März 15, 2007

Kino: DIE FÄLSCHER

Der mittlerweile über 90jährige, ehemalige slowakische Kommunist Adolf Burger hat das erlebt, was der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky ("Anatomie") mit seinem Film "Die Fälscher" in ein kurzes Stück Unterhaltungskino ummodelliert. Zwischen 1942 und ’45 arbeitete er (gespielt von August Diehl) neben Salomon Smolianoff bzw. im Film leicht verändert in Sorowitsch (brillant: Karl Markovics) als Geldfälscher im Konzen- trationslager Sachsenhausen. Mit den staatlich verordneten Blüten erhoffte sich die SS damals eine wirtschaftliche Destabilisierung des englischen und US-amerikanischen Feindes, indem sie das Falschgeld unter die Menge bringen wollte. Die jüdischen Beteiligten des "Unternehmens Bernhard" wohnten unter besseren Lebensbedingungen in einem Sonderkomplex, den sie "Goldenen Käfig" nannten.

Dort schliefen sie anders als die restlichen Insassen in bequemeren Betten, verfügten über geregelte Mahlzeiten und eine Sanitäranlage. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges, als die SS-Kommandanten das Lager fluchtartig verließen, wurden die Fälscher von ihren Mithäftlingen zunächst für Nazis gehalten – sie waren genährter und kräftiger auf den Beinen als sie. Insgesamt haben sie Blüten im Wert von 134 Millionen Pfund herstellen müssen, doch dank ihrer Verzögerungstaktik konnten die Nazis das nahezu perfekte Falschgeld nicht mehr in Massenproduktion geben.

Diese Geschichte der größten staatlichen Geldfälschungs- aktion aller Zeiten ist eigentlich unglaublich. Und genau deshalb auch setzt Ruzowitzky sie mit konventionellen filmischen Mitteln um, damit sie begreifbar wird. Dafür gelten abermals die Kompromisse, die im Kino bei diesem Sujet immer gelten müssen: Das Unfassbare fassbar zu gestalten. "Die Fälscher" ist ein ambitionierter, spannender und – natürlich – bewegender Film. Das verdankt er aber nicht seiner mit Klischees überfrachteten Inszenierung, sondern dem realhistorischen Unterbau: Dieses Kapitel in der Geschichte des Dritten Reichs wurde bislang eher wenig beleuchtet. Und das urdeutsche Filmphänomen greift auch hier. Im Kino darf sich der Deutsche weniger schwer tun mit seiner Vergangenheit, als das sonst der Fall ist.

Denn die Gewissensappelle und Bekenntnisse ermöglichen eine Identifikation mit dem jüdischen Opfer, das sonst so unnahbar scheint und über eine sympathische und physisch wehrlose Charakterisierung vom einzelnen Individuum zu einer Gesamtheit abstrahiert wird. Im selben Moment schaffen sie Distanz zum deutschen Täter, dem Monstrum in Menschengestalt, das nun ein bizarres Gesicht erhält – der deutsche Zuschauer darf sich keineswegs mit der deutschen Filmbestie auf der Leinwand identifizieren. Dem Kino wird die Funktion zuteil, seinem Zuschauer einen Raum zu geben, in dem er seine Geschichte in kompakter, eindringlicher und emotional forcierter Weise rekapitulieren und schließlich verarbeiten soll. Das brachte in Filmen wie Oliver Hirschbiegels "Der Untergang" groteske Überzeichnungen, deren unfreiwillige Gegenwirkung aus verharmlosender, vermeintlicher Geschichtsüberwindung bestand. Die mythische Verklärung als Folge ehrenwerter, aber fehlkonzipierter Kompromisslosigkeit im Umgang mit der deutschen Kriegshistorie ist vielen Kinofilmen über den Nationalsozialismus gleich.

Obwohl "Die Fälscher" demgegenüber ein verhältnismäßig gelungener deutscher Beitrag ist, muss auch er sich mit der Problematik zurechtfinden, komplexe Ereignisse möglichst verkürzt und abstrahiert darzustellen. Der kaum zu ertragende Druck, dem die Geldfälscher standhalten müssen, wird mit einem kurzen Wutausbruch der Hauptfigur verdeutlicht. Die Angst und Sorge um die verstreuten Familienmitglieder kommt dadurch zum Ausdruck, dass einer der Mitarbeiter in den Auschwitzpässen für die Fälschungs- vorlagen die Dokumente seiner Kinder entdeckt und zusammenbricht. Und dass auch die befehlenden Nazikommandeure nur kleine Glieder einer Kette und gar nicht einmal zwingend nationalistisch ideologisiert sind, wird über den Monolog eines Aufsehers vermittelt (bedenklich!). Diese episodischen, in ihrer Funktion zu erkennbaren und konventionellen Momente behindern die intensive und grundsätzlich zu einem bemerkenswerten Drehbuch verfasste Geschichte.

Dennoch möchte man dem Film tendenziell mit Wohlwollen begegnen, nicht nur weil er über ein verhältnismäßig noch wenig bekanntes Ereignis berichtet, sondern auch weil er nur selten in die alles zerkauenden, heuchlerischen und plakativen Erklärungsmuster vieler anderer deutscher Filme über die eigene Nazivergangenheit verfällt. Meist behutsam und zurückhaltend im Ton gelingt vor allem die konsequente Erzählung aus Sicht der Fälscher. Die Schrecken des Krieges, die Zustände in den anderen Blöcken, all das, was die Sondertruppe nicht direkt wahrnimmt, bleibt auch dem Zuschauer verborgen. Hier appelliert der Film an die Grundkenntnis und Fähigkeit des Publikums, entsprechende Szenarios selbständig auszufüllen. Das unterscheidet ihn von anderen Geschichtsaufarbeitungen, die allen gerecht werden wollen, indem sie die ganze Bandbreite ihres Themas zu servieren versuchen und keinen wirklichen Fokus besitzen.

Leider aber ist Ruzowitzky wie bereits erwähnt in der Wahl seiner Mittel sehr grobschlächtig. Den größten Makel bildet dabei die Kameraführung. Ohne ersichtlichen künstlerischen Grund wackelt sie unaufhörlich umher, umkreist die Personen und möchte einfach nicht still stehen. Das hat weder eine authentische noch den Zuschauer mit einbeziehende Wirkung, sondern eher im Gegenteil: Es schafft eine Distanz – davon abgesehen, dass die entfesselte Photographie nicht zu dem durch Raum und Zeit beengten Inhalt passen möchte.

Eines der weiteren maßgeblichen Probleme ist die Figurenzeichnung: Löst sich der Film erstaunlich von den angesprochenen Mustern anderer Produktionen, so bedient er leider die gängigen Klischees bei der Darstellung der Faschisten. Weil auch "Die Fälscher" sie offenbar nicht begreifen kann, werden sie zu Karikaturen gemacht, die mal menscheln, mal hysterisch und unzurechnungsfähig erschei- nen. Das ist außerdem übertrieben gespielt, z.B. mit dem üblichen überbetonten Berliner Akzent und wirkt verharmlosend. Obwohl sich ein derartiger Umgang mit den Geschichtsmonstren ja bewährt zu haben scheint: Zuletzt erntete "Das Leben der Anderen" vielerorts Anerkennung, trotz seiner fragwürdigen Überzeichnung der Figuren, darunter einem sächselnden Schreibmaschinenexperten, der eher lächerlich als bedrohlich wirkt.

So eindrucksvoll die zentrale Figur des Films von Karl Markovics interpretiert wird, so blass bleibt der völlig facettenlose August Diehl an dessen Seite. Zwar ist seine Rolle bereits eindimensional angelegt und beschränkt sich auf ideologische Hülsen und Revolteparolen, doch Diehl ist auch scheinbar nicht bereit, ihr Zwischentöne zu entlocken. Seine mangelnde Wandlungsfähigkeit und die ewig statische, gelangweilte Aggressivität seiner Darstellung stören den weitestgehend sehr gut gespielten "Die Fälscher" erheblich. Leider geriet eine Episode des Films sogar sehr ärgerlich. Sorowitschs Einladung in das Haus des SS-Leiters der Operation, Friedrich Herzog (Devid Stresow), führt zur Bekanntschaft mit dessen Frau und Kindern. Diese Szene sticht in ihrer fatal grotesken Unannehmlichkeit aus dem Gesamtkontext stark heraus, wenn die deutsche Ehefrau als unwissendes, naiv-dümmliches Blondchen porträtiert wird.

Es bleibt somit ein Film, der an den bekannten Eigenheiten deutscher Kinogeschichtsstunden leidet. Dennoch setzt sich "Die Fälscher" mit seiner grundsätzlichen Vorgehensweise von den moralinen Mitstreitern ab. Das gelingt noch bei weitem nicht vollständig, doch es ist ein erster Versuch. Und nebenbei eine Geschichte, die auch tatsächlich einmal dringend erzählt werden musste.