Es ist der Anfang vom Ende: Nachdem sich April (Kate Winslet) und Frank (Leonardo DiCaprio) kennen und lieben gelernt haben, vergehen nur wenige Minuten, ehe der Film sie einen handfesten Ehestreit ausfechten lässt. Der Ton ist angestimmt, noch vor Einblendung der Titel - und die Figuren aufgegeben, das Schicksal besiegelt: Das wird die nächsten zwei Stunden gewiss kein harmonisches Zusammensein.
Nicht zuletzt die Konventionen und Ansprüche der 50er Jahre befördern das unaufhaltsame Leiden des jungen Glücks. Am Anfang ist die Liebe frisch und aufregend, dann stellt sich rasch der erste Trott ein. Die herkömmlichen Maßnahmen werden ergriffen - Kinder gezeugt, ein schönes Haus bezogen - und bleiben dennoch längerfristig wirkungslos: April genügt sich nicht in der Rolle von Hausfrau und Mutter, Frank tut sich schwer als Vorzeige-Patriarch, der das Essen nach Hause und die Familie in Einklang zu bringen hat.
In der Revolutionary Road, der Straße, die April und Frank Wheeler beziehen und die natürlich vergeblich den hoffnungs- vollen Umbruch im Namen trägt, findet sich für Mendes ein konventionelles, aber noch immer treffendes Sinnbild: Hier, wo glückliche Familien und der Schein des Perfekten gedeihen, tun sich die größten Abgründe auf - und lässt sich das beste klassische Dramenmaterial produzieren. Schließlich erzählen alle Mendes-Filme letztlich höchst melodramatische Geschich- ten im wechselnden Genre-Gewand.
Im Drei-Akt-Drama "Zeiten des Aufruhrs" nun wirkt genau das gänzlich auf die traditionellen Basics reduziert. Ja, man könnte meinen, dass Mendes hier ganz den Douglas Sirk gibt, jenen begnadeten Melodramatiker, der der Filmgeschichte in den 50er Jahren Meisterwerke wie "Solange es Menschen gibt" schenkte. Und so lieben sich hier Mann und Frau unschuldig und rein, ehe sie mit der Zeit erkennen müssen, dass sie eigentlich nicht für einander gemacht sind.
Das dramatische Potential ergibt sich daraus von selbst: Der Prozess des Voneinanderlösens fällt schwer und verläuft uneinsichtig, weil gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Wertvorstellungen ein anderes Idealbild zeichnen - umso stärker in den konservativen Fifties, die ein regeneriertes Ehe- und Familienmodell und optimale Lebensentwürfe vor- geben: Arbeits- und Haushaltsstruktur, die Organisation von Karriere und Kinder sind von klar gegensätzlichem Verständnis gekennzeichnet und entsprechend aufgeteilt.
Für diese gewiss nicht neue, aber intensive Dekonstruktion des Ehe-Modells hat der Regisseur das größte Leinwandpaar der 90er erneut zusammengebracht. Erstmals seit "Titanic" spielen Kate Winslet und Leonardo DiCaprio wieder die Liebenden. Doch was im Cameron-Epos noch stärker auf den Ursprung des Genres zurückging, ja, sich beinahe literarisch verstand, nämlich eine Liebesgeschichte, die sein will, aber nicht sein darf, wird von Mendes verkehrt: Seine Leinwand- liebe muss das äußere Mittelstandsglück ergeben, ist im Innen jedoch gespalten.
Wenn sich die Eheleute hier dann verbal in Stücke reißen und schönstes Möbelinventar zu Bruch geht, möchte man Winslet und DiCaprio eigentlich bei gar nichts anderem mehr zusehen. Das mag so klingen, wie es gewiss nicht inszeniert ist - Mendes hält sich mit ausgestelltem Zynismus, so wie er in "American Beauty" einen faden Beigeschmack hatte, auffällig zurück -, doch lässt sich schwer leugnen, dass die beiden Hauptdarsteller ganz und gar in ihren intensiven Rollen aufgehen. So dramatisch flogen Ehe-Fetzen im Kino seit "Wer hat Angst vor Virginia Wolf?" nicht mehr.
Es scheint, als demonstrierten Winslet und DiCaprio dabei fast stolz, wo sie 10 Jahre nach dem erfolreichsten Film aller Zeiten nun stehen, als etablierte Ikonen eines modernen Erzählkinos, die sich erfolgreich der Typbesetzung ihrer Typrollen schlechthin erwehren. Ihr beklemmendes physisches Schauspiel wird nicht zuletzt durch Roger Deakins' intime Nah-Photographie zum Ereignis: Mit ihnen hat das ameri- kanische Melodram die Würde der großen Geste zurückerlangt. In Sam Mendes' bislang stillstem Film, der manchmal auch ganz laut - und ganz groß sein muss.