Januar 22, 2009

Kino: VALKYRIE

Man wird ja nun wahrscheinlich niemals erfahren, wie "Valkyrie" denn eigentlich ausgesehen hätte, wenn die gesamten Produktions- und Distributionsbedingungen nicht von Anfang ein derart reges, öffentliches, mediales Interesse auf sich gezogen hätten. Und der Film dadurch nicht mit allerlei Bedeutung aufgeladen worden wäre: Drehverbot im Bendlerblock, Scientology-Diskurs, verletzte Statisten. Fast zwei Jahre nun, nachdem die erste Klappe fiel, einen Courage-Bambi und mindestens fünf freiwillige Cruise- Lobgesänge von Florian Henckel von Donnersmarck später kann der fertige Stauffenberg-Film natürlich keine seiner Erwartungen erfüllen – es ist weder das vermutete peinliche Trash-Debakel, noch ein sehenswerter Geschichtsfilm. Oder überhaupt so etwas wie ein Film. Eher noch erinnert es irgendwie an eine Faschingssause, für die sich Cruise mal in ein hübsches Grafenkostüm schmeißen durfte.

Dass Bryan Singer hier nur als ausführender Handwerker angeheuert wurde, durfte wohl zu Recht vermutet werden. Immerhin war "Valkyrie" von Anfang an als Prestigeproduktion vorbelastet, es musste der Film werden, der Cruises neu erworbenes Studio United Artists wieder in die Gewinnzone manövriert, nachdem der hübsch ambitionierte und ebenso hübsch harmlose "Lions for Lambs" gewaltig floppte. Insofern durfte man davon ausgehen, dass der Film die Versprechen einer One-Man-Show einlösen würde, nachdem gar gemunkelt wurde, dass die Produktion für die Cruise-Sekte so etwas wie ein dämonischer Plan sei, in Zuge dessen der Hollywoodstar Kraft seiner Scientology-Fähigkeiten die Deutschen vor dem Untergang errettet. Aber nun ja, erstens war das dem Grafen ja ohnehin nicht vergönnt, und zweitens hat die Über-Präsenz des Hauptdarstellers und der Produktion das ganze Projekt erst einmal für ein Jahr ins Abseits befördert.

Was sich da jetzt zu Deutsch "Operation Walküre - Das Stauffenberg-Attentat" nennt, ist – wie man es sehen möchte – nun der Torso dessen, oder das bestmögliche Ergebnis, oder vielleicht auch Plan B. Dass Singers Film in seiner jetzigen Form zweifellos erst im Schneideraum zu einer Form gefunden hat, merkt man zumindest in jeder Szene: Die ständigen Parallelmontagen wirken in ihrer Aufdringlichkeit und Redun- danz dabei wie die verzweifelte Bemühung, der bekannten Geschichte so etwas wie Suspense zu implementieren. Überhaupt ist "Valkyrie" lediglich ein Thriller, ein braver Krimi, durch den Singer ein laues Lüftchen Spannung zu blasen versucht. Es geht über zwei Stunden um nichts außer der Vorbereitung eines Attentats – und wie dieses erwartungs- gemäß scheitert. "Rififi" im Nationalsozialismus, sozusagen.

Aber selbst für ein bisschen Genre-Verschwörungstaktik im historischen Gewand hat es nicht mehr gereicht. Der Film ist ja viel zu flach und unraffiniert erzählt, viel zu spannungslos inszeniert, als dass man ihn zumindest als Heist-Thriller annehmen könnte. Lediglich die Musik ist darum bemüht, dem Ganzen etwas Schwung zu verleihen, aber sie bleibt ein oberflächlicher Gefühlserzeuger, vermutlich weil Komponist und Cutter John Ottman schon genug damit beschäftigt war, die Ego-Show zu einer Ensemble-Parade hinzueditieren.

Und damit ist es ja auch nicht getan, sich vielleicht zu begnügen mit einem vielleicht guten Thriller. Denn das verschenkte Potential wird dadurch auch nicht wiederhergestellt: Wen interessiert schon Geschichts- verfälschung (außer Guido Knopp), wenn der Film gar nichts zur Fälschung anbietet – seine Figuren haben keine Eigenschaften, keine Motivationen, keine Ziele. Es gibt schlicht keinen politischen Kontext in dieser Geschichte, man weiß nicht einmal, warum da jetzt soundso viele Männer an einem soundso geheimen Plan tüfteln, und was die Erfüllung desselbigen für eine Bedeutung haben würde. Mal ein wenig anzudeuten, wer dieser Stauffenberg eigentlich ist, dieser ideologische Nazi-Beförderer, der fest entschlossen den Führer zu stürzen bereit ist – das hätte schon mal eine gute Vorraussetzung für einen … ähm … soliden Thriller ergeben können.


35% - erschienen bei den: FÜNF FILMFREUNDEN