April 26, 2007

Kino: SPIDER-MAN 3

In Hollywood geht man selten ein Risiko ein. Erst recht nicht dann, wenn ein Film um die 260 Millionen US-Dollar ver- anschlagt, Werbekosten exklusive. Im letzten Kinojahr ent- täuschten an den Kassen eine Vielzahl kostspieliger Major- Produktionen, darunter insbesondere Bryan Singers DC- Comicverfilmung "Superman Returns". Eigentlich nicht seltsam möchte man meinen, liegt doch die Stärke des Films in gewisser Hinsicht bei den persönlichen Wurzeln des Regisseurs, der seinen Superhelden mit wenig Action und dafür umso mehr Gefühl wieder belebte. Warum aber wollte eine Mehrheit des Publikums nicht die postpubertäre Coming Of Age-Geschichte eines Clark Kent erzählt bekommen, wenn es doch aber ungleich mehr auch an den Adoleszenznöten des Studenten Peter Parker interessiert scheint?

"Spider-Man" war in Form seiner Realfilmadaption des Marvel-Comics ein Risiko. Eines, das schon bei der direkten Fortsetzung zwei Jahre später hätte bereut werden können. Denn so elegant sich der Kämpfer für das Gute im rot-blauen Anzug auch durch die Häuserschluchten des gewaltigen New Yorks schwingt, so sehr er auch in der Luft umher wirbelt und Bösewichtern mit ausgeklügelten Choreographien den Garaus macht - Sam Raimi hat weniger die Geschichte eines strahlenden Superhelden, als die des ewigen Verlierers Peter Parker erzählt. Das hat man ihm mitunter übel genommen, zu wenig Donnerwetter und zu viel unverhohlener Liebeskitsch ließ so manchen Actionfreund verdutzt zurück, tat dem Erfolg beider Filme allerdings keinen Abbruch: Zusammen spielten sie allein im Rahmen der Kinoauswertung weltweit über 1,6 Milliarden US-Dollar ein.

Von daher relativiert sich die eingangs angeführte Risiko- freude des Studios zumindest soweit, als sich klingelnde Kassen und künstlerische Individualität nicht ausschließen müssen. Raimi bleibt seinem charakteristischen Duktus dementsprechend treu. "Spider-Man 3" ist ein spektakulär in Szene gesetztes Abenteuer, das selbst den kleinsten visuellen Effekt stets hinter seine Geschichte über Liebe, Freundschaft und - natürlich - das Erwachsenwerden positioniert. Doch obwohl sich der Film ganz auf seine in den beiden Vorgängern festgelegten Basics beruft und kaum neue Schritte nach vorn wagt, überflügelt Raimi diese ohne ein lediglich höher geschraubtes Maß an Action und Gefühl, sondern vielmehr weil er seinen perfekten Rhythmus findet: "Spider-Man 3" ist die Arbeit eines eingespielten, souve- ränen Teams und vereint seine Elemente noch mitreißender, witziger und einfühlsamer, noch amüsanter und bewegender als es den beiden ersten Verfilmungen gelang.

Und dieses Mal hat Peter Parker (besser denn je: Tobey Maguire) alle Hände voll zu tun. Zwar ist er endlich mit seiner großen Liebe Mary Jane Watson (Kirsten Dunst, gewohnt zuckersüß) liiert, doch der wachsende Zorn ihres gemein- sames Freundes Harry Osborn (brillant: James Franco) überschattet die Glückseligkeit. Dieser nämlich tritt in die Fußstapfen seines Vaters, dem grünen Kobold, und wünscht sich nichts sehnlicher als den Tod Peters und dessen Alter Ego Spider-Man. Doch damit nicht genug: New York wird nicht nur vom Sandman, dem bei einem physikalischen Experiment degenerierten Sträfling Flint Marko (Thomas Haden Church in einer überaus charismatischen Rolle), sondern auch seinem eigenen Superhelden bedroht - eine schwarze parasitäre Substanz aus dem Weltall hat Spider-Man befallen und bringt dessen dunkle verborgene Seiten zum Vorschein. Zumindest bis das Zeug schließlich auf den Photographen Eddie Brock (eher blass: Topher Grace) übergeht und damit die Geburtsstunde von Venom, einem der beliebtesten Spider-Man-Gegner, einleitet.

Bezog in den beiden zu vorigen Episoden jeweils nur ein Bösewicht Stellung und füllte das Potential der Handlung damit bereits weitgehend aus, so kämpft der Superheld nunmehr nicht nur gegen drei Gegner, sondern vor allem auch mit sich selbst. Bis auf wenige grobe Sprünge und drama- turgische Schnitzer (die hastige Kooperation zwischen Sandman und Venom bleibt motivations- und einfallslos) aber bündelt Raimi die einzelnen Aktionsstränge erstaunlich sicher und schließt nahezu alle Subplots stimmig und ohne in Oberflächlichkeiten zu verfallen ab. Trotz eines erhöhten Actionpegels und einer insgesamt rasanteren Inszenierung dominiert auch in "Spider-Man 3" der emotionale, ja manches Mal sogar wunderbar rührselige Ton. Und das ist das Geheimnis dieses Films: Raimi transportiert die Figuren ins Kinomedium abermals mit ungeheuerem Respekt und einer Vielschichtigkeit, wie sie keine Comicverfilmung mehr seit Tim Burtons unterschätztem "Batman Returns" aufweisen konnte.

Da sollte man dann auch bedenkenlos vergessen, dass Danny Elfman - der noch während der Postproduktion des Vor- gängers seine Koffer packte - durch Christopher Young ersetzt wurde. Denn wirklich begeisterungswürdig an diesem Film ist die aufrichtige Ehrlichkeit seines Regisseurs, der der Geschichte und ihren Figuren genau jene Tiefe verleiht, die so vielen anderen Comicadaptionen fehlt. Das garantiert nicht nur manch nachhaltigen Gänsehauteffekt, sondern lässt "Spider-Man 3" jederzeit glaubwürdig erscheinen. Und in einem Film, wo sich illustre Monster zwischen gigantischen Wolkenkratzern auf die Rübe hauen, ist das nicht unbedingt selbstverständlich.


80% - erschienen bei: DAS MANIFEST