April 18, 2007

Kino: THE REAPING

Es beginnt immer irgendwo in Afrika. Und da Hollywood den schwarzen Kontinent gerade wieder einmal neu entdeckt hat – man denke nur an "Catch a Fire", "Blood Diamond" oder "Goodbye Bafana" –, führt auch der Horrorthriller "The Reaping" den Zuschauer in die entlegene Wüste des Sudans, wo sich die Vorboten der Apokalypse zu formieren scheinen: Da suchen rätselhafte Epidemien die Menschen heim und ziehen Ungezieferplagen über das Land. Das allerdings ruft bei der Universitätsprofessorin Katherine Winter (Hilray Swank) bestenfalls ein altkluges Lächeln hervor. Die einstige Pastorin hält nämlich selbst für das unheilvollste Phänomen noch eine wissenschaftliche Erklärung parat – der Schrecken in Nordafrika speist sich ganz simpel aus einer Übergewichtung von Mythos und Religion.

Derart abgeklärte Ex-Gläubige hat das Kino ja bekanntlich gern, so lange es ihm zumindest gelingen mag, die neuerdings Ungläubigen zu bekehren und in die geistliche Welt zurückzuführen. Das hat zuletzt niemand so elegant bewiesen wie Mel Gibson, dem M. Night Shyamalan mit "Signs" erfolgreich zur Reintegration in die Enthaltsamkeit verhalf. Dieser dankte es ihm und löste mit seinem Fetischsplatter um die Kreuzigung Jesu einen wahren Boom frommer Hollywood- Produktionen aus, der auch das eigentlich völlig verdient in Rente geschickte Bibelhorror-Subgenre zu neuen Inspira- tionen anregte. Denn eigentlich, so dachte man, sei das Thema seit dem Ausbleiben der prophezeiten Apokalypse zum Millennium und der dazugehörigen Popcornentsprechung von "End of Days" bis hin zu "Stigmata" endgültig durch.

Falsch! Das Interesse an göttlichen und besonders natürlich nichtgöttlichen Mächten ist längst wieder geweckt. Ob nun in Renny Harlins/Paul Schraders "Exorcist"-Sequel oder jüngst der Neuauflage von "The Omen" – der Teufel und seine illustren Gesandten treiben es wilder denn je, um schluss- endlich natürlich dennoch bezwungen zu werden. "The Reaping" bildet da selbstverständlich keine Ausnahme. Der Film adressiert zwar kein ausschließliches Teenager-Publikum, sondern giert mit seinem fast schon verbissen ernsten Ton auch nach der Gunst eines jeglicher Blasphemie abschwö- renden Erwachsenenkinos. Aber freilich empfiehlt sich Stephen Hopkins’ Mystery-Thriller als seichter PG-13-Grusel auch für fummelnde Zahnspangenträger, die bevorzugt Filme konsumieren, in denen jedwede Ordnung erst rigoros aus den Fugen gehoben wird, nur damit sie dann ebenso schnell wieder in ihr Gefüge gebracht werden kann.

Von daher bräuchte Katherine Winter sich nicht wirklich darum sorgen, dass sich in der Kleinstadt Haven in Louisiana rätselhafte Ereignisse zutragen. Zwar ist auch sie mit ihrem wissenschaftlichen Latein am Ende, als sich Flüsse rot färben, Rinderherden verrückt drehen und Frösche vom Himmel purzeln, doch eigentlich könnte die Sachlage offensichtlicher nicht sein: Ein kleines Mädchen (AnnaSophia Robb) ist von teuflischen Dämonen besessen und droht die gesamte Menschheit zu vernichten. Dass es immer gleich die Welt sein muss, die sich der Herr Satan unter den Nagel reißen will, mag man da noch gern verzeihen. Nur warum zur Hölle reiht "The Reaping" ein kitschiges Horrorklischee ans nächste? Da werden Szenarios kreiert, die sich als Alptraum herausstellen, Schreckensbilder entworfen, um als Vision enttarnt zu werden und die wirklich ödesten, weil sich beständig selbst ankündigenden Schockeffekte der Saison runtergespult. Und wie immer ertönt dazu ein Gedudel, das sich fleißig bei Jerry Goldsmith und seiner "Omen"-Partitur bedient.

Das ist dann zwar zeitweilig in eine überdurchschnittlich edle Optik gesetzt (die Aufnahmen des roten Sumpfes erinnern an die visuelle und atmosphärische Kraft von Hopkins’ früheren Arbeiten), aber einfach keine einzige Sekunde lang spannend. Da das Drehbuch auch gar nicht erst den Versuch unternimmt, seine unheilvolle Geschichte mit etwas Clever- ness auch für ein Publikum, welches derartigen Bibel-Horror naturgemäß nicht für bare Münze nimmt, schmackhaft zu machen, ist "The Reaping" für seine unchristlichen Zu- schauer kaum zumutbar. Die werden nämlich mit Sicherheit störend feststellen, dass sich der Film nicht nur unverhält- nismäßig ernst nimmt, sondern schon regelrecht peinlich vorhersehbar geriet. Dass sich im Finale schließlich eine katastrophal unterforderte Hilary Swank gegen ein Meer schlechter CGI-Effekte zur Wehr setzen muss, nimmt man dann nur noch peripher wahr. Bleibt einzig der Rat, dass sich die Oscargewinnerin langsam einmal Gedanken machen sollte, nicht doch den Agenten zu wechseln.

15% - erschienen bei DAS MANIFEST