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Juni 09, 2009

Kino: DRAG ME TO HELL

In großer Sorge gibt ein verzweifeltes Elternpaar ihren Jungen in die Obhut einer Frau, die das geschwächte Kind mit vereinten Heilkräften von einem teuflischen Fluch zu befreien versucht. Ehe sie die Mächte des Guten beschwören kann, knallen Fenster und Türen auf, zieht ein fürchterlicher Sturm durch die alte Villa – und krallen sich urplötzlich die Hände des Teufels das hilflose Kind, um es vor den entsetzten Augen der Eltern in den Höllenschlund zu zerren. "Drag Me To Hell" steht dort geschrieben, als Christopher Youngs dämonische Choräle in ohrenbetäubender Lautstärke ertönen.
 
Es ist eine schlicht grandiose Pre-Title-Sequenz, die da den Auftakt für Sam Raimis glorreiche Rückkehr zum traditionellen Geisterbahnhorrorfilm bildet. In diesen ersten Minuten bereits stellt der "Spider-Man"-Regisseur sein Handwerk demonstrativ aus: Es ist ein Bekenntnis zum Genrekino des visuellen Ideenreichtums und der lautstarken Schockeffekte, die nach dem nostalgischen Universal-Logo ohne Umschweife über den Zuschauer hereinbrechen. "Drag Me To Hell" darf als verspielte, rückbesinnliche Nummernrevue verstanden werden, in der sich Raimi mit größtmöglicher Freude durch seine "Evil Dead"-Trilogie hindurchzitiert.

Man ahnt nach der spektakulären Exposition, was auf die bezaubernde Christine Brown (Alison Lohman) zukommen mag, als die Bankangestellte eines Tages den Unmut einer alten schrulligen Zigeunerdame heraufbeschwört, der sie aus berufstaktischen Gründen ein Darlehen verweigert. Die greise Frau belegt Christine mit einem folgenschweren Fluch: Ein Dämon wird sie drei Tage lang heimsuchen, ehe sich die Pforten zur Hölle öffnen und die junge Frau verschlingen werden. Rosige Aussichten.

Als sich die ersten übernatürlichen Zeichen ankündigen, sucht Christine Rat bei dem Hellseher Rham Jas (Dileep Rao), der ihr allerdings ebenso wenig einen Weg aus der Verdammnis aufzeigen kann wie ihr hilfloser Freund Clay (Justin Long). Unglücklicherweise verstarb die alte Zigeunerin zu alledem kurz nach Ausspruch des Fluchs, sodass Christine nur eine moralisch problematische Möglichkeit bleibt, um den Händen des Teufels zu entkommen: Den Fluch an einen unschuldigen Menschen weiterzugeben.

Raimi fährt ein illustres Sammelsurium an Horrorklischees auf, um die gute Christine über die gesamte Laufzeit anständig zu matern: Klirrende Fenster und knirschende Türen, Geisterseancen mit Ziegenböcken und schließlich gar ausgehobene Gräber im besten Poeschen Sinne. Selten wurden klassische Gruselstimmungsbilder so liebevoll entworfen und in Folge ausschlachtend inszeniert wie in dieser munteren Fingerübung.

Doch der tiefe Griff in die Effektmottenkiste dient bei allem Vorführcharakter nie dem bloßen Abspulen gängiger Genrereferenzen, sondern verbindet sich zum einen mit einer schlüssigen, wenn auch arg simplen Gothic-Horror- Geschichte, und ist zudem deutlich als Geschenk des Regisseurs an seine langjährigen Fans zu verstehen. Nach seinen Ausflügen in die Blockbuster-A-Liga Hollywoods bedeutet "Drag Me To Hell" für Raimi schließlich die Rückkehr zum Affektkino, das einen Regieeinfall nach dem anderen aufbietet.

Der Film ist dabei ästhetisch stark an die knalligfarbene Comicsprache der drei "Evil Dead"-Abenteuer angelehnt, die er mit herumfliegenden Augäpfeln und kryptische Verse stammelnden Dämonen auch überdeutlich bemüht. Die vielen Selbstzitate werden hingegen stets mit neuen, originellen und beeindruckend inszenierten Horrorsequenzen kombiniert, in denen Raimi seine technische Vorliebe für gesenkte Kameraeinstellungen, raffinierte Schnitte und zahlreiche schleimig-eklige Spezialeffekte voll ausspielen darf.

Insbesondere bei der Verknüpfung effektvoller Gruselbilder mit einem schrillen und teils dissonanten Score von Christopher Young – dessen ewige Bezüge zu seiner eigenen stilbildenden "Hellraiser"-Musik selten passender erschienen – erweist sich Raimi als brillanter Vermittler wirkungsvoller Genrezutaten. Er hat es dabei wie schon in seinem "Tanz der Teufel" verstanden, dass dem Slapstick der Horror-Comedy zu allererst einmal auch wirklicher Horror vorangestellt werden muss. So ist der fast expressionistische Einsatz des Teufelschattens, der Christine in ihrem Haus heimsucht, in der Tat ebenso unheimlich wie gleichzeitig absurd-komisch.

Es wirkt nun selbstredend so, als hätte Raimi sich dringend einmal von seinen gigantischen Prestige-Produktionen der letzten Jahre emanzipieren müssen, um wieder ein Stück der flexiblen Inszenierungslust seiner früheren Filme zurück zu gewinnen. Mit knalligem Retro-Horror wie "Drag Me To Hell" hat der Regisseur gewiss seine Wurzeln wieder gefunden, darf sich nach diesem Quasi-Initiationsritual aber nichtsdestotrotz dennoch guten Gewissens an die Vorbereitungen für "Spider-Man 4" machen. Und dann auch gern mit einem Cameo von Bruce Campbell, den Raimi uns hier seltsamerweise schuldig bleibt.


75% - erschienen bei: gamona

Juni 24, 2007

Kino: DIE HARD 4.0

Länger gab es nichts zu hören vom muffigen Cop McClane, der sich als Filmheld und künftiger Stereotyp des modernen Actionkinos in "Die Hard" gegen eine Bande deutscher Terroristen behaupten musste – im Alleingang, barfuss und immer mit einem markigen One-Liner auf den Lippen. Unzählige Plagiate und eine offizielle Fortsetzung später schlüpfte Bruce Willis 1995 noch einmal in jene Rolle, die ihm sieben Jahre zuvor zu internationalem Ruhm verhalf. Trotzdem ihm dabei der Regisseur des Originals, John McTiernan, beistand, krankte "Die Hard with a Vengeance" am Umstand, die eigentlichen Qualitäten der Serie fast gänzlich zu ignorieren und stattdessen auf herkömmliche Buddyfilm-Muster zu setzen (bezeichnen- derweise war das ursprünglich mit "Simon Says" betitelte Drehbuch für "Lethal Weapon 4" vorgesehen). Das lief einerseits dem Prinzip der beiden Vorgänger zuwider, in denen McClane als mürrischer und dennoch optimistisch Selbstgespräche führender Anti-Held Terroristen auf sich allein gestellt begegnete, und lenkte außerdem den Fokus zu stark auf die vielfältigen Handlungsorte denn seine eigentliche Hauptfigur.

Ganz ähnlich verhält es sich auch mit dieser nunmehr dritten und etwas unverhofft daherkommenden Fortsetzung, die in Anlehnung an ihren sich mit virtuellem Terrorismus auseinandersetzenden Inhalt originell mit "Die Hard 4.0" betitelt wurde. Zumindest ist Willis nicht der einzige, der am Retro-Hype einstiger Actionikonen mitwerkelt; Stallone und sein Alter Ego Rocky haben es vorgemacht, während auch Rambo und Indiana Jones schon auf ihren vierten Einsatz warten. Was aber nun die künstlerische Notwendigkeit eines weiteren McClane-Abenteuers legitimiert, bleibt ein wenig rätselhaft, denn so altmodisch und leider auch konventionell wie er daherkommt, drängt sich unweigerlich die Frage auf, warum man dafür jetzt 12 lange Jahre hat warten müssen. Oder anders: Wenn Rocky Balboa es sich noch einmal beweisen, abschließen und all dem ein Ende setzen wollte, welch grundsätzliche Intention veranlasst dann John McClane noch einmal dazu, sich mit ungezogenen Bubis herumschlagen zu müssen, die nun auch noch via Internet ihr Unwesen treiben – was dem eher ‚analogen’ Faustsprecher erst recht nicht in den Kram passt?

Ein wenig durchzieht dieser Gedanke den kompletten Film, der irgendwo da weitermacht, wo sein direkter Vorgänger aufgehört hat. Das schließt mit ein, dass auch Len Wiseman ("Underworld") bzw. die Autoren offenbar nicht mehr gänzlich auf die Zugkraft des (nicht abgehalfterten, aber eben doch etwas welkeren) Willis zu vertrauen scheinen und ihm – ähnlich wie im Falle Samuel L. Jackson – einen Partner zur Seite stellen. Das garantiert zwar peppige Dialoge, den (scheinbar) nötigen Humor und eine gewisse Eigendynamik und innere Spannung in eher auf die Handlung orientierten Szenen, doch insbesondere da es sich in diesem Fall um einen Teenager handelt und man mit dieser Entscheidung viel zu offensichtlich nach der jungen Zielgruppe schielt – etwas, das auf das großartige 1988-Original keineswegs zutraf –, stört der Verlust des gänzlich unsouveränen, unberechenbaren und allein agierenden McClanes ähnlich wie auch schon im dritten Film der Reihe doch erheblich. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass hier erstmals und mitunter störend auf jugendfreie Gewalt und saubere Sprache gesetzt wird.

Allein schon deshalb erreicht auch "Die Hard 4.0" wie bereits die anderen Sequels bei weitem nicht die Originalität, Gewagtheit und Konsequenz seines Originals. Und das obwohl oder gerade weil er mit einigen der spektakulärsten und phänomenal in Szene gesetzten (CGI-)Action- und Stuntsequenzen seit langem aufwarten kann. Denn einer der wesentlichen Gründe, warum "Die Hard" heute den Ruf eines Klassikers genießt oder zumindest zu einem Prototyp des Genres heranwuchs, war der Umgang mit Action. Da können im neuen Film noch so viele Autos in der Luft herumwirbeln oder gar Düsenjets gegen Trucks antreten – im Vergleich zum einst explodierenden Dachkomplex des Hochhauses im ersten Teil ist die Halbwertszeit dieser Szenen eher gering, einfach weil ihre dramaturgische Einbindung viel zu ungeschickt und sinnlos erscheint. Das ist zwar mittlerweile ein grundsätzliches Problem im Actionfilm (und Mitschuld daran trägt insbesondere Michael Bay), doch die Maßstäbe müssen diesbezüglich zumindest noch im Falle von "Die Hard" hoch angesetzt werden, immerhin hat McTiernan seinerzeit bewiesen, wie eine stringente, in sich logische Erzählebene mit spektakulärer Action kombiniert werden kann, ohne dem Selbstzweck zu verfallen.
Letztlich enttäuscht sogar das visuelle Konzept: Fühlte es sich bereits im Vorgänger ein wenig komisch an, die weihnachtlichen Schneesets gegen frühjährliche New York-Bilder eintauschen zu müssen, so gefällt der zwischen kühlen Blau- und abendsonnigen Gelb-Filtern wechselnde Look nur bedingt, kann streckenweise allerdings durch die spielerische und äußerst bewegliche Kameraarbeit wettgemacht werden. Dass Wiseman hier ohnehin keinen grundsätzlich schlechten Job macht, sollte klar gestellt werden. "Die Hard 4.0" ist an seiner Oberfläche spannend, straff inszeniert und auch recht launig, aber das reicht eben nicht aus. Wo McClane draufsteht, sollte auch McClane drin sein – andernfalls hätte man das ganze angesichts Willis’ eifriger Eigenvariationen in den Jahren zwischen und nach "Die Hard" auch gleich mit "Mercury Rising Part II" oder "Another Hostage" betiteln können.


50%