Es ist ein Vater-Sohn-Tag wie er im Buche steht, doch auf dem Rückweg vom Angelausflug geschieht ein tragischer Autounfall, bei dem Kales Vater ums Leben kommt. Ein Jahr später hat der 17jährige noch immer mit Wutausbrüchen zu kämpfen, bis ihn sein Aggressionsverhalten mit dem Gesetz in Konflikt bringt: Weil er seinen Spanischlehrer ins Gesicht geschlagen hat, wird Kale von einem Jugendgericht zu dreimonatigem Hausarrest verurteilt. Ein elektronisches Band am Schienbein schlägt unmittelbar Alarm, sollte der Junge den Garten seines Hauses verlassen. Drum beginnt er bald das Beste aus seiner Situation zu machen und observiert samt Fernglas und Videokameras seine Nachbarschaft. Das sorgt mit der neu zugezogenen Ashley (Sara Roemer) anfangs für sonnige Aus- und Einblicke, bis Kale bei dem seltsamen Mr. Turner (David Morse) einen Mord zu beobachten glaubt.
LaBeouf also übernimmt den Jimmy Stewart-Part. Und während er bei "Transformers" kaum zu mehr imstande schien, als wild gestikulierend und somit nicht selten überaus anstrengend zwischen riesigen Robotern herumzuwirbeln, ist dem Shootingstar in "Disturbia" gnädigerweise der ein oder andere Ruhemoment vergönnt. Den Zappelphilipp gibt LaBeouf hier als pubertärer Nintendo-Spieler zwar auch zu genüge, im Gegensatz zu seiner Rolle im Bay-Kracher aber darf er auch mal manch Zwischenton pfeifen. Was wichtig ist: Als einzige Identifikationsfigur trägt er den Film auf seinen Schultern – "Disturbia" steht und fällt mit seinem niedlich ins Licht gerückten Hauptdarsteller. Wem LaBeoufs Gehampel deshalb schon jetzt auf die Nerven geht, der sollte um diesen Teen-Thriller lieber gleich einen großen Bogen machen.
Dabei ist das ganze eine vorzügliche Alternative zum Big Budget-Terror des Kinosommers. "Disturbia" ist zwar ganz sicher nicht minder kalkuliert – Spielbergs Vorort-Fetischismus trifft auf seichten PG-13-Horror – und zweifellos ziemlich brav, wenn der Teenschwarm erst den bösen Mörder von nebenan, dann das knapp bekleidete Objekt der Begierde dingfest machen will. Und doch gefällt D.J. Carusos Thriller eben gerade aufgrund dieser etwas zugeknöpften Prämisse in Zeiten zwar immer bluttriefender, aber ebenso auch infantiler erscheinenden Gornos und Torture-Porns (so die höchst originellen Bezeichnungen für das Kinophänomen um "Hostel" und Co.).
LaBeouf ist mehr als souverän als etwas doofer, aber sympathischer Nachbarsjunge, und meistert den Film problemlos über seine knapp zwei Stunden Laufzeit hinweg. Da hätte es der unnötig als Mutter besetzten Carrie-Anne Moss gar nicht bedurft, sie sieht neben dem grimmig dreinschauenden, aber doch erstaunlich guten David Morse ohnehin ein wenig zu edel aus. Dass die Geschichte insgesamt natürlich so vorhersehbar wie unoriginell ist, trüben einige pfiffige Ideen und ziemlich routiniert inszenierte Spannungsmomente. Und wenn die Teens mit Camcorder, Photohandy und Web 2.0-Kenntnissen auf Killerjagd gehen, dann wird das Versprechen eines modischen Hitchcock- Updates zumindest einmal wörtlich genommen. Das ist ja auch schon mal was.
65% - für: DAS MANIFEST