April 14, 2007

Kino: GOODBYE BAFANA

Wenn im Kino etwas immer gut funktioniert, dann sind es Geschichten über Menschen, die sich vom Bösen zum Guten wenden. Besonders dann, wenn ein weißhäutiger Rassist die Initiation zum menschelnden Liberalisten durchlebt. "Good- bye Bafana" von Bille August ("The House of the Spirits") ist zudem nicht nur die Gutmenschengeschichte eines geläuterten Helden, sondern durch die Verquickung mit dem Schicksal Nelson Mandelas auch noch ein modisches Biopic. Mit der Garantie zum Weichspülen ist dieser – natürlich – auf wahren Begebenheiten basierende Film deshalb fein chrono- logisch erzählt, sicher auch solide inszeniert und ganz bestimmt fürchterlich ambitioniert. Aber eben auch ordentlich glatt poliert und reichlich verklärend. Vor allem aber ist die Reise zurück in das Jahr 1968 grauenvoll gespielt.

Der südafrikanische Apartheidbefürworter und Gefängnis- wärter James Gregory (Joseph Fiennes) wird nach Robben Island versetzt. Dort verspricht er sich gemeinsam mit Frau (Diane Kruger) und Kindern ein besseres Leben. Auf der Fährenüberquerung werden auch gleich die vorläufigen Sympathien verteilt: Die kindliche Frage, warum auf der Insel nur schwarze Gefangene verwahrt würden, beantwortet Mutter Gregory eindeutig – "weil sie Terroristen sind". Die Karriere von Gregory verläuft schnell und steil nach oben: Durch seine Kenntnisse in Xhosa (als Kind wuchs er auf einem Bauernhof mit einem farbigen Jungen auf und beherrscht deshalb die Stammessprache) wird er für die direkte Überwachung des prominentesten Gefangenen eingesetzt – Nelson Mandela (Dennis Haysbert). Neben alltäglicher Zensur von Briefen kann er deshalb auch dessen Besuchergespräche mit seiner Frau übersetzen.

Doch das ideologische Bild Gregorys beginnt zu bröckeln, als er die Brutalität gegen Farbige vor seinen eigenen Augen erlebt. Ihm gelingt es schließlich, die verbotene Freedom Charta zu lesen, in der entgegen seiner Annahme nicht von der Unterdrückung weißer durch schwarze Bürger die Rede ist, sondern Gleichberechtigung proklamiert wird. Zwischen Gregory und Mandela entwickelt sich eine vorsichtige Freundschaft – und bis zur Entlassung der Galionsfigur 1990 wird aus dem Rassisten alsbald ein ANC-Kämpfer für die Freiheit. Denn: "Ich möchte dabei sein, wenn Geschichte geschrieben wird!". Na das klingt doch ganz wunderbar. Und wenn Mandela zu Zeiten seiner 27jährigen Gefängnis- aufenthalte wirklich so ein knuddeliger Papabär war, wie Haysberts Interpretation den Eindruck erweckt, dann kann jene Geschichte für das Kino sogar ganz und gar gemütlich (neu)geschrieben werden. Märchenstunde in Südafrika!

"Nelson Mandela, My Prisoner, My Friend" lautet der Titel von Gregorys Biographie, die die Grundlage für "Goodbye Bafana" bildet. Die rosigen Memoiren ergeben zwar einen guten Filmstoff, wurden jedoch auch stark kritisiert. Freunde Mandelas beschuldigten Gregory als Tatsachenverdreher, weil er wichtige Details erspitzelt und somit den Kampf zur Demokratie behindert habe. Eine tiefgehende Männer- freundschaft, wie Buch und Film sie suggerieren, sei nie zustande gekommen. Das ist eben der alte Widerspruch, mit dem das Kino zu leben gelernt hat: In der Regel folgt die Dramaturgie der Realität nicht den Gesetzen eines Drehbuchs. Und weil Augusts Film als universelle Parabel umso dienlicher scheint, wird die Wahrheit mit ihren Ecken und Kanten einfach mal so richtig schön abgeschliffen.

Dabei hat der an Originalschauplätzen gedrehte "Goodbye Bafana" atmosphärische Momente, die sein grundsätzliches Potential erahnen lassen. Wenn Frauen und Kinder bei einer Passkontrolle mit Schlagstöcken misshandelt werden, dann droht kurzzeitig jene romantische Verklärung zu verblassen, die den Film ansonsten so bieder durchzieht. Unglaubwürdig bis ärgerlich aber bleibt der Rest: Gregory dreht auf dem Gefängnishof täglich lebhafte Plauderrunden mit Mandela, ohne die geringste Aufmerksamkeit zu erhaschen, oder spaziert ohne Genehmigung in eine Bibliothek mit Abteilung für verbotene Literatur und entwendet problem- wie folgenlos das kritischste Dokument seiner Zeit – die Freedom Charta. Sollte der Weg zur Aufklärung seinerzeit tatsächlich derart unsteinig verlaufen sein, scheint die Brisanz der politischen Lage Südafrikas wohl doch ein wenig überbewertet, oder?

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