorortkids und Junkies ins unaufhaltsame Verderben – Partys und exzessivem Alkoholmissbrauch folgen gewaltsame Übergriffe rivalisierender Banden und bald auch organisierter Mord. Bedenkt man, dass die tatsächliche Schuld Jesse James Hollywoods noch gar nicht bewiesen wurde, erscheint "Alpha Dog" in seiner vorgegaukelten Authentizität wie eine geschmacklose Frechheit. Nicht nur verhalten sich die Teens und Möchtegern-Haudegen unter Führung Cassavetes’ wie ihre filmischen Vorbilder aus dem Universum eines Brian De Palma (natürlich hängt im Zimmer des Äquivalents Hollywoods, Johnny Truelove, ein "Scarface"-Poster) oder Quentin Tarantino (und fluchen und bewegen sich entsprechend selbst verliebt), sondern wird auch deren soziales Milieu ähnlich überraschungslos präsentiert.
Es sind die Eltern, die ihre Kinder nicht zu verstehen scheinen, vernachlässigen und ihrer selbst überlassen. Im günstigsten Fall versorgen sie sie mit Geld, um deren Drogen- und Schuldenprobleme zu finanzieren, im schlechtesten rauchen auch sie Joints und schniefen Kokain bei feierlichen Hauspartys. Cassavetes’ Sicht auf die Dinge würde in ihrer dümmlichen Banalität weniger ärgerlich erscheinen, zöge er die differenzierte Möglichkeit einer etwaigen Unschuld seiner Figuren in Betracht. Doch verantwortungslose Eltern ziehen Verliertypen heran, die ihrem Schicksal kaltblütig ausgeliefert sind und dieses auch genüsslich auskosten. Das ist nicht fatalistisch, das ist in erster Linie eindimensional und bedauerlich.
Die tatsächlichen Hintergründe dieser authentischen Personen erforderten selbstredend Recherche, deren Ergebnisse jedoch würden sich wenig mit der intendierten Darstellung von Ursache und Wirkung vereinbaren lassen, wie man sie sich im Kino des Nick Cassavetes gern vorstellt: Ganz sicher ohne einen Justin Timberlake, der sich und seine Coolness mit Freude selbst inszeniert. Und wohl auch ohne schicke Bildfilter in Videoclipästhetik, die so ganz vorbildlich die Realität verzerren können. Im Griff hat der Film seine Darsteller ohnehin nicht: Die Newcomer (darunter Ben Foster, "11:14") zelebrieren mit großer Spiellaune eine ausufernde Party auf der Leinwand, haben jedoch keinen blassen Schimmer von der Verantwortung, die ihre Figuren aufweisen. Jedoch fallen insbesondere die etablierten Namen aus dem Rahmen, diffamieren sich Bruce Willis (demnächst in "Live Free or Die Hard") als Vater des Drahtziehers Truelove und Sharon Stone (nach "Basic Instinct 2" geht es weiter bergab) als verzweifelte Mutter des Opfers durch regelrecht grotesk schlechte Leistungen selbst – das ist Over-Acting in penetrantester Erscheinung.
Besonders unangenehm entwickelt sich der Film dann, wenn für die folgeschweren Taten dieser Kids auch noch Motive in den Raum geworfen werden. Hier verhält es sich ganz wie bei der Frage um Schuld und Unschuld; Cassavetes bietet nicht an, er zwingt auf: In platten Dialogen („Hattest du auch schon mal diesen Traum? Den, in dem du etwas gemacht hast… und nicht weißt warum, aber du kannst nie wieder zurück?“) wird aus den Figuren das herausgekitzelt, was das Drehbuch nicht fähig in Subtilitäten chiffrieren konnte. Dem Zuschauer werden keine Vorschläge angeboten, die mithilfe einer Tiefgründigkeit der Protagonisten das „warum“ und „wieso“ diskutierten, sondern pseudophilosophische Antworten an den Kopf geknallt. "Alpha Dog" verharmlost ein reales Verbrechen – und ist höchst bedenklich und gründlich misslungen.
20%
Review erschienen bei: Wicked-Vision.de