Februar 10, 2008

Kino: I'M NOT THERE.

Eine beängstigend gute Cate Blanchett, die androgyn durch Fellini-Settings stolpert, ein leider schwacher Heath Ledger als chauvinistischer Rüpel zwischen Bindungsunfähigkeit und Identitätskrise, offenbar einem der vielen Godard-Filme über Beziehungen entsprungen, ein konfuser Richard Gere im Billy the Kid-Gewand auf Westernspuren, dazwischen noch Ben Whishaw als beirrt faselndes Zotteltier mit Blick in die Kamera, Christian Bale unter mürrischer Angestrengtheit leidend und ein kleiner Knirps als Landstreicher mit Preston Sturges-Zügen – sie alle sind Bob Dylan. Und sie alle sind Teil einer Collage, die sich traumähnlich von Assoziation zu Assoziation bewegt. Mehrere Lebensstationen aus mehreren Perspektiven unter streng individueller Annäherung, das ist der Ansatz von Todd Haynes’ ebenso streng unkonventionellem Bio-Pic über einen der bedeutendsten Songschreiber und Sänger des 20. Jahrhunderts.

Punkt. Freilich ist "I’m not there." in seiner bewussten Andersartigkeit, die nicht selten eitle Züge trägt, so betont kunstvoll und sperrig, so nachdrücklich ungreifbar und schwer verständlich wie die Figur, die er porträtiert (und die er nicht einmal beim Namen nennt – Achtung: clever). Das setzt Wissen über Dylan und eine natürliche Begeisterung für ihn voraus, das unterstellt eine selbstverständliche Faszination für dessen bewegtes Leben und ein Interesse für den Musiker und Privatmenschen, ebenso wie es meint, jedes biographische Detail als abstraktes Glied eine Symbolkette ins Bild zu pflanzen. Da wird so viel assoziiert und verwiesen, so viel gespielt und gewollt, dass Verständnis schon gar keine Rolle mehr zu spielen scheint. Was der eine, Rauschzuständen gleich, zum ultimativen Dylan-Trip generiert, kann auch als verwirrende Ereignisfolge ohne dramaturgischen Zusammen- hang und ohne fassbare Linie – missdeutet? – begriffen werden.

Ich habe Haynes’ Film weder verstanden, noch habe ich im Laufe von 135 wunderbar anzuschauenden, ästhetisch ansprechenden und unter Ed Lachmans Bildführung betörend schicken Minuten herausbekommen, was "I’m not there." nun genau von mir wollte. Der Ansatz selbst ist toll, wagemutig, originell; die unterschiedliche Inszenierung der Lebensabschnitte erfrischend, als Idee ansprechend, alles bemerkenswert und einfallsreich. Die Segmente aber sind, wie schon beschrieben, ohne wirkliche Klammer gehalten, sie laufen sich beständig über den Weg und behindern sich dabei, sie wirken isoliert, obwohl sie alle den Teil ein und derselben Person bilden, vor allem aber fordert die frei in alle Richtungen bewegliche Inszenierung rhythmisch wie auch stilistisch den Zuschauer ungemein heraus. Wenn da kein Interesse an der Figur und eine nur eingeschränkte Faszination für die formale Kunstfertigkeit des Films besteht, kann Haynes’ Aufgabe durchaus zur strapaziösen, mitunter spirituellen und meditativen Odyssee eines Menschen werden – der einem seltsam fremd, statt näher gebracht wird.

Vielleicht ist das das Ziel, Dylan als schlicht nicht fassbar zu begreifen, aber ob für die Feststellung eine ebengleich unfassbare filmische Übersetzung nötig ist, bleibt anzuzweifeln. "I’m not there." zu unterstellen, er sei unverständlich und bedeutungslos, wäre sicher vermessen, ihm zu folgen bei seiner Annäherung an die Figur ist auch einfach zu vielseitig und letztlich doch anregend, um einem so talentierten Regisseur wie Haynes derartiges andichten zu wollen. Aber der Film kann seine Nebenwirkungen nie überwinden, er fühlt sich unnötig intellektuell, aufgeladen und bedeutungsschwanger an, ist in seiner Genre- und Filmzitatfreude, der Verkettung von Fake-Doku, Drama, perfider Komik und Märchen, in seiner sehr selbstbewussten, doppelbödigen und teilweise auch parodistischen Erscheinung ziemlich gefällig und gleichermaßen unzugänglich. Es bleibt deshalb das Gefühl: Haynes will hier zu viel und erreicht letztlich zu wenig.

50%