Dies sind nur einige Weisheiten aus dem Munde von Sylvester Stallone, der sich 20 Jahre nach dem vorläufigen Abschluss seiner Trilogie um Muskelbeschau, Kriegspropaganda und Dschungelakrobatik noch einmal in Schale wirft, um die vielleicht populärste Kinofigur der 80er-Jahre wiederauf- zulegen. Nachdem er schon seinem Alter Ego Rocky einen versöhnlichen Abschluss nachschob, intendiert Regisseur, Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Produzent Stallone nach eigenen Angaben nun auch einen rückbesinnlichen, an die Wurzeln des ersten "Rambo"-Films anknüpfenden letzten Teil, der irgendwie ernst und ambitioniert, gleichermaßen aber auch so etwas wie der brutalste Actionfilm aller Zeiten sein soll.
Vereinbaren lässt sich derlei Vorhaben freilich nicht, im Zweifel für letzteres fällt die Prämisse des Films beständig zugunsten zahlreicher Brutalitäten aus. Da werden Kleinkinder in Flammen geschmissen, erschossen und aufgespießt, Menschen zerhackt, zerfleddert und um alle möglichen Gliedmaßen erleichtert. Warum man Rambos viertes Abenteuer nun bei aller (beständiger) Ideologie rund zwei Jahrzehnte später nicht einmal halbwegs ernst nehmen kann, liegt genau an dieser Stumpfsinnigkeit, die davon auszugehen scheint, dass gar keine Zeit vergangen sei – mit welch ungelenker Verbissenheit sich der Film als selbstverständlichen Teil eines reaktionären Kinos vergangener Tage inszeniert, reale Kriegsszenarios comicartig auf schwarzweiße Actionparkette reduziert, sich längst veralterter Mechanismen eines archaischen, den Mann als fleischlich-stählerne Kampf- maschine ins Bild setzenden Kinos bedient, das ist tatsächlich nicht eine Minute lang ernsthaft, ernst zu nehmen, gut oder überhaupt irgendwie diskutabel, sondern zumeist mit unfreiwilligem Humor gesegnet und schwer nach guilty pleasure duftend.
Interessanterweise wirken die hölzernen Dialoge, die dumpfe Ästhetik, die tumben Manierismen in Zeiten von "Apocalypto" und "300" weitaus weniger antiquiert, als es eigentlich der Fall sein dürfte. So hat die Rückbesinnung, die "Rambo" demonstriert, einen nahezu gewöhnlichen Charakter, der darüber die Absurdität des ganzen Reanimationsprozesses überschattet. Indes fehlt es Stallone am technischen Know- how eines Mel Gibson, und selbst die zwar redundanten, aber dennoch für einen gewissen überlegten Stil sprechenden Bilder Zack Snyders wirken gegen die trostlos nach modernen Ästhetikprinzipien suchenden, simpel ausgewaschenen Kriegseindrücke des Films gekonnt. Was also bleibt, ist die Gestrigkeit. "Rambo" beschwört Krieg weiterhin als notwendiges Mittel, er verunglimpft seine pazifistischen Figuren, und lässt sie letztlich doch – stets nachvollziehbar und der Identifikation förderlich – zu Mördern mutieren (in einem symbolischen, christlich konnotierten Akt schlägt Michael, ein von Paul Schulze gespielter Missionar, der jede Gewalt ablehnt, schließlich auf seinen Gegner ein). Er beschwört das Bild vom urgewaltigen Mann, vom Kampfkoloss, dem einfache Worte mehr abverlangen als metzelnd durchs Gestrüpp zu donnern. Vom Mann, dessen Werte von vorgestern ins Wanken geraten, um gegen neue Werte von gestern eingetauscht zu werden – das ist der Ausdruck des alternden Helden, der viel in Frage zu stellen scheint, aber am ideologischen Grundfest eigentlich nie Zweifel hat. Und freilich bewegte sich "Rocky Balboa" diesbezüglich in sentimentalen und weitaus harmloseren Dimensionen.
Ein wenig erstaunt es trotz des gleichen Prinzips, das der Film bedient und erneut abspult, dass "Rambo" – unabhängig seiner belächelten Wahrnehmung – nicht weiter vorrückt in Zeiten, bei denen der Glaube an die Wirksamkeit der Politik dem verführerischen Ein-Mann-Dogma weicht (zumindest im Kino), wo Stallone nicht verlegen ist, in Interviews Kritik an der Bush-Administration zu üben, weil diese inkonsequent sei und dem Ansehen des Landes geschadet habe. Hier hätte der Film leicht in der Tradition seiner Vorgänger stehen können, die es ebenfalls verstanden, eine Scheinkritik am größeren System festzumachen (hingewiesen sei beispielsweise auf die falsche Deutung des Vorsitzenden Murdoch im zweiten Film, der nicht als Repräsentant einer fragwürdig handelnden Regierung auftrat, sondern genau jene Bürokratie widerspiegelte, die Präsident Reagan zu überwinden versuchte und damit im Zentrum des propagandistischen Subtexts von "Rambo II" stand). In Wahrheit richtete sich die vermeintlich kritische Position in der Fortsetzung nicht gegen den politischen Oberst, sondern den Apparat, der nicht schnell und direkt genug, nicht härter vorging gegen die Feinde, und sich mit Papierkram aufhielt (deshalb der Verweis auf Stallones Kritik am gegenwärtigen Geschehen in der US-Politik). Sehr ähnlich verhielt es sich übrigens im ersten Teil der Serie, dem vielmals als Antikriegsfilm verklärten "First Blood", der auf den letzten Metern seine wahre Intention preisgab, und nicht die Notwendigkeit von Krieg und militärischer Rüstung in Frage stellte, sondern lediglich die Gesellschaft für ihren Umgang mit Kriegshelden und die ihrerseits geübte (und zunehmende) Kritik an der Abwehr anklagte – nicht umsonst war der für den Zuschauer greifbare zweite Held, Rambos Ziehvater Col. Trautman, ein sympathischer Vertreter des Militärs.
Wenn "Rambo" seiner eigenen Linie deshalb bis zuletzt treu bliebe, so müsste er im Jahre 2008 eigentlich der El Kaida hinterher jagen, um das zu beenden, was seine Vorgesetzten durch öffentlichen Druck, Bürokratie oder fehlende Stringenz nicht schafften (wie gesagt: ohne eine wirkliche Kritik an ihnen zu formulieren). Stattdessen schnappt sich der Film einen Brennpunkt, der in den hiesigen Medien nur noch Fußnoten ausfüllt, um sein Metzelszenario mit erstaunlicher Vorsicht nach Myanmar zu verlegen. Dort kann sich der Film nach Herzenslust austoben, ignoriert alte orientale Feind- bilder, um neue asiatische zu schaffen, die allerdings keinem so wehtun dürften, weil der dortige Genozid im Vergleich zum Schauplatz Vietnam (Teil 2) oder Afghanistan (Teil 3) doch eher unter ferner liefen durchgehen wird. Das alles trägt dazu bei, dass man sich an "Rambo" weitaus weniger reiben darf, wenngleich das alte Schema geblieben ist – nur im kleineren Rahmen, unerkannter, nichtiger. Und irgendwie auch verzweifelter. 2008 ist Rambo dann doch nur noch ein welkes Relikt. Fast harmlos.
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