Bald müssten sie ja nun alle einmal durch sein, die Sagen und Geschichtchen, die nicht schon hübsch adaptiert wurden, um noch ein wenig von der Ringe- und Potter-Begeisterung mitnehmen zu können. Allerdings ist "Krabat" jetzt immerhin der deutsche Versuch, am Genre-Kuchen mitknabbern zu dürfen – und überhaupt: Ottfried Preußlers sorbisch inspirierte Erzählung ist ja sowieso ein teutonischer Klassiker, dessen Konvertierung zum Kinospektakel man eigentlich auch schon früher hätte erwarten dürfen. Nur: Angesichts des fertigen Films von Marco Kreuzpaintner ("Sommersturm"), der nach einem kurzen erfolglosen Hollywood-Exkurs wieder an die Türen der heimeligen Filmförderungsanstalten geklopft hat, wäre es besser bei der Erwartung geblieben, denn "Krabat" ist zwar ein amüsanter, herrlich doofer Rohrkrepierer, aber alles andere als eine schöne Verfilmung der adoleszenten Initiationsgeschichte.
Denn wie das nun einmal so ist, versucht der Film als mal pompöses, mal still sentimentales Fantasy-Happening Ein- drücke zu erwecken, denen visuell und natürlich auch von der erzählerischen Struktur her etwas archetypisches und episches innewohnt, und die letztlich Rückschlüsse auf eine hochwertige und für deutsche Verhältnisse ja auch großzügig budgetierte Produktion schließen lassen (sollen). Wenngleich die Geschichte auch nichts mit ihnen zu tun haben mag oder sich nur durch Übereinstimmungen in herkömmlichen Coming-of-Age-Themen und Gut-Böse-Typen ähnelt, erinnert das, was Kreuzpaintner da letztlich aus dem 1971er Jugendbuch herausfischt, doch sehr an den Herrn der Ringe oder den Potter-Harry. Die haben zuletzt nun einmal einen gewissen Vorrat an Bildern, an Impressionen zusammen- gestellt, und der Krabat-Film greift dankbar darauf zurück. Schlimmer noch, wie er die Sehkonventionen seiner US-amerikanischern Vorbildern nachzustellen versucht, wie er visuell an diese anknüpfen, aber trotzdem auch eine eigene, eine intime, eine kleine ländliche Sage sein möchte – das alles vereint sich zu einem unangenehm unausgegorenen, ja leider typisch deutschen Mainstream-Film.
Da trifft Regisseur Christoph Hochhäusler gegenüber Kreuzpaintner mit seiner eigennützigen Blog-Polemik im Parallelfilm-Notizbuch nur zu sehr ins Schwarze: "Wider eine echte wirtschaftliche Logik setzt man, ganz "amerikanisch", auf Formelkino. Nazi und RAF und Bestseller und Fort- setzungen und Merchandising. So entstehen ungenießbare Bastarde, die den Schauwerten Hollywoods hoffnungslos hinterherhinken und zugleich panische Angst vor dem künstlerischen Risiko haben - schließlich haben sie so viel gekostet. Sie sind der "Mittelweg", vor dem Alexander Kluge uns immer gewarnt hat.". Das veranschaulicht sich ganz von selbst: Allein die Hobbit-Kostüme, die penetrant und frech von Howard Shore abgekupferte The Shire-Musik, ja sogar ganz konkrete Einstellungen scheinen straight from Peter Jackson herbeiinspiriert. Und natürlich sind die kurzen Actioneinlagen mit Stroboskopeffekten überinszeniert, könnte ja sonst noch originell sein, das ganze.
Doch selbst auf seinen uneigenständigen Füßlein wackelt und kippt dieser "Krabat" zwei volle müde Stunden hin und her – da wird nicht nur schlecht geklaut, sondern auch schlecht erfunden. Ungelenk, staksig in Szene gesetzt, bebildert Kreuzpaintner die an und für sich schöne Erzählung einfalls- und regungslos, ohne Gespür fürs Magische, fürs Phantastische. Der junge Regisseur hat den Stoff zu keiner Zeit im Griff, weiß nicht, wie er die Mischung aus düsterer Fantasy und Teenager-Drama visuell erzählen oder wo er überhaupt Schwerpunkte setzen soll. Und es ist gar nicht einmal besonders lustig, sondern eher zum Fremdschämen, wenn er dabei schon simple Set-Up-Basics verhaut, so geschehen bei der unglücklichen Einführung der Gesellen, die alle der Reihe nach vom Bett hüpfen und sich brav mit Namen vorstellen. Immer wenn dann selbst die zahlreichen Dialoge nicht mehr genügen, um die Geschichte voranzutreiben, muss auch noch der Off-Erzähler zur Hilfe eilen. Und Otto Sander hat schon so oft und so viel und überhaupt alles irgendwie irgendwo aus dem Off kommentiert, dass man sich doch wahrlich nach weniger Type Casting gesehnt hätte.
Immerhin: "Krabat" ist vorübergehend wunderbar unfreiwillig komisch. Die als Jungstars angepriesenen – zumeist aber genauso gekünstelt wie in ihren anderen Filmen aufgelegten – Darstellerchen von Stadlober bis Brühl sehen in ihren Sackleinen und mit Schmutz verschmierten Gesichtsaus- drücken wahrlich wie die Helden eines osteuropäischen Mittelalterfilmes aus. Und der aus dem Ghetto-Debakel "Knallhart" bekannte Krabat-Darsteller David Kross bekommt nicht einen Satz geradeaus gesprochen, weiß in seiner Unbeholfenheit offenbar überhaupt nicht, was er mit der Kamera anfangen soll. Witzig-bizarr wird’s dann schließlich, wenn der Film ihm auch noch ein wandelbares Kunstbärtchen über die Oberlippe heftet. Währenddessen haben die beiden weiblichen Figuren rein gar nichts zu tun, immerhin ist das ja auch ein Film, der eine Geschichte vom Ausschluss aller Frauen erzählt, aber der fast völlige Verzicht auf die romantische Liebe zwischen Krabat und seinem Mädchen – immerhin zentrale Auflösung des Stoffes – ist schon bemerkenswert. Das legt dann zumindest den Blick frei für einen nicht minder komischen schwulen Subtext, der sich bei dieser Geschichte natürlich ohnehin anbietet – den Kreuzpaintner aber besonders unterfüttert. Wenigstens etwas.
"Krabat" hat dabei ungefähr zehn Millionen Euro gekostet. Die Filmbewertungsstelle spricht von einem besonders wertvollen "Meisterwerk" und zieht Vergleiche zu Fritz Lang (!). Die Fördergelder sind reichlich geflossen. Und bei der Presse- vorführung mussten Sperrfristen unterzeichnet werden. Aber derlei Verneblungseffekte können nicht den Eindruck verwehren, dass dieser Film sich lediglich wie eines der besseren Fernsehspiele anfühlt, die während der Feiertage Sonntagmorgens im MDR laufen.