Turbulente Bekanntschaften unter haarsträubenden Umstän- den gibt es in der Screwball-Comedy viele, mindestens so häufig wie die selbstbewusste Frau mit ihrer unscheinbaren Dominanz den Ton angibt. Getreu der Formel ist das in "The Lady Eve", dem dritten Film von Preston Sturges ("Sullivan’s Travels"), zunächst nicht unbedingt anders. Doch der Schein trügt.
„You're certainly a funny girl for anybody to meet who's just been up the Amazon for a year.” -
”Good thing you weren't up there two years.”
Jean Harrington (Barbara Stanwyck) ist eine charmante, aber gerissene Spielbetrügerin, die sich auf einer ihrer routinierten Reisen in den schüchternen, naiven Millionärsserben Charles Pike (Henry Fonda) verguckt. Der von einer Amazonasexpedition zurückkehrende Junggeselle braucht keinen zweiten Blick, um sich in die Falschspielerin zu verlieben, wenn diese schnell mehr in ihm sieht, als ein potentielles Opfer ihrer Gaunerfamilie. Doch als Pike hinter das Geheimnis der verführerischen Schönheit kommt, ist der Lebenstraum schnell zerplatzt – mit der Ankunft am Hafen von New York, nach der Hälfte des Films, ist die Liebesgeschichte schon wieder vorbei.
Selbst bis dahin erzählt Sturges den Film auffallend eigen, fehlen doch sowohl die rasanten Wortgefechte, als auch absurden Situationen, die ähnliche Komödien für gewöhnlich aufweisen. "The Lady Eve" täuscht den Zuschauer bewusst, anstelle der klassischen Genrezutaten setzt Sturges auf urbane Komik, Überraschungen und zahlreiche Stimmungsschwankungen. Mit seinen verwirrenden Wechseln zwischen Ernsthaftigkeit, alberner Unbeschwertheit und zutiefst authentischer Romantik fordert er ganz bewusst eine Form der Irritierung heraus, die wesentlicher Bestandteil seines satirischen Tons ist. Man weiß eben nie gänzlich, was nun wirklich ernst oder wiederum doch nur sarkastisch gemeint ist.
Tatsächlich treibt der Film dieses Spiel mit den Erwartungen auf die Spitze, als er einen gewagten Schritt vollzieht und die Geschichte in der Mitte enden lässt, um sie indirekt ein weiteres Mal zu erzählen. Dieser in seinem dramaturgischen Aufbau frühzeitig beendete Erzählstrang stößt den Zuschauer durchaus ein wenig vor den Kopf, muss aber gleichzeitig auch als brillant ersonnener, wahrlich origineller Einfall gewertet werden. Denn Sturges unterstreicht mit der zweiten Hälfte das eigentliche Sujet seines Films, in dem er viele aufgeworfene Fragen um Schein und Sein selbst beantwortet.
”You see Hopsi, you don't know very much about girls. The best ones aren't as good as you think they are and the bad ones aren't as bad. Not nearly as bad.“
Charles Pike, umwerfend vom jungen Henry Fonda ("Jezebel") verkörpert, erfährt mit der Enthüllung seiner Geliebten nicht nur deren wahre Identität, er verliert ironischerweise seinen Glauben an die Wahrheit selbst, wenn er im zweiten Teil der Geschichte nicht erkennen will, dass es sich bei Eve, der Frau auf dem Ballfest, um Jean handelt. Weil sie sich zu ähnlich sind, kann es sich nicht um ein und dieselbe handeln, das ist die einzig wahre Logik – und trotzdem stolpert Charles von einer Ecke in die nächste, der immer wiederkehrende und ausgiebig gedehnte Slapstick, den Sturges scheinbar stets unpassend einsetzt, der aber zwingend notwendig ist. In dieser zweiten Hälfte bekommt auch das Sinnbild der „falschen“ Schlange eine neue Bedeutung. Die schöne Eve ist getreu der Mythologie als Zeichen der Polarität Auslöser einer Selbsterkenntnis, die den hoffnungslosen Pike letztlich natürlich doch in ihre Arme führt.
Die Wiederholung als Stilmittel hat hier also den Charakter einer zweiten Chance, eines neuen Versuchs nach der Trennung. Bezeichnenderweise schrieb Sturges den Film kurz nach seiner eigenen Scheidung und erzählt die Geschichte trotzdem ohne Rührseligkeit (wie könnte er auch!), auch wenn der Ton spürbar bitter ist. Nur einmal mischt er sich bewusst ins Geschehen: Barbara Stanwyck ("Double Indemnity") schaut in ihren Schminkspiegel und beobachtet den hilflosen Pike, wie er die Avancen seines weiblichen Umfelds nicht begreift, nimmt also letztlich die Position und Sicht des kommentierenden Regisseurs ein.
"The Lady Eve" ist eine mutige, weil ganz und gar unkonventionelle "Comedy of Remarriage". Trotz seiner One-Liner und der betont physischen Komik lässt sich Sturges’ Film nicht ohne Weiteres in das Fach der Screwball-Komödien einordnen. Mit seinen großartigen Ideen, den bis in die kleinsten Nebenrollen fantastischen Schauspielern und der geschickten, gezielt das Unerwartete hervorrufenden Regie ist es vor allem ein ungewöhnlicher, letztendlich sogar optimistischer Film.
75% - erschienen in der filmzentrale
„You're certainly a funny girl for anybody to meet who's just been up the Amazon for a year.” -
”Good thing you weren't up there two years.”
Jean Harrington (Barbara Stanwyck) ist eine charmante, aber gerissene Spielbetrügerin, die sich auf einer ihrer routinierten Reisen in den schüchternen, naiven Millionärsserben Charles Pike (Henry Fonda) verguckt. Der von einer Amazonasexpedition zurückkehrende Junggeselle braucht keinen zweiten Blick, um sich in die Falschspielerin zu verlieben, wenn diese schnell mehr in ihm sieht, als ein potentielles Opfer ihrer Gaunerfamilie. Doch als Pike hinter das Geheimnis der verführerischen Schönheit kommt, ist der Lebenstraum schnell zerplatzt – mit der Ankunft am Hafen von New York, nach der Hälfte des Films, ist die Liebesgeschichte schon wieder vorbei.
Selbst bis dahin erzählt Sturges den Film auffallend eigen, fehlen doch sowohl die rasanten Wortgefechte, als auch absurden Situationen, die ähnliche Komödien für gewöhnlich aufweisen. "The Lady Eve" täuscht den Zuschauer bewusst, anstelle der klassischen Genrezutaten setzt Sturges auf urbane Komik, Überraschungen und zahlreiche Stimmungsschwankungen. Mit seinen verwirrenden Wechseln zwischen Ernsthaftigkeit, alberner Unbeschwertheit und zutiefst authentischer Romantik fordert er ganz bewusst eine Form der Irritierung heraus, die wesentlicher Bestandteil seines satirischen Tons ist. Man weiß eben nie gänzlich, was nun wirklich ernst oder wiederum doch nur sarkastisch gemeint ist.
Tatsächlich treibt der Film dieses Spiel mit den Erwartungen auf die Spitze, als er einen gewagten Schritt vollzieht und die Geschichte in der Mitte enden lässt, um sie indirekt ein weiteres Mal zu erzählen. Dieser in seinem dramaturgischen Aufbau frühzeitig beendete Erzählstrang stößt den Zuschauer durchaus ein wenig vor den Kopf, muss aber gleichzeitig auch als brillant ersonnener, wahrlich origineller Einfall gewertet werden. Denn Sturges unterstreicht mit der zweiten Hälfte das eigentliche Sujet seines Films, in dem er viele aufgeworfene Fragen um Schein und Sein selbst beantwortet.
”You see Hopsi, you don't know very much about girls. The best ones aren't as good as you think they are and the bad ones aren't as bad. Not nearly as bad.“
Charles Pike, umwerfend vom jungen Henry Fonda ("Jezebel") verkörpert, erfährt mit der Enthüllung seiner Geliebten nicht nur deren wahre Identität, er verliert ironischerweise seinen Glauben an die Wahrheit selbst, wenn er im zweiten Teil der Geschichte nicht erkennen will, dass es sich bei Eve, der Frau auf dem Ballfest, um Jean handelt. Weil sie sich zu ähnlich sind, kann es sich nicht um ein und dieselbe handeln, das ist die einzig wahre Logik – und trotzdem stolpert Charles von einer Ecke in die nächste, der immer wiederkehrende und ausgiebig gedehnte Slapstick, den Sturges scheinbar stets unpassend einsetzt, der aber zwingend notwendig ist. In dieser zweiten Hälfte bekommt auch das Sinnbild der „falschen“ Schlange eine neue Bedeutung. Die schöne Eve ist getreu der Mythologie als Zeichen der Polarität Auslöser einer Selbsterkenntnis, die den hoffnungslosen Pike letztlich natürlich doch in ihre Arme führt.
Die Wiederholung als Stilmittel hat hier also den Charakter einer zweiten Chance, eines neuen Versuchs nach der Trennung. Bezeichnenderweise schrieb Sturges den Film kurz nach seiner eigenen Scheidung und erzählt die Geschichte trotzdem ohne Rührseligkeit (wie könnte er auch!), auch wenn der Ton spürbar bitter ist. Nur einmal mischt er sich bewusst ins Geschehen: Barbara Stanwyck ("Double Indemnity") schaut in ihren Schminkspiegel und beobachtet den hilflosen Pike, wie er die Avancen seines weiblichen Umfelds nicht begreift, nimmt also letztlich die Position und Sicht des kommentierenden Regisseurs ein.
"The Lady Eve" ist eine mutige, weil ganz und gar unkonventionelle "Comedy of Remarriage". Trotz seiner One-Liner und der betont physischen Komik lässt sich Sturges’ Film nicht ohne Weiteres in das Fach der Screwball-Komödien einordnen. Mit seinen großartigen Ideen, den bis in die kleinsten Nebenrollen fantastischen Schauspielern und der geschickten, gezielt das Unerwartete hervorrufenden Regie ist es vor allem ein ungewöhnlicher, letztendlich sogar optimistischer Film.
75% - erschienen in der filmzentrale