März 20, 2007

Kino: THE NUMBER 23

Es ist bekannt, dass der Nirvana-Frontmann Kurt Cobain 1967 geboren wurde und 1994 verstarb. Eher weniger bekannt hingegen, dass die Summe aus den einzelnen Zahlen (1+9+6+7 und 1+9+9+4) bei beiden Jahresdaten 23 ergibt - irgendwie unheimlich, oder? Ist es ein Zufall, dass William Shakespeare am 23. April 1564 zur Welt kam und sie 52 Jahre später ebenso am 23. April wieder verließ? Oder Julius Caesar durch 23 Messerstiche starb und das lateinische Alphabet aus 23 Buchstaben besteht?

Diese Fragen werden auch im "Illuminatus"-Komplex der Autoren Robert Anton Wilson und Robert Shea nicht endgültig beantwortet, sondern vielmehr wird darin ihr Grundstein gelegt. Die 23-Numerologie mit ihren konspirativen Theorien und Vermutungen beschreibt die Annahme, alle Ereignisse und Begebenheiten stünden in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit der Zahl 23 und ihre Quersumme 5.

Viele Wege führen nach Rom: Mit etwas Knobelarbeit lässt sich eine derartige Verbindung problemlos zu jedwedem Gegenstand herstellen. Das umfangreiche Konstrukt 23 und die Mythisierung dieser Zahl sind fester Bestandteil der Postmoderne, ob in Literatur, Film oder Musik. In Deutschland hat sich Hans-Christian Schmid dem Phänomen mit "23 – Nichts ist so wie es scheint" gewidmet - und vielmehr einen Film über den Zeitgeist der 80er-Jahre, als auf den Titel bezogenen Verschwörungsthriller inszeniert.

In seinem - Achtung! - 23. Werk beschäftigt sich nun auch Regisseur Joel Schumacher mit der Unglückszahl. Jim Carrey spielt Walter Sparrow, einen durchschnittlichen Vorstadt- typen und Familienvater, der von seiner Frau Agatha (Virginia Madsen) ein mysteriöses Buch erhält: "The Number 23" von Topsy Kretts (für alle, die sich mit Subtilitäten schwer tun: den Namen einfach laut aussprechen). Darin geht es um den von der unheilvollen Zahl besessenen Detective Fingerling (ebenfalls Carrey), der einen ungewöhnlichen Mordfall aufklären muss. Sparrow ist so fasziniert von dem Roman, dass er dessen Inhalt bald für bare Münze nimmt: Er hält die Übereinstimmungen zwischen ihm und dem fiktiven Fingerling nicht für Zufall, sondern Bestimmung.

Mit unmodischen Bildern einer eher gediegenen Ästhetik bewegt sich "The Number 23" inhaltlich auf steifem Retro-Terrain. Der Thriller erinnert wechselhaft und recht beliebig an Vorbilder wie "Memento", "Lost Highway" oder "Fight Club", allerdings ohne deren Unberechenbarkeit. Denn leider krankt Schumachers zur Verworrenheit bemühter Selbstfindungstrip an seiner trivialen Erzählweise: Der Zuschauer dürfte das Puzzle so vorschnell zusammen haben, dass der Film mit manch konstruierter Falschfährte kaum mehr hinterherkommt.

Um das Mysterium 23 geht es hier tatsächlich keinesfalls. Vielmehr erweist sich das Theater um die Zahl, die im Verlauf der Geschichte bald keine Rolle mehr spielt, als unfreiwilliger McGuffin. Der paranoide Wahn Sparrows resultiert eher aus seiner Diskrepanz zwischen Realität und Selbstwahrnehmung, denn einer numerologischen Verschwörung. Einmal mehr übt sich Schumacher in plattem Budenzauber, wenn er in sein Szenenbild dennoch immer wieder variierte Verweise zur Titel gebenden Zahl integriert: Zigfach blendet er auf die Neonreklame eines Hotels, bis auch der letzte Kinobesucher begriffen hat, dass das wohl ein Hinweis auf die allgegenwärtige 23 sein könnte.

Ehe der obligatorische Schluss-Twist dann herbeieilt - in nahezu jeder Inhaltsangabe ist er bereits zu erahnen - bleibt nur die Frage, warum "The Number 23" den End-90er- Filmtrend mit Paukenschlagfinale nur verschlafen haben könnte. Vielleicht ja sogar deshalb, weil Schumacher ganz einfach warten wollte, bis er sein Pensum von 22 Arbeiten erreicht hat. Übrigens: Bevor der Regisseur sich der Filmerei zuwandte, arbeitete er als Dekorateur für Schaufenster. Manchmal sollte eben vielleicht auch ein Schumacher bei seinem Leisten bleiben.


40% - erschienen bei DAS MANIFEST