Das wird sich gewiss auch in der Fortsetzung nicht ändern, dem Sequel zum Remake, gleichzeitig Prequel zum Original und eigentlich aber doch nur Remake des Remakes, "The Texas Chainsaw Massacre – The Beginning". Das klingt verheißungsvoll und verspricht nicht weniger als hinter die Geschichte der obskursten Filmfamilie des Genres zu blicken. Doch die Frage drängt sich auf: Will man das überhaupt? Möchte man wirklich wissen, woher das im doppelten Sinne gesichtslose Grauen jenes Films entwuchs, der verborgene und eben unergründete Urängste in uns weckte? Wo genau nun die Ursprünge des Schreckens, die Hooper einst so reizvoll und nicht unbeabsichtigt lediglich nur anschnitt, liegen? Unwahrscheinlich! Denn diese Horrorvorstellung vor hinterwäldlerischen Eigengesetzen, diese Metapher für die Umkehrung des amerikanischen Modells der Kernfamilie benötigt kaum erläuternder Klärung – das werden auch Puristen der Michael Bay-Anhängerschaft zugeben. Spätestens dann, wenn sich das Vorhaben auch noch als übler Etikettenschwindel herausstellt.
Denn die angekündigte Vorgeschichte, der Titel gebende Beginn des Terrors, erstreckt sich über geschätzte 10 Minuten Spielzeit, bevor bereits die ersten blutjungen Teenager die weite Einöde durchkreuzen. Diese sehen wie gewohnt blendend aus, haben außer Drogen und Sex nicht viel im Kopf und sind nur schwer bis gar nicht zu unterscheiden von ihren schlüpfrigen Vorgängern aus Nispels Film. Abgesehen also von Leatherface’ Geburt – einem schleimigen, in atmosphärisch gelungenen Bildern festgehaltenem Akt – und manch kleineren Details, die wiederum noch kleinere Details beleuchten sollen/wollen/können, verläuft alles nach dem bewährten Schema: Geile Teens werden von der Saw-Family malträtiert, gefoltert, zersägt, erhängt, geschlagen, bespuckt und was sonst noch auf der Tagesordnung steht. Weniger noch als im Remake, und erst recht ganz weit entfernt von den Sequels Tobe Hoopers und Jeff Burrs, geschieht das ohne Dramaturgie, ohne jegliche Handlung oder irgendwie harmonisch konstruierte Geschichte, sondern einfach frei nach sadistischem Treiben, der Lust am orgiastischen Gorefest und der endgültigen Überführung brachialer Sicko-Elemente in den kommerziellen Hollywoodfilm.
Das hat natürlich immer den Effekt von sublimierter Sexualität, da werden Bilder zersägter Leiber und gehäuteter Jugendliche mit immer kürzerer Folge kreiert, um den Lustgewinn zu garantieren. In Nispels Neufassung wurde ein Großteil des Ekels durch effektvolle Einzelheiten und triefendes Setdesign evoziert, trotz einiger herber Einlagen sah man verhältnismäßig selten – nicht unähnlich dem Original – wie Leatherface und seine Sippschaft tatsächlich die Körper ihrer Opfer mit allerlei Gerätschaften bearbeiteten. Obwohl auch Jonathan Liebesman ("Darkness Falls") seinen Film in grau-braune, von der Sonne gefärbte Töne wirft, und dadurch abermals nicht die rohe, naturalisierte Stimmung der Hooperschen Vorlage trifft, überbietet er den Härtegrad der Serie durch exzessiven Splatter. Das erfreut die hungrigen Fans, denn jeder Mord, jedes Todesritual markiert einen Höhepunkt, mit dem die wahllosen Szenen des Films einigermaßen geordnet scheinen. Somit funktioniert "The Texas Chainsaw Massacre – The Beginning" wie ein waschechter Gewaltporno – und das im Übrigen äußerst effektiv.
Um die Halbwertszeit des Films dürfte es dennoch erstaunlich kurz bestellt sein, denn wesentlich mehr als graphische Härte kann nicht geboten werden. Und da die Regeln des Genres unerbittlich sind, dürfte in absehbarer Zeit wohl ein Nachfolger generiert sein, der den Pegel diesbezüglich noch weiter – oder besser: noch kreativer – wird ausschlagen lassen. Anders als Hoopers 74er-Beginn des Franchise’ und auch dessen ironische Fortsetzung wird Liebesmanns Gewinngarant die Zeit ohne nennenswerten Einfluss kaum überstehen, er bietet keinerlei eigenständige Option zur Diskussion, verzichtet gänzlich auf den doppelten Boden und ist viel zu sehr als rein spekulatives Slasherkino verpönt. Regisseur Alexandre Aja hat mit "The Hills Have Eyes" gezeigt, wie die Mechanismen des Genres zugleich reproduziert und auch neu formuliert werden können, indem er sich zwar auch mit blutigem Sadismus zu überbieten versuchte, diesen jedoch gleichzeitig an einen traditionellen Genresubtext zu koppeln verstand und die in diesem Fall durch Wes Craven demonstrierte Artikulation und Überführung gegenwartskritischer Themen in den Horrorfilm wiederholte. An Derartigem sind Michael Bay und seine Newcomer-Schar nicht interessiert.
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