April 08, 2008

Kino: BEFORE THE DEVIL KNOWS YOU'RE DEAD

Über zu wenig Aufmerksamkeit wird sich "Before the Devil Knows You're Dead" sicher nicht beschweren können, trotz seines verhaltenen Starts und einem nichts sagenden deutschen Titel (Tödliche Entscheidung). Es ist Sidney Lumets beachtliches Comeback mit 83 Jahren, ein sou- veränes, handfestes Familiendrama mit Noir-Einschlag, eine dicht inszenierte, konzentriert erzählte, tragische Geschichte. Sie ist genauso ihren Figuren verpflichtet wie Lumets frühere Filme, von "12 Angry Men" bis "Running On Empty", der ebenfalls die Stabilität der Institution Familie untersuchte. Und diese Geschichte spannt einen Bogen annähernd bis zur Tragödie griechischen Ausmaßes: Ein schief gelaufener Juwelencoup, initiiert von zwei Brüdern, der eine (Philip Seymour Hoffman) verschuldet und drogensüchtig, der andere (Ethan Hawke) labil und mittellos, die die eigenen Eltern per Versicherungsbetrug ausnehmen wollen. Doch als die Mutter (Rosemary Harris) den Überfall nicht überlebt, gerät der Plan aus dem Ruder – ihr Ehemann und Vater (Albert Finney) hat darauf nichts anderes mehr im Sinn, als den Täter zu finden.

Eine simple Prämisse, die mit ihrer Rückblendenerzählung zunächst auch simpel umgesetzt scheint. Doch Lumet interessiert sich nur wenig für clevere Verstrickungen und Zeitsprünge, ergötzt sich nicht am filmischen Vexierspiel – es geht ihm nicht einmal gänzlich um die Krimiaspekte seines Thrillers. "Before the Devil Knows You're Dead" ist ein kraftvolles Familiendrama, fest in den Zügeln seines Erzählers gespannt: Eine moralische Lehrstunde ohne Belehrung, eine Reflexion über Familie als Träger und Stabilitätsfaktor, als einzige Konstante im allgemeinen gesellschaftlichen Werte- verfall, von dem so viele US-amerikanische Filme gerade in diesen Tagen berichten. Doch bei Lumet liegt all das Übel im Innern begraben, die Gier und Sorglosigkeit, das Abgründige und Verdorbene – es erwächst innerhalb der Familie. Die sorgfältig ausgearbeiteten Figuren sind alles in dieser altmodisch erscheinenden, doch mit dispositivem Bewusstsein erarbeiteten Charakterstudie, die zudem von brillanten Schauspielern getragen wird.


70%