Zeit ist Geld, diese Redewendung erfährt im neuen Film von Andrew Niccol eine ganz neue Bedeutung. Der Sci-Fi-Thriller "In Time – Deine Zeit läuft ab" beschreibt, wie Menschen aufgrund einer genetischen Veränderung im Alter von 25 aufhören zu altern. Ein rückwärts laufender Timecode aktiviert sich auf ihrem Unterarm und erinnert fortlaufend daran, dass das letzte Lebensjahr begonnen hat. Ist die neongrüne Uhr auf der Haut erst einmal heruntergezählt, schaltet sich der Körper von einem Moment zum nächsten einfach ab. Keine Zeit, kein Leben.
Einzig den Wohlhabenden der Gesellschaft jenseits der Ghetto-Timezones ist Unsterblichkeit vergönnt. Sie handeln mit Zeit, erkaufen und verwalten sie. Ihre Lebensuhren laufen zwar ebenfalls rückwärts, werden jedoch regelmäßig um Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte erweitert – wie Geld, das sich auf Konten anhäuft. Zeit also ist kein selbstverständlich verfügbares, allgemeines Gut mehr, sondern eine lebensverlängernde und –sichernde Ware, die Macht und Stärke symbolisiert. Und wer nicht Acht gibt auf seinen Timecode, der kann auch einfach seiner Lebenszeit beraubt werden, durch Auf- bzw. Entladung per Armberührung.
Diese phantastische Prämisse, die in ihrem technisch-biologischen und sozialen Prinzip an die futuristischen Ideen eines Philip K. Dick erinnert, ist zweifellos interessant genug, um aus ihr einen mitreißenden und klugen Science-Fiction-Film zu entwickeln. Mitreißend ist "In Time" dann auch über weite Strecken, nur an der Ableitung tiefer gehender Gedanken, vielschichtiger Überlegungen oder profunder Schlüsse aus seiner Idee ist der Film wenig interessiert. Das ist sicherlich verschmerzbar, aber auch insofern eine Enttäuschung, als Niccol ebendies mit seinem Regiedebüt, dem Biopunk-Sci-Fi-Drama "Gattaca", vor einigen Jahren noch wunderbar gelang.
Im Zentrum der Handlung steht Will (Justin Timberlake), ein einfacher Arbeiter aus dem Armenviertel, der stets am Limit seiner Zeit lebt: Sein tägliches Gehalt entscheidet, ob er auch den nächsten Morgen noch erleben wird. Als Will bei einem Feierabendbier (kostet etwa eine Stunde, bezahlt wird wie überall über einen Arm-Scanner) einem von kriminellen Zeiträubern bedrohten Fremden hilft, überlässt dieser ihm im Schlaf dessen gesamte Kapazität. Plötzlich verfügt Will nicht nur über 100 Jahre mehr Lebenszeit auf seinem Timecode, sondern muss auch erklären, warum der von ihm gerettete Mann nun tot unter einer Brücke liegt.
Während der Wohlhabende wider Willen sein Vermögen erst einmal dazu nutzt, das durch hohe Grenzgebühren abgeriegelte Ghetto zu verlassen und Lebensjahre im Casino zu verschleudern, sind ihm die so genannten Timekeeper (angeführt vom wie immer unfassbar charismatischen Cillian Murphy) auf den Fersen – eine Quasipolizei, die die bestehenden Ungleichheiten aufrecht erhält. Als man Will des Mordes am unbekannten Zeitspender bezichtigt, kidnappt er die vermögende Despotentochter Sylvia (Amanda Seyfried) und startet eine halsbrecherische Vergeltungstour gegen das Zweiklassensystem.
Die Idee ist stark und sie trägt den Film. Dass Niccol sie bestenfalls für eine recht platte und abgehangene Kapitalismuskritik bemüht, dem aktuellen Gesinnungstrend aus weltweiten Bürgerprotesten gegen die "Diktatur der Finanzmärkte" nur allzu dienlich, schadet "In Time" als Unterhaltungsfilm nicht. Der Verzicht auf eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema (ein derartiges System wie das im Film dargestellte kann eigentlich keine zivilisierte Gesellschaftsordnung mehr zulassen) ermöglicht natürlich die Fokussierung auf einen genretypischen Road-Movie-Plot und dessen unverzichtbarer Liebesgeschichte.
Timberlake und Seyfried bilden ein charmantes Paar (wie sie einmal, ganz uneitel, auch selbst im Film feststellen), werden allerdings beide von Niccols Drehbuch in entscheidenden Momenten im Stich gelassen: Ihre schlussendliche Auflehnung gegen die herrschenden Zustände erscheint schlicht vollkommen unmotiviert. Timberlakes Figur entwickelt sich im Laufe der Handlung aus unerklärlichen Gründen zum Robin Hood, während Seyfrieds plötzlicher Ausbruch aus dem Establishment (nach ihrer Entführung!) mit keiner Silbe oder Geste begründet wird.
Freunde so genannter Logik werden da im Kohärenzabgleichen noch über ganz andere Ungereimtheiten stoßen (nicht einmal die Hälfte der Besetzung geht äußerlich noch als 25jährig durch), und Probleme im Timing des stets auf die Tube drückenden und etwas zu sehr auf vordergründige Plotentwicklung abzielenden "In Time" fallen zusätzlich ins Gewicht. Unterm Strich ist das alles andere als ein schlechter Film, aber seine Zeit-Metapher gedanklich weiterzuspinnen ist letztlich irgendwie reizvoller, als deren eigentlicher Umsetzung zuzuschauen.
50% - erschienen bei: gamona