Februar 19, 2008

Berlinale: DREAM BOY

Der 15jährige Nathan (Stephan Bender) ist gerade erst mit seinen Eltern in eine ländliche Kleinstadt in Louisiana gezogen, da wird er schon auf den zwei Jahre älteren Nachbarsjungen Roy (Maximillian Roeg) aufmerksam. Die beiden erledigen gemeinsam Schularbeiten und freunden sich zögerlich an. Obwohl Roy eine Freundin hat, kommt es eines Nachts zur Annäherung mit dem schüchternen Nathan. Fortan nutzen die Jungen jede Gelegenheit, um sich ungestört zurückzuziehen, in ständiger Angst, von jemandem aus der streng konservativen Gegend entdeckt zu werden. Doch Nathan belastet zusätzlich die Angst vor seinem alkoholabhängigen Vater – um dem ständigen Missbrauch zu entgehen, flüchtet er deshalb in den Wald.

Wer dachte, die unbeholfene Altherrenromantik bei Gus Van Sant sei schon das schlimmste, was dem US-Independentfilm mit Blick auf nackte Jungs in den letzten Jahren widerfahren wäre, der wird von "Dream Boy" eines besseren belehrt. Regisseur James Bolton geht zwar gerade erst auf die 40 zu und rückt seinen schwulen Figuren nicht allzu unangenehm auf den Leib – dafür allerdings erzählt er eine ungemein abgestandene, einfallslose und beliebige Coming Out- Geschichte, die unübersehbar im Fahrwasser von "Brokeback Mountain" nach Luft schnappt. Auf Klischees wird ausnahmslos nicht verzichtet, da ist man schwul, weil der Vater in Kindheitstagen des Nachts öfter mal das Schlafzimmer aufgesucht hat, hasst und bestraft sich für die eigene Sexualität und benimmt sich überhaupt wie ein sozialer Krüppel. In ellenlangen, aber unbegründet bedächtigen Einstellungen werfen sich die beiden Teens erst verschüchterte Blicke zu und fummeln bald den lieben langen Tag herum. Über das pubertäre Getue, das der Film ebenso pubertär inszeniert, vergisst Bolton allerdings, wohin die Reise gehen soll. Die Figuren bleiben unheimlich blass, ganze Nebenstränge werden gewoben, um ungenutzt zu bleiben, Randcharaktere eingeführt, um im Nirgendwo zu verschwinden.

Schmerzen verursacht das Over Acting mancher Darsteller, so der Mutter Nathans, die als Alkoholwrack mit verwischter Schminke den streng religiösen Vater (merke: Bibeltreue kausalisiert unterdrückte Sexualität) anfleht, nicht den eigenen Sohnemann zu missbrauchen. Der baut sich in seinem Zimmer Fallen, in die der Papi tappt, um dann raus in den Wald zu rennen. Dort trifft er auf seinen heimlichen Cover Boy, der immer so dreinblickt, als würde er in der nächsten Bel Ami-Western-Produktion die Hauptrolle spielen und ständig etwas von "touch me, touche me" faselt. Dazu sieht man mal Aufnahmen von Wiesen und künstlerische Einstellungen gen Himmel, denn Wolken sind ja immer ein schönes Symbol, egal für was. Und zum Ende hin schließlich nimmt das Drama noch eine Kurve zum Spukhaushorror, um einen irgendwie metaphorischen Ausdruck für den banalen Tod einer Figur zu suchen. Das ist in der Tat so derart grauenvoll, dass nur ein Zitat im Press Kit für größere Würgreize sorgt – Bolton sei der neue Bergman, hat dem Regisseur jemand prophezeit. Jemand namens Gus Van Sant.


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