Glücklicherweise gerät Robert Refords "Lions for Lambs" nie in die Versuchung, die komplexen Zusammenhänge einer Dramaturgie der Unterhaltung unterzuordnen. Der fast nur auf Dialoge konzentrierte Film bemüht sich nicht um den Spagat zwischen Entertainment mit Gewissen und brisanter Kriegsbeschauung, deren Gegenwartsbezüge meist doch nur dem bequemen Kinospektakel dienlich sind. Anstatt seine Handlung in Kriegsherde zu verlagern, sucht Redford vielmehr die Krisengebiete des Alltags auf, um Fragen zu stellen. Fragen nicht nach Recht und Unrecht, gut oder böse, richtig oder falsch, sondern Fragen an die Träger der Verantwortung. Und diese sind in "Lions for Lambs" nicht Verteidigungs-, Außen oder Innenminister, nicht Befehlshaber oder Militärs, sondern vor allem die Jugend. Sein Film ist gegliedert in drei Parallelstränge, und lediglich einer davon umfasst einen nächtlichen Militäreinsatz in der afghanischen Wüste. Die anderen beiden finden am Schreibtisch statt: Eine Universitätssprechstunde zwischen Professor (Robert Redford) und Student (Andrew Garfield). Und ein Interview zwischen Journalistin (Meryl Streep) und republikanischem Senator (Tom Cruise). Alle drei Stränge werden unabhängig voneinander erzählt, sind thematisch jedoch alle miteinander verbunden.
"Lions for Lambs" verfolgt hier eine nachvollziehbare Intention. Redford ist als Regisseur und Professorfigur ein glaubwürdiger Wachrüttler, immerhin hat er sich als Initiator des Sundance Filmfestivals auch privat dem Nachwuchs verschrieben. Er inszeniert den Film ohne unnötige Effekte, sehr zurückhaltend im Ton, und vor allem auf die Schauspieler konzentriert. Hier seien besonders die lebendigen Rededuelle zwischen Streep und Cruise genannt, vor allem da letzterer nach einer offensichtlichen Kurskorrektur wieder Co-Stars zu dulden scheint, sich also mit einer Nebenrolle begnügt, die ihm das ermöglicht, was er ohnehin am Besten kann: Das Arschloch spielen. Die Kurzweiligkeit und innere Dynamik des Films erleichtern zudem den Gedankentransport – als Statement, das auch gehört werden möchte, macht "Lions for Lambs" eine überzeugende Figur. Interessanterweise geht er über sein allgemeines Plädoyer, in der heutigen Generation ein Bewusstsein der Teilhabe zu schaffen, nicht hinaus – der Film bleibt bewusst unkonkret darin, wie genau sich das Interesse am politischen und damit immer auch gesellschaftlichen Prozess äußert. Indem er von zwei Soldaten erzählt, die bei einer geheimen Strategie (in deren Kern es darum geht, nach den Misserfolgen im Irak "wenigstens" einen Sieg in Afghanistan erringen zu können) verletzt werden und sich schließlich den Talibanmitgliedern ausgesetzt sehen, zeigt Redford sogar, dass nicht gleich jede Überführung von theoretischem Bewusstsein in praktische Beteiligung richtig sein muss: Beide Soldaten nämlich waren Schüler seiner Figur, bevor sie dem Ratschlag ihres Dozenten, für bestimmte Ideale aktiv einzutreten, mit einem Kriegseinsatz nachkamen, was wiederum auch nicht im Interesse des Professors war.
Dass sich "Lions for Lambs" darüber hinaus etwas zu viel vornimmt, ist angesichts seiner glaubwürdigen moralischen Ambition verzeihlich. Ganz gelingt Redford der Rundumschlag tatsächlich nicht, bezieht er in seinen diskursiven Appell doch auch Fragen nach der Verantwortung der Medien mit ein. Zwar funktioniert Streeps Figur im Kontext einer größeren Auseinandersetzung mit der Verantwortung nicht derer, die – so heißt es im Film – den Brand legen, sondern ihn schließlich löschen müssen, ganz konkret also neben Jugendlichen als die Hoffnungs- und Entscheidungsträger von morgen auch Journalisten, die sich instrumentalisieren lassen. Der Konflikt, den Streep hier austrägt, inwieweit sie als Profitierende eines Exklusivinterviews mit dem Präsidentschaftskandidaten eigentlich Opfer von Propaganda würde, lenkt allerdings ein wenig ab vom eigentlichen Mittelpunkt des Films – gleich wenn das nur für das enorme Potential von "Lions for Lambs" spricht. Vermutlich wird darüber hinaus nicht nur der dezent lehrerhafte Vortragscharakter des Films kritischen Zuschauern zu schaffen machen, sondern auch seine fragliche These, dass es nicht um die eigentlichen verantwortlichen Machträger gehen sollte, sondern all jene, die ihre Verantwortung im Kleinen nicht wahrnehmen – womit den Kriegsführern eine latente Passivität zugeschrieben und Teile der Schuld einem Kollektiv übertragen werden. Das jedoch wäre schon viel weiter gedacht, als es der Film womöglich selbst möchte – genau wie damit wiederum bereits sein eigentliches Anliegen greifen würde.
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