Es begann einmal mit einer kleinen Tischleuchte – und nun sind auch schon wieder 15 Jahre vergangen, seit die Pixar Studios mit "Toy Story" den ersten vollständig computer- animierten Langspielfilm in die Kinos manövrierten, um damit die große Wende des Animationsfilms einzuläuten. Die eigenwilligen Abenteuer einer Gruppe lebendiger Spielzeuge führten die enorme Erfolgsgeschichte jenes Unternehmens an, das den Trickfilm ins digitale Zeitalter konvertierte. Jede weitere Pixar-Produktion betrat fortan Neuland, immer wieder erfand sich das Studio ästhetisch neu, verschob seine Erzählperspektiven oder brach mit Genrekonventionen.
"Toy Story" erzählte die originäre Geschichte der Plastikfiguren Woody und Buzz Lightyear, die wie alle unbeaufsichtigten Spielzeuge in den Kinderzimmern dieser Welt ein geheimes Eigenleben führen. Sie erleben Abenteuer, Zwistigkeiten und echte Gefahren, weil der Film sie als lebendige Charaktere mit Herz und Seele verstand. Ein nahezu dadaistisches Konzept, das die Fortsetzung des Debüterfolges vier Jahre später noch vertiefte, indem es die abenteuerlichen Erlebnisse seiner Spielzeugprotagonisten zu einem letztlich höchst tiefsinnigen Film über Identität, Verlust und Endlichkeit chiffrierte. "Toy Story 2" war so etwas wie der ultimative Kinderfilm für ein erwachsenes Publikum.
Als die Animationsschmiede 2006 vom Vertriebspartner Disney aufgekauft wurde, galt es angesichts zahlreicher Personalverschiebungen zu befürchten, dass Pixar mit der Ankündigung weiterer Sequels ihrer großen Kinohits zu einem Baukastenverein ähnlich des Konkurrenten DreamWorks verkommen würde. "Toy Story 2" bildete schließlich die glorreiche Ausnahme im Œuvre des Studios, dessen kreativer Kopf John Lasseter Fortsetzungen vom Fließband zugunsten neuer Geschichten stets ausgeschlossen hatte. Der angekündigte dritte Film um die lieb gewonnene Spielzeugbande musste nach dem Relaunch also unweigerlich auch als Generalprobe verstanden werden.
"Toy Story 3" weist jedoch alle Befürchtungen in ihre Schranken. Es ist der erste Film nach den vielen konzeptionellen und wirtschaftlichen Veränderungen des Studios, und er lässt vermuten (wie hoffen), dass der neue Kurs keine negativen künstlerischen Auswirkungen auf die Produktion der Pixar-Filme nimmt. Im Gegenteil: Nach "Up", dem rührigen, aber überfrachtet und sentimentalisiert erzähltem letzten Pixar-Film, ist das neue Abenteuer aus der Spielzeugkiste eine wahre Berufung auf alte Stärken. "Toy Story 3" überrascht durch seinen Ideenreichtum, perfektes Timing und grandiose Dialoge – ein unerwartet wunderschöner Abschluss der Trilogie.
Die Helden des Films stehen nun vor einem existenzialistischen Wendepunkt: Der kleine Andy aus den Vorgängern ist mittlerweile zu einem Teenager gereift, der das Elternhaus verlassen und seine einstigen Spielzeuge aussortieren muss. Für Cowboys, Space Rangers oder Dinosaurier aus Plastik findet sich auf dem College keinen Platz mehr, und so landen die Figuren durch ein Versehen statt auf dem häuslichen Dachboden in einer Kindertagesstätte. Was zunächst wie das Paradies auf Erden für jedes Spielzeug scheint, erweist sich für unsere Heldentruppe schließlich als größte Bewährungsprobe ihres Plastikdaseins.
Denn wenn in Sunnyside die Lichter ausgehen, übernehmen der despotische Teddybär Lotso und seine Gefolgschaft die Herrschaft über den Kindergarten. Und das bedeutet für Woody, Buzz, Barbie und Co. nichts weniger als ein Leben in Gefangenschaft. Erstaunlicherweise nimmt "Toy Story 3" hier mit seiner düsteren Geschichte die Gestalt eines Prisoner-of-war-Filmes im Reich der Spielzeuge an – samt jeglicher genretypischer Elemente, deren Exploitation-Kontext eine faszinierend bizarre Verbindung mit kindgerechten Sujets eingeht.
Lee Unkrich, der zuvor als Cutter und Co-Regisseur bei den Vorgängern arbeitete, bewegt sich gekonnt auf einem schmalen Grat: Sein Film ist mal sentimental, wenn es um Abschied und das Erwachsenwerden geht, und mal bitterböse und grimmig, wenn er entsprechende Metaphern für diese Themen in Bilder umsetzt. Ohne das junge Zielpublikum zu verprellen ist "Toy Story" mit seinen Fortsetzungen ähnlich erwachsener geworden wie sein übergeordneter Protagonist Andy, in dessen Kinderzimmer die Abenteuer der Rasselbande ihren Lauf nahmen.
Folgerichtig blicken Woody und seine Gefährten hier schließlich gar dem Tod ins Auge, weil ihre Zeit als sinnvolles Spielzeug irgendwann einmal abgelaufen scheint. Und damit erweist sich Pixar abermals als Meister der Transzendenz: Eine mitreißende Geschichte aus der Perspektive von Spielfiguren erzählen und letztlich sogar Emotionen für reines Plastik hervorrufen zu können, das gelingt den wenigsten Animationsfilmen. Und es repräsentiert, genau genommen, die Quintessenz der abstrakten Möglichkeiten eines Trickfilms.
Handwerklich bewegt sich Pixar auf gewohnt hohem Eigenniveau: Die formalen Animationsfertigkeiten steigern sich für gewöhnlich von Film zu Film, aber insbesondere im Vergleich zu den 1995 und 1999 produzierten Vorgängern erstrahlen die Spielzeugfiguren in "Toy Story 3" selbstredend in einem völlig neuen Glanz: Unendlich detailreiche Texturen, eine durch und durch unkonventionelle Lichtsetzung und absolut flüssige Animation bestimmen den visuellen Stil des Films, der auf dreidimensionale Gimmicks gänzlich verzichtet und deshalb getrost in klassischem 2D bestaunt werden darf.
75% - erschienen bei: gamona
"Toy Story" erzählte die originäre Geschichte der Plastikfiguren Woody und Buzz Lightyear, die wie alle unbeaufsichtigten Spielzeuge in den Kinderzimmern dieser Welt ein geheimes Eigenleben führen. Sie erleben Abenteuer, Zwistigkeiten und echte Gefahren, weil der Film sie als lebendige Charaktere mit Herz und Seele verstand. Ein nahezu dadaistisches Konzept, das die Fortsetzung des Debüterfolges vier Jahre später noch vertiefte, indem es die abenteuerlichen Erlebnisse seiner Spielzeugprotagonisten zu einem letztlich höchst tiefsinnigen Film über Identität, Verlust und Endlichkeit chiffrierte. "Toy Story 2" war so etwas wie der ultimative Kinderfilm für ein erwachsenes Publikum.
Als die Animationsschmiede 2006 vom Vertriebspartner Disney aufgekauft wurde, galt es angesichts zahlreicher Personalverschiebungen zu befürchten, dass Pixar mit der Ankündigung weiterer Sequels ihrer großen Kinohits zu einem Baukastenverein ähnlich des Konkurrenten DreamWorks verkommen würde. "Toy Story 2" bildete schließlich die glorreiche Ausnahme im Œuvre des Studios, dessen kreativer Kopf John Lasseter Fortsetzungen vom Fließband zugunsten neuer Geschichten stets ausgeschlossen hatte. Der angekündigte dritte Film um die lieb gewonnene Spielzeugbande musste nach dem Relaunch also unweigerlich auch als Generalprobe verstanden werden.
"Toy Story 3" weist jedoch alle Befürchtungen in ihre Schranken. Es ist der erste Film nach den vielen konzeptionellen und wirtschaftlichen Veränderungen des Studios, und er lässt vermuten (wie hoffen), dass der neue Kurs keine negativen künstlerischen Auswirkungen auf die Produktion der Pixar-Filme nimmt. Im Gegenteil: Nach "Up", dem rührigen, aber überfrachtet und sentimentalisiert erzähltem letzten Pixar-Film, ist das neue Abenteuer aus der Spielzeugkiste eine wahre Berufung auf alte Stärken. "Toy Story 3" überrascht durch seinen Ideenreichtum, perfektes Timing und grandiose Dialoge – ein unerwartet wunderschöner Abschluss der Trilogie.
Die Helden des Films stehen nun vor einem existenzialistischen Wendepunkt: Der kleine Andy aus den Vorgängern ist mittlerweile zu einem Teenager gereift, der das Elternhaus verlassen und seine einstigen Spielzeuge aussortieren muss. Für Cowboys, Space Rangers oder Dinosaurier aus Plastik findet sich auf dem College keinen Platz mehr, und so landen die Figuren durch ein Versehen statt auf dem häuslichen Dachboden in einer Kindertagesstätte. Was zunächst wie das Paradies auf Erden für jedes Spielzeug scheint, erweist sich für unsere Heldentruppe schließlich als größte Bewährungsprobe ihres Plastikdaseins.
Denn wenn in Sunnyside die Lichter ausgehen, übernehmen der despotische Teddybär Lotso und seine Gefolgschaft die Herrschaft über den Kindergarten. Und das bedeutet für Woody, Buzz, Barbie und Co. nichts weniger als ein Leben in Gefangenschaft. Erstaunlicherweise nimmt "Toy Story 3" hier mit seiner düsteren Geschichte die Gestalt eines Prisoner-of-war-Filmes im Reich der Spielzeuge an – samt jeglicher genretypischer Elemente, deren Exploitation-Kontext eine faszinierend bizarre Verbindung mit kindgerechten Sujets eingeht.
Lee Unkrich, der zuvor als Cutter und Co-Regisseur bei den Vorgängern arbeitete, bewegt sich gekonnt auf einem schmalen Grat: Sein Film ist mal sentimental, wenn es um Abschied und das Erwachsenwerden geht, und mal bitterböse und grimmig, wenn er entsprechende Metaphern für diese Themen in Bilder umsetzt. Ohne das junge Zielpublikum zu verprellen ist "Toy Story" mit seinen Fortsetzungen ähnlich erwachsener geworden wie sein übergeordneter Protagonist Andy, in dessen Kinderzimmer die Abenteuer der Rasselbande ihren Lauf nahmen.
Folgerichtig blicken Woody und seine Gefährten hier schließlich gar dem Tod ins Auge, weil ihre Zeit als sinnvolles Spielzeug irgendwann einmal abgelaufen scheint. Und damit erweist sich Pixar abermals als Meister der Transzendenz: Eine mitreißende Geschichte aus der Perspektive von Spielfiguren erzählen und letztlich sogar Emotionen für reines Plastik hervorrufen zu können, das gelingt den wenigsten Animationsfilmen. Und es repräsentiert, genau genommen, die Quintessenz der abstrakten Möglichkeiten eines Trickfilms.
Handwerklich bewegt sich Pixar auf gewohnt hohem Eigenniveau: Die formalen Animationsfertigkeiten steigern sich für gewöhnlich von Film zu Film, aber insbesondere im Vergleich zu den 1995 und 1999 produzierten Vorgängern erstrahlen die Spielzeugfiguren in "Toy Story 3" selbstredend in einem völlig neuen Glanz: Unendlich detailreiche Texturen, eine durch und durch unkonventionelle Lichtsetzung und absolut flüssige Animation bestimmen den visuellen Stil des Films, der auf dreidimensionale Gimmicks gänzlich verzichtet und deshalb getrost in klassischem 2D bestaunt werden darf.
75% - erschienen bei: gamona