Gesichter, die sich auf bizarre Weise verformen. Arme, die zu riesigen um sich her schlagenden Tentakeln mutieren. Bäuche, die unvermittelt aufreißen und platzen. Schleimige Metamorphosen, groteske Auswucherungen, das Innere nach außen gezwängt – wenn menschliche Körper bis zur Unkenntlichkeit entstellt und biologische Wahrscheinlichkeiten außer Kraft gesetzt scheinen, dann hat die Leinwand eines ihrer grauenhaftesten Monster zurück: Das Ding aus einer anderen Welt.
1951, 1982, 2011 – geradezu zyklisch wird es stets aufs Neue kinotauglich adaptiert, das von John W. Campbell Jr. in der Kurzgeschichte "Who goes there?" beschriebene Wesen. Die erste, von Howard Hawks produzierte und teilgedrehte, Filmfassung interpretierte den Formwandler noch als radioaktives Zwei-Meter-Ungestüm, das wie die meisten Science-Fiction-Filme der 50er Jahre zeitgenössische Ängste kanalisierte, mit der Vorlage jedoch kaum mehr etwas gemein hatte.
Hawks-Schüler John Carpenter entfernte sich 30 Jahre später in seiner Neuverfilmung des Stoffes von den ulkigen Figuren der ersten Kinoadaption und ersetzte das tapsige Gemüsemonster vorlagentreu durch eine höchst bedrohliche Gestalt, die Menschen wie Tiere assimilieren und sich beliebig verwandeln konnte. Die hiermit entfachten Spannungen zwischen den Arbeitern einer antarktischen Eisstation führten zu Misstrauen und Paranoia, ein jeder konnte bereits vom Alien vereinnahmt worden sein.
Durch seine Schwerpunktverlagerung und der sowohl den effektiven Horror der Kurzgeschichte, als auch eine ausweglose Atmosphäre heraufbeschwörenden Inszenierung adaptierte Carpenter den Stoff zu einem verstörenden Genremeisterwerk, das heute zu den besten Horrorfilmen der 80er zählt. Kaum verwunderlich also, dass die neue und mittlerweile dritte Fassung von "The Thing" sich weniger an der Vorlage und deren erster Interpretation orientieren, als vielmehr eine Vorgeschichte zum Carpenter erzählen möchte – inklusiver konkreter Anknüpfungspunkte.
Wir erinnern uns: Zu Beginn des vorherigen Films werden Kurt Russell und Co. von den Überlebenden einer nahe gelegenen norwegischen Station überrascht, bevor sich das Monstrum in Form eines Schlittenhundes bei ihnen einnistet. Jetzt erzählt Debütregisseur Matthijs van Heijningen Jr., wie jene Norweger kurz zuvor auf das Ufo und dessen Piloten stießen, um schließlich sukzessive infiziert und dezimiert zu werden. Lediglich eine US-Wissenschaftlerin (Mary Elizabeth Winstead) nimmt es mit der Bedrohung auf, doch dass ihr das letztlich nicht gelingen kann, weiß man natürlich schon von vornherein.
Mit ihr erweitert der Film den Stoff um eine weibliche Perspektive, wie sie in der 51er-Version nur ganz am Rande und bei Carpenter überhaupt nicht vorkam. Dass hier allerdings eine Frau den Testosteronladen vor seinem Untergang zu bewahren versucht, bleibt erzählerisch vollkommen ungenutzt. Stattdessen muss sich die Winstead-Figur damit begnügen, als Ellen-Ripley-Zitat auf zwei Beinen an Sigourney Weaver zu gemahnen, während Marco Beltrami auf der Tonspur fleißig die berühmten "Alien(s)"-Motive über seinen Score klatscht.
Das aber ist gar nicht das Problem mit diesem neuen "The Thing"-Ding. Dass Problem ist vielmehr, dass kein Mensch diesen überflüssigen Ergänzungsversuch eines bereits makellosen Films gebraucht hat. Wer möchte ausbuchstabiert wissen, was man sich im Carpenter noch auf schaurige Weise zusammenreimen musste. Was dort beklemmend angedeutet wurde, wenn wir die verschneiten Reste der norwegischen Eisstation zu Gesicht bekommen, oder in das Antlitz zweier auf unerklärliche Weise verschmolzener Gesichter blicken müssen. In Carpenters Film begannen die Schrecken einst unvermittelt, nun werden sie akkurat ausgewalzt.
Und weil die Neuauflage auch keine Gelegenheit auslassen kann, konkrete Verbindungen zur 82er-Version zu schaffen (ja, schließlich sogar deren erste Einstellungen in den Abspann übernimmt), stellt sie sich gezielt dem Vergleich mit Carpenters Version. Dass es ihr dabei zu keiner Zeit gelingt, an die atmosphärische Dichte, erlesene Kameraarbeit oder konzentrierte Handlung des Vorbildes anzuknüpfen, ebenso wie die austauschbaren CGI-Splattereinlagen nicht annähernd den Eindruck der überragenden Make-Up-Effekte Rob Bottins hinterlassen, dürfte da eigentlich kaum jemanden wirklich überraschen.
In ihrem Versuch, sich als aufgehübschtes Ergänzungsstück zur vorherigen Adaption der Kurzgeschichte zu behaupten, versagt die jetzige Neufassung von "The Thing" bereits konzeptionell. Statt eine wirkliche Vorgeschichte zu erzählen, ungeachtet des Bedarfs einer solchen, begnügt sich der Film im Wesentlichen mit ausgeschmückten Plot-Details, die rudimentär allesamt schon in Carpenters Version angelegt sind. Wenn dann sogar noch ganze Momente der "Fortsetzung" nachgespielt und somit vorweggenommen werden (der Bluttest, hier zum Zahnersatztest ummodelliert), verabschiedet sich der Film grandios von seiner eigenen Sinnhaftigkeit und mutiert unweigerlich zum schnöden Premake (Prequel + Remake).
30% - erschienen bei: gamona