So rennen seine brutalen Vorortkids und Junkies ins unaufhaltsame Verderben – Partys und exzessivem Alkoholmissbrauch folgen gewaltsame Übergriffe rivalisierender Banden und bald auch organisierter Mord. Bedenkt man, dass die tatsächliche Schuld Jesse James Hollywoods noch gar nicht bewiesen wurde, erscheint "Alpha Dog" in seiner vorgegaukelten Authentizität wie eine geschmacklose Frechheit. Nicht nur verhalten sich die Teens und Möchtegern-Haudegen unter Führung Cassavetes’ wie ihre filmischen Vorbilder aus dem Universum eines Brian De Palma (natürlich hängt im Zimmer des Äquivalents Hollywoods, Johnny Truelove, ein "Scarface"-Poster) oder Quentin Tarantino (und fluchen und bewegen sich entsprechend selbst verliebt), sondern wird auch deren soziales Milieu ähnlich überraschungslos präsentiert.
Es sind die Eltern, die ihre Kinder nicht zu verstehen scheinen, vernachlässigen und ihrer selbst überlassen. Im günstigsten Fall versorgen sie sie mit Geld, um deren Drogen- und Schuldenprobleme zu finanzieren, im schlechtesten rauchen auch sie Joints und schniefen Kokain bei feierlichen Hauspartys. Cassavetes’ Sicht auf die Dinge würde in ihrer dümmlichen Banalität weniger ärgerlich erscheinen, zöge er die differenzierte Möglichkeit einer etwaigen Unschuld seiner Figuren in Betracht. Doch verantwortungslose Eltern ziehen Verliertypen heran, die ihrem Schicksal kaltblütig ausgeliefert sind und dieses auch genüsslich auskosten. Das ist nicht fatalistisch, das ist in erster Linie eindimensional und bedauerlich.
Die tatsächlichen Hintergründe dieser authentischen Personen erforderten selbstredend Recherche, deren Ergebnisse jedoch würden sich wenig mit der intendierten Darstellung von Ursache und Wirkung vereinbaren lassen, wie man sie sich im Kino des Nick Cassavetes gern vorstellt: Ganz sicher ohne einen Justin Timberlake, der sich und seine Coolness mit Freude selbst inszeniert. Und wohl auch ohne schicke Bildfilter in Videoclipästhetik, die so ganz vorbildlich die Realität verzerren können. Im Griff hat der Film seine Darsteller ohnehin nicht: Die Newcomer (darunter Ben Foster, "11:14") zelebrieren mit großer Spiellaune eine ausufernde Party auf der Leinwand, haben jedoch keinen blassen Schimmer von der Verantwortung, die ihre Figuren aufweisen. Jedoch fallen insbesondere die etablierten Namen aus dem Rahmen, diffamieren sich Bruce Willis (demnächst in "Live Free or Die Hard") als Vater des Drahtziehers Truelove und Sharon Stone (nach "Basic Instinct 2" geht es weiter bergab) als verzweifelte Mutter des Opfers durch regelrecht grotesk schlechte Leistungen selbst – das ist Over-Acting in penetrantester Erscheinung.
Besonders unangenehm entwickelt sich der Film dann, wenn für die folgeschweren Taten dieser Kids auch noch Motive in den Raum geworfen werden. Hier verhält es sich ganz wie bei der Frage um Schuld und Unschuld; Cassavetes bietet nicht an, er zwingt auf: In platten Dialogen („Hattest du auch schon mal diesen Traum? Den, in dem du etwas gemacht hast… und nicht weißt warum, aber du kannst nie wieder zurück?“) wird aus den Figuren das herausgekitzelt, was das Drehbuch nicht fähig in Subtilitäten chiffrieren konnte. Dem Zuschauer werden keine Vorschläge angeboten, die mithilfe einer Tiefgründigkeit der Protagonisten das „warum“ und „wieso“ diskutierten, sondern pseudophilosophische Antworten an den Kopf geknallt. "Alpha Dog" verharmlost ein reales Verbrechen – und ist höchst bedenklich und gründlich misslungen.
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Review erschienen bei: Wicked-Vision.de