Mai 12, 2007

Kino: SHOOTING DOGS

Das Versagen der westlichen Machtapparate und deren grundsätzliche Annahme, die politischen und gesellschaft- lichen Prozesse in Afrika steuern zu können, sind ein zentrales Thema in Michael Caton-Jones’ Film "Shooting Dogs", der sich nach dem in jüngster Vergangenheit produzierten "Hotel Ruanda" und dem weniger bekannten "Sometimes in April" ebenfalls mit dem Genozid in Ruanda auseinandersetzt. Zumindest auf den ersten Blick. Erzählt wird die Geschichte vom Versagen der Vereinten Nationen: Nachdem im April 1994 der ruandische Präsident Habyarimana ermordet wurde, erreichen die Unruhen ihren Höhepunkt. Die Hutus rufen zum Massenmord an der Minderheit der Tutsi auf, während eine kleine Schule unter Leitung eines britischen Paters (überzeugend: John Hurt) sich um Bedürftige kümmert. Doch die brutale Präsenz der Hutu-Meute führt zu immer folgenschwereren Ausschreitungen – und die UN-Truppen ziehen sich allmählich zurück.

In seinem Ton ist dieser Film wesentlich schärfer als die genannten Arbeiten ähnlichen Sujets, das äußert sich sowohl in der unpräzisen, dämonischen Darstellung der UN-Soldaten (hier in Vertretung eines macht- aber scheinbar auch interessenlosen Befehlshabers, der von Dominique Horwitz gespielt wird), als auch dem Verzicht, die erzählten Gräuel in einen politischen Kontext einzubinden. "Shooting Dogs" nämlich ist ein äußerst spartanisch in Szene gesetztes Drama, dem der geneigte Zuschauer jene Aussparung historischer Bezugs- und Erklärungspunkte verzeihen wird, in dem der Film potentielles Grundwissen ganz einfach voraussetze. Es ließe sich allerdings ebenso ausmachen, dass Caton-Jones nicht unähnlich seinem Kollegen Edward Zwick, der sich mit "Blood Diamond" ebenfalls einer brisanten Problematik auf dem schwarzen Kontinent annahm, hier vielmehr Bilder abendlicher Nachrichten reproduziert, die einzig und allein dem Zwecke dienen, Elendstourismus kinokompatibel aufzubereiten.

Genau deshalb erweist es sich als ärgerlich, dass "Shooting Dogs" keinerlei Raum für eine fachliche Auseinandersetzung bietet und weder geschichtlichen Hintergrund, noch Motivation der handelnden Akteure beleuchtet. Dass der Genozid in Ruanda als womöglich größtes Versagen in der Geschichte der Vereinten Nationen (und ebenso des Völkerrechts) diskutiert werden muss – und ihr ausbleibender Hilfseinsatz filmisch entsprechend drastisch formuliert wird – erscheint verständlich, jedoch lässt der Film nicht nur in dieser Hinsicht jegliche Differenzierung vermissen. Die inhaltsleeren Dialoge werden mit spekulativen und auf die Produktion reiner effekthascherischer Spannung ausge- richteten Tötungsszenarios verbunden, ohne dass der Zuschauer mehr über die Zustände des Landes erfahren würde als dem Umstand, dass hier des nachts laute Sirenen ertönen und viel Blut fließt.

Die Entscheidung, sich dem Thema in gewisser Hinsicht aus einer westlichen Perspektive zu nähern, wirkt vor diesem Hintergrund fast schon geschmacklos. So meint man wird hier kaum mehr noch die Geschichte eines Massakers dokumentiert (oder interpretiert), sondern mit leichter Altherrenromantik vielmehr das Portrait eines greisen Priesters und dessen Nachzüglers (niedlich, aber doof: Hugh Dancy) entworfen. Dieser appelliert beständig an Gottes Vernunft und belegt sein Umfeld mit einem christlichen Schleier, was wie im Falle der ‚Abendmahlszene’ teilweise zu unfreiwilliger Komik führt und dem ganzen somit, besonders auch weil es mit den gängigen Musikmustern unterlegt ist, einen Hauch von Ethnokitsch verleiht. Da gaukelt "Shooting Dogs" dann sogar noch Authentizität vor, weil an seiner Entstehung zahlreiche Überlebende mitgewirkt haben. Dieser Widerspruch hingegen ist dem Film ebenso wenig bewusst wie die Tatsache, dass im April 1994 jede göttliche Institution ihre Augen von Ruanda abgewendet haben muss.

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