Macht sie diese Dialektik ganz klirre? Es ist die Dialektik des Wes Anderson. Sie besteht aus Gegensätzen, aus Wiederholungen und lakonischen Umwegen, aus Verkürzungen und auch aus dem Gefallen am Einfachen. Semantisch bedeutet das: Starre Blicke, starre Perspektiven, sanfte Popsongs, gar nicht sanfte Kameraschwenks. "I want to thank you for raising our children by the way.". Das sagt Gene Hackman einfach so beim Spaziergehen zu seiner Frau, in Andersons skurrilem Familiendiagramm "The Royal Tenenbaums". Ein kurzer Moment aus dem nichts, in der Tat irrsinnig komisch, weil so nebenher gesagt, so aus dem Kontext gerissen und – eben so lakonisch.
Dass sich darin auch eine wunderbare Tragik verbirgt, und diese sich nie ihren Weg zur seriösen Sentimentalität bahnt, macht Andersons Filme bei aller Leichtigkeit auch sehr warmherzig, sehr ehrlich. Und dennoch sei der Einwand erlaubt: Was bedeuten diese Konglomerate aus dysfunk- tionalen Familienverhältnissen, diese situativen Mosaike ohne wirklichen Zusammenhang? Steckt da jenseits des Offensichtlichen überhaupt etwas hinter? Und hat Anderson eigentlich auch ein Gespür für das größere Ganze, für einen Gesamtzusammenhang, das über viele kleine und ganz sicher auch sehr feine Kabinettstückchen hinausgeht?
Aber sei's drum. "The Darjeeling Limited" heißt der Zug, in dem ein beträchtlicher Teil des neuen und gleichnamigen Anderson-Films spielt. Dem ganzen geht ein kurzer Vorfilm voraus, zumindest tut er so. In Wahrheit treffen hier Jason Schwartzman, einer der besagten drei Brüder, und die bezaubernd burschikose Natalie Portman aufeinander, und später nimmt der Film mehrere Bezüge zu dieser kleinen Ouvertüre. So wirklich was passieren tut hier dennoch nicht, die Reise durch Indien ist mit vielen hübschen Einfällen garniert, visuell macht das ganze auch was her und unbedingt witzig ist "The Darjeeling Limited" sowieso. Die ungleichen Brüder erleben auf ihrem Selbstfindungstrip allerlei Merkwürdigkeiten, Läuterungen und Lebenserkenntnisse. Immer teilt der Film die Kuriosität des Erlebten mit ihnen, trockener Humor und sublimierte Tragik resultieren daraus.
Nahezu bedeutungslos und ohne jeden Belang das alles, aber sympathisch inszeniert, angenehm in seiner Unaufgeregtheit und seiner ganz eigenen Lethargie (ein Kritiker formulierte mal treffend, dass dies nicht mehr aber auch nicht weniger als "Studentenulk auf hohem Niveau" sei). Ein bisschen zu lang gerät "The Darjeeling Limited" zweifellos, ein Ende nämlich will er nicht finden, auch wenn's schon lange nichts mehr zu erzählen gibt – oder eigentlich auch nie gab. Auf Anderson ist aber weiterhin Verlass. Da tauchen neben Schwartzman, Owen Wilson und Adrien Brody natürlich auch Bill Murray und Anjelica Huston auf, die lassen es sich eben alle nicht nehmen. Und so ist die große Familie, wenn schon nicht unbedingt im Film, so doch zumindest vor und hinter der Kamera vereint. Wie immer.
65% - erschienen bei: DAS MANIFEST