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Februar 18, 2011

Berlinale 2011: THE KING'S SPEECH

Nach breiten Zuschauervorlieben gefertigtes Oscarmaterial der besonders gediegenen Sorte, das in bauernschlauer James-Ivory-Tradition mit einnehmendem Pathos und ausgespieltem Sentiment einiges an Sympathie auf sich zu vereinigen sucht. In "The King’s Speech" geht es zunächst einmal um die Thronfolge von King George V. und den Amtsantritt seines jüngsten Sohnes nach dessen Tod, aber der Film erzählt statt vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, den politischen Umbrüchen im Königshaus oder anderer relevanter Dinge lieber eine Geschichte davon, wie es George VI. gelang, eine relativ stotterfreie Rede zu halten. Das folgt in erster Linie einer typischen Lehrer-Schüler-Dramaturgie, hier einmal zwischen sanftmütigem Logopäden und König in spe.

Der gedeihende Lernerfolg wird, wenn sich nicht gerade die bewährte Schuss-Gegenschuss-Didaktik der Filmhochschule dazwischen drängt, in verlotterten Montagen erzählt, denn so formschön kann schweißtreibende Zeit nur im Kino vergänglich gemacht werden. Irgendwann schließlich wird ersichtlich, was der Film anfänglich wenig diffizil ohnehin schon Einstellung für Einstellung kolportierte: Des Königs Stimmbänder wurden einzig durch die unbarmherzigen Korsettschnüre britischer Adelsmeriten verengt – ein Glück also, dass Colin Firth seinen stotternden King George gleich zu Beginn als stocksteifen Tunichtgut exponieren muss, dem jede noble Geste einen Krampf ins Gesicht drückt.

Die vordringliche Inszenierung, die offenbar alle augen- scheinlichen Klischees eines altbackenen Kostümfilms zu umschiffen gedenkt, soll dabei wohl die betagte Haltung des Films verhängen. Doch die besonders hinsichtlich der Figuren ausgeprägten Indifferenzen in der als Personendrama angelegten Adelsschmonzette spiegeln sich letztlich vor allem im Casting wider, dem wunderbar pretiösen Spiel eines Geoffrey Rush steht hier die völlige Fehlbesetzung von Guy Pearce oder Timothy Spall gegenüber. Bei all der konventionellen Manieriertheit muss man dem Film Tom Hoopers Versuche zugute halten, die steifen Vorgaben des Kostümformatkinos wenigstens mit teils lakonischem Humor aufzulockern – in manchen Momenten zwischen Firth und Rush entwickelt der Film zeitweilig eine angenehm amüsante Eigendynamik, die seinen sonst allzu kontrollierten Überbau zumindest momentweise vergessen macht.


40% - erschienen bei den: 5 Filmfreunden

August 15, 2009

Kino: THE HURT LOCKER

Nie hat sich Hollywood so zügig und zahlreich der Traumata im eigenen Land angenommen. Nie haben so schnell so viele Filme den gesellschaftlichen Wandel zu erfassen, nie die Auswirkungen eines US-Krieges so sehr ins kollektive (Kino-)Bewusstsein zu rücken versucht wie in den vergangenen Jahren. Zahlreiche Autorenfilmer meldeten sich zu Wort, mit Filmen wie "United 93", "World Trade Center", "Rendition", "In the Valley of Elah" oder "Redacted", noch bevor überhaupt ein Ende der Intervention im Irak absehbar sein konnte. All diese Arbeiten waren kommerzielle Misserfolge, ob starbesetzt oder nicht, und all diese Filme hatten trotz unterschiedlichster formaler Ansätze wenig bis gar nichts mitzuteilen über den so genannten Krieg gegen den Terror, den internationalen Konflikt, „das zweite Vietnam“. So sinnfällig ihre Zwischenmeldungen erscheinen mochten, der fehlende zeitliche und räumliche Abstand hat keine allzu tiefsinnigen Reflexionen hervorgebracht – und so verstanden sich diese Filme offenbar als politisches Sprachrohr, gleich wenn sie angesichts ihrer von banal ("Lions for Lambs") bis reaktionär ("The Kingdom") changierenden Erkenntnisse besser hätten schweigen sollen.

In der Post-Bush-Ära, eingeleitet sogleich mit einem verkündeten Rückzug amerikanischer Truppen aus dem Irak, werden die Geschichten im Konfliktherd munter weitererzählt, selbst wenn man dazu in der Zeit um einige Jährchen zurückgehen muss, wie in Kathryn Bigelows erster Langfilmregiearbeit seit sieben Jahren. Mit unmittelbarer Handkamera rückt sie einem auf Bombenentschärfung spezialisierten Sondereinsatzteam im irakischen Kriegsgebiet auf die Pelle: Gemeinsam mit ihnen lässt sie den Zuschauer durchs Zielfernrohr blicken, sich hinter Mauern verstecken oder minutenlang Zünder deaktivieren, während ihr Objektiv hautnah jedes Hitzeflimmern, jede Schweißperle und jedes Staubkorn ins Visier nimmt. Die Geschichte ist eine Abfolge von Aufträgen: Deeskalation und Detonation im Alltag einer Soldatentruppe, die die Tage rückwärts zählt – bis zum ersehnten Nullpunkt, an dem sie wieder nach Hause dürfen.
So vermittelt "The Hurt Locker" in erster Linie Stimmungsbilder, während die Erzählstruktur einem episodischen Erfahrungsbericht gleicht, der nüchtern und fast dokumentarisch den lebensgefährlichen Alltag der Soldaten wiedergibt. Aus dieser nervenaufreibenden Lebensgefahr leiten einige von ihnen, insbesondere die zentrale Figur im Mittelpunkt des Geschehens, Bombenspezialist Sergeant William James, hingegen einen Nervenkitzel ab, der sie mit offensichtlich überlebenswichtigem Adrenalin versorgt. Der Krieg sei eine Droge, heißt es ganz zu Beginn des Films – William James ist ihr verfallen. In einem gigantischen, an alte Science-Fiction-Märchen erinnernden Schutzanzug nähert er sich seinen "Babys": In einer Szene nimmt er wider Befehlslage ein ganzes Auto auseinander, zerrupft und verbiegt und demoliert alles, um den Zünder der Bombe ausfindig zu machen – das Erfolgserlebnis als Selbstbefriedigung, deren Kontext oder politischer Bezug, eigentlicher Auftrag oder Sicherheitsmaßnahmen in weite Ferne gerückt sind.

Folgerichtig konzentriert sich Bigelow auf die Erlebnis- und Wahrnehmungsebene ihrer Figuren, ohne zu konkretisieren, Stellung zu beziehen oder ideologische Sichtweisen in ihren Blick zu mischen. Gerade durch diesen inszenatorischen Verzicht ist ihr mit "The Hurt Locker" natürlich dennoch ein enorm politischer Film geglückt: So widersprüchlich und irrational die Aktionen ihrer Soldaten dem Zuschauer erscheinen müssen, so eindrucksvoll verortet der Film sie in einem komplexen Gewebe aus körperlichen Grenzerfahrungen und seelischen Narben. Wenn Sergeant James zurück in der Heimat gelähmt vor einem riesigen Regal Cornflakes im Supermarkt steht, dann ist zwar alles im Überfluss vorhanden – gegen die quälenden Wunden jedoch hilft nur die Droge, die Rückkehr ins Kriegsgebiet. 365 Tage bis zum Abzug, die Zeit läuft wieder rückwärts.

80% - erschienen bei den: 5 Filmfreunden