Wie ein treudoofer Taugenichts mit Welpenblick stampft Michael Oher (Quinton Aaron) durch die Eingangspforten seiner neuen Schule, die Kinder bürgerlicher amerikanischer Christen zu vorbildhaften Gesellschaftern heranzieht. Sie werden erfolgreich sein im Leben, weil sie Geld haben. Da muss sich Michael, verniedlicht Big Mike genannt (weil er so groß und putzig und auch etwas doof ausschaut), natürlich wie ein Außenseiter fühlen, er kommt aus mittellosen Verhältnissen und er ist, im Gegensatz zu allen anderen, auch noch schwarz. Das ist hier, im Selbstverständnis des Films, ein natürlicher Nachteil, der ausgeglichen gehört. Und so kommt Michael das Schicksal in Gestalt einer weißen Frau zu Hilfe, als er eines Nachts im Regen den Highway entlang torkelt: Leigh Anne Tuohy (Sandra Bullock), glückliche Ehefrau und Mutter zweier Kinder, nimmt den hilflosen Tunichtgut selbstlos zu sich. In ihrer großen Villa richtet sie ihm die Couch her und lässt ihn bei sich und ihrer Familie wohnen. Es ist ein Akt der Nächstenliebe. Lediglich an gewisse Bedingungen geknüpft.
Michael ist von nun an das neue Haustier der Tuohys. In ihrer sorglosen Welt fremdelt er zunächst, aber die Familienmitglieder, allen voran der kleine Sohn, wissen ihn zu halten und abzurichten. Er darf beim kollektiven SuperBowl-Familienabend mitschauen, den jüngsten Spross mit Spiel, Spaß und Laune unterhalten, und er bekommt sogar ein Stück vom Thanksgiving-Braten ab. Das alles nimmt Michael stillschweigend hin, weil er eh nichts zu melden hat als jemand, der aus dem Ghetto kommt und keine Bildung genossen hat. Aber der Teenager wird erst noch erfahren müssen, was Demütigung bedeutet, als Leigh Anne in ihm das Potential eines echten Vorzeigehündchens entdeckt. Michael nämlich ist groß und schwer und massiv gebaut, also ein idealer Footballspieler. Deshalb wird er fortan zum Training geschickt und gezielt zum Sportstar ausgebildet, ehe sich die Vereine des Landes um ihn reißen und Mutter Tuohy sich auf die Schulter klopfen darf.
"The Blind Side" formt mit seiner rührig-süß erzählten Geschichte (natürlich: auf wahren Begebenheiten) die ältesten, klassischsten, urzeitlichsten aller nur denkbaren Rassenklischees zu einem modernen neoliberalen Märchen. Der Film gibt sich gönnerhaft und weltlich in seinem aufgeklärten Humanismus, den er von seiner beispielhaften Idee des wahren American Dream ableitet, in dem mithilfe Klassen- und Rassenübergreifender Chancen – wie sie der Footballsport beispielsweise ermöglicht – alle ethnischen Grenzen überwunden werden können. Arm und reich, schwarz und weiß kommen hier unter republikanischem Dach zusammen, um sich zu vereinen und ein Loblied auf die Gleichberechtigung einzustimmen. Dass der Film nie, zu keiner Zeit, keine einzige Sekunde lang nicht einmal ansatzweise eine Begegnung auf Augenhöhe zulässt, verrät seine scheinliberale Menschlichkeit schnell als reine Behauptung.
Tatsächlich schwelgt "The Blind Side" von vorn bis hinten in der reaktionären Vorstellung, ein Schwarzer sei immer auch ein Abweichler, dem der richtige Weg erst noch gezeigt werden müsse. Es ist die uralte Idee von der Disziplinierung des ungebändigten schwarzen Wilden, die der Film in modisch gehüllte, aber zutiefst konservative Bilder drückt. Hier nun zur gutmütigen weißen Frau variiert, die ihrem Schützling bürgerliche Ideale anerziehen und sich anschließend auf ihre gute Tat einen runterholen darf. Es geht ausschließlich um ihre ekelhafte Profilierung, die der Film auch noch selbstgefällig als Geste der Nächstenliebe verkaufen möchte. Im Blick hat die Geschichte lediglich die weibliche Hauptrolle, die als Verkörperung des neuen republikanischen Rollenverständnisses schlagfertige Karrierelady, treue Ehefrau und sorgsame Mutter in einem sein darf (und selbstverständlich rettende Hundemama). Nie aber vermittelt der Film, was der zum Objekt degradierte Michael wirklich denkt oder fühlt, seine Sicht interessiert offenbar ebenso wenig wie seine Hintergrundgeschichte, die nebulös bleibt. Vermutlich erwartet der Film, dass die Zuschauer sich diese – in ähnlich rassistischen Denkmustern – aus der Ghettoherkunft der Figur herleiten.
Dorthin entführt "The Blind Side" das Publikum im Übrigen nur ganz kurz, weil der Film Unbequemlichkeiten freilich meidet. Stattdessen nutzt er die Gelegenheit, um andere schwarze Figuren – also abgesehen von Michael, dem stummen Familienexperiment – entweder als Gangster oder Junkies zu charakterisieren, denen Sandra Bullock dann auch noch kräftig die Meinung geigt, während sie "ihren" Big Mike verteidigt: "If you so much as set foot downtown you will be sorry. I'm in a prayer group with the D.A., I'm a member of the NRA and I'm always packing.". Das alles ist eigentlich zu schlimm, um es zu glauben. Und man könnte diesen fürchterlichen Mist auch getrost ignorieren, hätte er in den USA nicht als erfolgreichster Film mit einer weiblichen Hauptdarstellerin auch noch einen Rekord aufgestellt. Das nun ist wirklich traurig und wirklich bezeichnend. Aber Frau Bullock erhielt für ihre Darstellung als menschliche Viehtreiberin ja sogar einen Oscar und Standing Ovations von der versammelten Hollywoodbagage – was kann einen da noch verwundern. Während amerikanische Zuschauer bei diesem Film ihr Gewissen polieren, verlässt man andernorts nur beschämt den Kinosaal.
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Michael ist von nun an das neue Haustier der Tuohys. In ihrer sorglosen Welt fremdelt er zunächst, aber die Familienmitglieder, allen voran der kleine Sohn, wissen ihn zu halten und abzurichten. Er darf beim kollektiven SuperBowl-Familienabend mitschauen, den jüngsten Spross mit Spiel, Spaß und Laune unterhalten, und er bekommt sogar ein Stück vom Thanksgiving-Braten ab. Das alles nimmt Michael stillschweigend hin, weil er eh nichts zu melden hat als jemand, der aus dem Ghetto kommt und keine Bildung genossen hat. Aber der Teenager wird erst noch erfahren müssen, was Demütigung bedeutet, als Leigh Anne in ihm das Potential eines echten Vorzeigehündchens entdeckt. Michael nämlich ist groß und schwer und massiv gebaut, also ein idealer Footballspieler. Deshalb wird er fortan zum Training geschickt und gezielt zum Sportstar ausgebildet, ehe sich die Vereine des Landes um ihn reißen und Mutter Tuohy sich auf die Schulter klopfen darf.
"The Blind Side" formt mit seiner rührig-süß erzählten Geschichte (natürlich: auf wahren Begebenheiten) die ältesten, klassischsten, urzeitlichsten aller nur denkbaren Rassenklischees zu einem modernen neoliberalen Märchen. Der Film gibt sich gönnerhaft und weltlich in seinem aufgeklärten Humanismus, den er von seiner beispielhaften Idee des wahren American Dream ableitet, in dem mithilfe Klassen- und Rassenübergreifender Chancen – wie sie der Footballsport beispielsweise ermöglicht – alle ethnischen Grenzen überwunden werden können. Arm und reich, schwarz und weiß kommen hier unter republikanischem Dach zusammen, um sich zu vereinen und ein Loblied auf die Gleichberechtigung einzustimmen. Dass der Film nie, zu keiner Zeit, keine einzige Sekunde lang nicht einmal ansatzweise eine Begegnung auf Augenhöhe zulässt, verrät seine scheinliberale Menschlichkeit schnell als reine Behauptung.
Tatsächlich schwelgt "The Blind Side" von vorn bis hinten in der reaktionären Vorstellung, ein Schwarzer sei immer auch ein Abweichler, dem der richtige Weg erst noch gezeigt werden müsse. Es ist die uralte Idee von der Disziplinierung des ungebändigten schwarzen Wilden, die der Film in modisch gehüllte, aber zutiefst konservative Bilder drückt. Hier nun zur gutmütigen weißen Frau variiert, die ihrem Schützling bürgerliche Ideale anerziehen und sich anschließend auf ihre gute Tat einen runterholen darf. Es geht ausschließlich um ihre ekelhafte Profilierung, die der Film auch noch selbstgefällig als Geste der Nächstenliebe verkaufen möchte. Im Blick hat die Geschichte lediglich die weibliche Hauptrolle, die als Verkörperung des neuen republikanischen Rollenverständnisses schlagfertige Karrierelady, treue Ehefrau und sorgsame Mutter in einem sein darf (und selbstverständlich rettende Hundemama). Nie aber vermittelt der Film, was der zum Objekt degradierte Michael wirklich denkt oder fühlt, seine Sicht interessiert offenbar ebenso wenig wie seine Hintergrundgeschichte, die nebulös bleibt. Vermutlich erwartet der Film, dass die Zuschauer sich diese – in ähnlich rassistischen Denkmustern – aus der Ghettoherkunft der Figur herleiten.
Dorthin entführt "The Blind Side" das Publikum im Übrigen nur ganz kurz, weil der Film Unbequemlichkeiten freilich meidet. Stattdessen nutzt er die Gelegenheit, um andere schwarze Figuren – also abgesehen von Michael, dem stummen Familienexperiment – entweder als Gangster oder Junkies zu charakterisieren, denen Sandra Bullock dann auch noch kräftig die Meinung geigt, während sie "ihren" Big Mike verteidigt: "If you so much as set foot downtown you will be sorry. I'm in a prayer group with the D.A., I'm a member of the NRA and I'm always packing.". Das alles ist eigentlich zu schlimm, um es zu glauben. Und man könnte diesen fürchterlichen Mist auch getrost ignorieren, hätte er in den USA nicht als erfolgreichster Film mit einer weiblichen Hauptdarstellerin auch noch einen Rekord aufgestellt. Das nun ist wirklich traurig und wirklich bezeichnend. Aber Frau Bullock erhielt für ihre Darstellung als menschliche Viehtreiberin ja sogar einen Oscar und Standing Ovations von der versammelten Hollywoodbagage – was kann einen da noch verwundern. Während amerikanische Zuschauer bei diesem Film ihr Gewissen polieren, verlässt man andernorts nur beschämt den Kinosaal.
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