Januar 10, 2007

Kino: ROCKY BALBOA

Nicht nur Axel Schulz wollte es 2006 noch einmal wissen, auch Sylvester Stallone und sein Alter Ego Rocky Balboa steigen nach rund 15 Jahren Abstinenz erneut in den Ring, der die Welt bedeutet. Das Pendant der Realität erlitt dabei einige heftige Schläge, bei denen von einer Niederlage zu sprechen arg untertrieben wäre. Zu leicht ist die Vorlage und zu groß die Verlockung, Vergleiche ziehen zu wollen, doch ganz ähnlich ergeht es auch dem einstigen Actionhelden des 80er-Kinos: „Rocky Balboa“ erzählt noch einmal die betuliche Geschichte vom Träumen und Hoffen, wie man es von ganz unten nach ganz oben schafft, wenn man nur daran glaubt, mit Disziplin und Ehrgeiz, Mut und Stärke. Das erscheint zunächst nunmehr unter anderen Vorzeichen – Rocky ist der gesetzte Held der Vergangenheit, eine Ikone seines armen Viertels –, doch ist letztlich nichts anderes als eine Wiederholung des Originals und dabei vor allem eines: mächtig langweilig.

Für die bemühte Milieustudie nimmt auch dieser Film rund 80 Minuten Zeit in Anspruch, da werden bedeutungsschwangere Bilder kreiert, Verweise zu vergangenen Teilen der Serie gelegt und allerlei rührselige Dialoge aufgesagt. Rocky zieht dabei durch die Straßen, vorbei an alten Plätzen, schwelgt in Erinnerungen und verbringt Zeit am Grab seiner verstorbenen Frau – Talia Shires Figur war im Gegensatz zu der des Boxers dann offenbar doch bereits von vorgestern, und tot macht sie sich eigentlich ohnehin besser, so darf Stallone gleich noch einige Versuche anstellen, sich mimisch am Geschehen zu beteiligen. Leider wirken diese Anstrengungen, einen abgeschriebenen, zur Ruhe gesetzten Schwergewichtler mit Emotionen ausstatten zu können, meist unfreiwillig komisch. Stallone kann seinen Gegnern ansehnlich eins auf die Mütze geben, aber mit der Schauspielerei wird das einfach nichts mehr.

Bedauerlicherweise ist das 1975 gar für den Oscar nominierte Semi-Kraftpaket auch ein ziemlich schwacher Drehbuchautor, denn vielmehr als den Plot des Originals aufzusagen schafft Stallone nicht. Besonders die Initialidee – ein virtueller Kampf ähnlich dem Celebrity Deathmatch auf MTV dient als Auslöser für Rockys Rückkehr in den Ring – erscheint grotesk albern und funktioniert auch als Metapher nicht, denn schlüssige Gründe oder wahre Einblicke in das Gefühlsleben seiner Figur liefert er keine. Deshalb benötigt es einiges an Sitzfleisch, bis Bill Contis euphorische Musik erneut ertönen darf und die Kampfesvorbereitungen untermalt: Rocky dreht im Jogginganzug wieder seine Runden, darauf hat man dann ja irgendwie doch gewartet – und den Fans geht womöglich kurzzeitig das Herz auf.

Aber die Scheinambitionen sind schnell entlarvt, im Finale darf dann wieder geprügelt und gekloppt werden, was das Zeug hält. Stallone macht keine gute Figur dabei. Verhinderten die gelifteten Backen- und Stirnbereiche zuvor jeglichen Gesichtsausdruck, so erzeugt wiederum der Anblick dieser versuchten Dehnung lappiger Muskeln am Oberkörper dezenten Schrecken – durch seine zahllosen Operationen wirkt Stallone gar noch älter als 60 und erinnert an Kollegin Sharon Stone, die ihre verführerische Rolle in „Basic Instinct 2“ in überarbeiteter Erscheinung ähnlich verzweifelt wiederholte. Das bizarre Ausmaß künstlicher Verjüngung ist jedoch mitnichten der Grund dafür, dass auch dieser finale Kampf den vorherigen zwei Dritteln bezüglich seiner Langweile in nichts nachsteht.

Denn das alles ist unspektakulär und uninspiriert inszeniert, die Kamera wirkt ineffizient choreographiert und kann nicht verbergen, dass die Darsteller lediglich Luftschläge absorbieren. Mit aufdringlichen Schwarzweiß-Einschüben und dabei heraus stechendem Blut wird sich auch noch mehr oder weniger peinlich daran versucht, diese Rentnershow stilistisch aufzuwerten, ohne dem ganzen jedoch nicht die schlichte Konventionalität nehmen zu können. Dieser neue, 30 Jahre nach dem Original einberufene Film wird den Franchise wohl ganz bestimmt reanimieren, sicherlich wirft er ordentliche Gewinne ab und ganz wie Schulz wird auch Stallone, wenn schon nicht aus künstlerischer, dann zumindest aus kommerzieller Sicht siegreich die Arena verlassen. Doch ist „Rocky Balboa“ nichtsdestotrotz die ganz fürchterlich öde, etwas verzweifelt anmutende Wiederbelebung eines Kinohelden, den man eigentlich nicht wirklich vermisst hat.

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