August 05, 2006

Kino: WORLD TRADE CENTER

Regisseur Oliver Stone ist immer dann in seinem Element, wenn es um die Auslotung der Extreme geht. Mal rechnet er kompromisslos mit Good Old America ab, dann wiederum suhlt er sich auch gern einmal ganz tief im Bottich patriotisch- christlicher Verlogenheit. So ansehnlich und mitunter eindrucksvoll ihm das auch bislang immer gelingen mochte, nie positionierte er sein Statement so unpassend und ärgerlich wie in "World Trade Center", der Verfilmung des wahren Schicksals zweier New Yorker Polizisten, die in den Trümmern von Asche und Staub versinken.

Mag der Beginn, Polizei-Papi Nic Cage (ganz der "Family Man") als John McLoughlin macht sich in der Frühe auf den Weg zur Arbeit, die Stadt erwacht langsam, der Verkehr beginnt - die alltäglichen Szenerien eben - noch vermuten, einen dezenten, perspektivisch nicht völlig gewöhnlichen Film zu sehen, wird man schnell eines Besseren belehrt. Wenngleich der Anschlag nur kaum mit zusätzlichen Effekten versehen wird (alles andere wäre ohnehin inakzeptabel) und sich auch die voyeuristische Befriedigung in Grenzen hält, bedient sich Stone dennoch einer vollkommen unpassenden, populistischen Einzelschicksalsromantik. Die Regeln des Story Tellings sind in diesem Genre zwar bewusst dahingehend angelegt, eine oder mehrere Figuren in den Mittelpunkt zu rücken, um das Geschehen greifbar zu machen, im Falle des realen und vor allem zeitlich noch so nahen Anschlags vom 11. September 2001 ist dies allerdings ein Trugschluss. Jegliches Drama, das Stone fokussiert, wenn er ab dem zweiten Drittel die Geschichte von lediglich zwei Menschen erzählt, kulminiert im Leerlauf und lässt sich eben nicht in festgefahrene Genremuster pressen.


Er inszeniert die Geschichte als Parallelstrang (Wechsel zwischen Verschütteten und unwissenden Hinterbliebenen) mit simpelster Dramaturgie, jedem nur erdenklichen Klischee und plattesten Dialogen. Die völlig verfehlte Idee, das Ausmaß des Ganzen, die Tragik und Sinnlosigkeit des Anschlags, ergreifend festzuhalten, möchte zu keinem Zeitpunkt gelingen. Stattdessen entwickelt sich "World Trade Center" vielmehr zu einem formal völlig austauschbaren Katastrophenfilm - das Todesurteil für diese unbemühte Darstellung des großen amerikanischen Traumas. Wie kann Stone ernsthaft geglaubt haben, eine Wirklichkeit, dramatischer, beklemmender und schockierender als ein Film je sein könnte, auf Zelluloid festhalten zu können. Wenn er die große Geschichte der Feuerwehrmänner, Polizisten und anderer Helfer hätte erzählen wollen, wäre eine Dokumentation glaubwürdiger, nicht zuletzt womöglich wesentlich eindringlicher gewesen. Seine verklärte und wenig subtile Helden- und Passionsdudelei ist höchstens unfreiwillig komisch, schrecklich langweilig und absolut nichts sagend. Und das sollte ein Film diesen Sujets wohl in der Tat nicht sein.


Dass Stone den Zuschauer mit seinen künstlichen Unfug plappernden Hauptdarstellern und den sorgenvollen Ehefrauen, deren Charakterisierung ungefähr auf der Niveauebene eines Modekatalogs angelegt ist, komplett kalt lässt, ist die eine Sache. Seine fragwürdigen politischen Tendenzen jedoch überspannen den Bogen des Films. Die Kraft zu Leben, so das Produkt seiner penetranten Implikationen, kann nur aus Gottes Quelle geschöpft werden: Der gute Christ siegt zwangsläufig über den bösen Muslim. Spätestens wenn dem malträtierten Nicolas Cage im Delirium Mineralwasser-Jesus persönlich erscheint, stellt sich die erwartete, völlig berechtigte Frage nach der Notwendigkeit eines solchen Films. Wer braucht so etwas? Stone gibt eine deutliche Antwort: Niemand.


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