Januar 29, 2009

Kino: THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON

Ein Mann kommt greis zur Welt und stirbt als Neugeborenes. Das ist die Idee, die David Fincher zu einem fast dreistündigen Konzeptfilm inspiriert hat. "The Curious Case of Benjamin Button" schildert also eben den seltsamen Fall des Herrn Benjamin Button, der paradoxerweise in einem Altersheim aufwächst. Er lernt ein kleines Mädchen kennen, doch ihr Verhältnis kann nur das eines alten Großvaters zu seiner jungen Enkelin sein. Irgendwann treffen sie sich in der Mitte ihres Lebens wieder – gleichaltrig. Eine tragische Liebes- geschichte ist der Film, aber auch eine Zeitreise durch das Amerika des 20. Jahrhunderts, eine stetig und inbrünstig Kinomagie heraufbeschwörende Filmausstellung – und ganz besonders ist es technokratisches Fincher-Experimentierwerk der fürchterlichsten Sorte.

Die kuriose Idee also, die der Film schon im Titel andeutet, ist natürlich nicht ernst zu nehmen: Sie ist im schlimmsten Fall ein Gimmick, im besten eine Metapher. Finchers Film ist auf den ersten Blick märchenhaft, surreal und träumerisch, er scheint die Idee für ein Gedankenspiel nutzen zu wollen, weniger um aus ihr einen Genreeffekt oder einen dramaturgischen Clou nach dem anderen zu generieren. Doch, nun ja, es ist eben ein David Fincher, der sich daran versucht, und seines nüchternen, reduzierten, dem Sujet verpflichteten Meisterstücks "Zodiac" zum Trotz kann der Regisseur nicht der Versuchung für die Technik dieser Geschichte erliegen, für das Pragmatische, die Filmsprache und ganz besonders die Akribie, die alles Rätselhafte, Magische und Menschliche ausblendet.

Was also ein Film hätte werden können, der sich seine absurde Ausgangsidee zu Eigen macht, um eine allegorische, metaphorische oder – wenn es denn nun sein muss – auch intellektuelle Meditation über die Diskrepanz zwischen Körper und Geist, über Vergänglichkeit, die Wertigkeit von Zeit und natürlich den Irrsinn der Liebe anzustimmen, ist eben doch nur ein Beweihräuchern an der eigenen Genialität. Die Idee, und das ist alles: die Idee, bleibt grotesk, albern und schwachsinnig, weil sie nicht in ein Märchen übersetzt, sondern immer wieder vorgeführt wird. Hier ist der Film, neben zahlreichen banalen Übereinstimmungen in der Plot-Struktur, seinem geistigen Vorgänger "Forrest Gump" am Ähnlichsten. Nicht gerade wunderlich, dass in beiden Fällen derselbe Drehbuchautor zugange war.

Deshalb ist "The Curious Case of Benjamin Button" das sperrige, höchst langweilige und somit uninteressante Auswälzen einer einzigen Idee auf rein ästhetischem Niveau. Er bietet nichts an, das über sorgfältige Ausstattung, wohlfeine Kameraarbeit und vordergründige Spezialeffekte hinausginge. Es ist ein Fincher-Spiel der besonders unange- nehmen Sorte, unterkühlt, ausladend und nur mit sich selbst beschäftigt. Und der Film ist keine Ode an das Leben, sondern seine Tricktechnik. Was Francis Ford Coppola und seiner ambitioniert verkopften Auseinandersetzung mit dem Wesen von Zeit und Alter in "Youth Without Youth" im letzten Jahr nur Häme einbrachte, das taugt hier allerdings in epischer Mainstream-Manier soeben für 13 Oscar-Nominierungen. Wahrlich: ein seltsamer Fall.


30% - erschienen bei den: FÜNF FILMFREUNDEN