September 25, 2007

Kino: THE BRAVE ONE

Nach seinem bemerkenswerten IRA-Drama "Breakfast on Pluto" inszeniert Neil Jordan wieder in den USA. Vielleicht um etwas Geld zu verdienen. Oder auch die Arbeit mit Jodie Foster als Fußnote in der Schaffensvita zu verewigen. Wie die meisten US-Produktionen des Iren ist "The Brave One" von einer herausragenden Lustlosigkeit in Regie und Inszenierung gekennzeichnet, vielleicht ist es sogar der schlechteste Film, den Jordan bislang zu verantworten hat.

Erica Bain (Foster) ist Radiomoderatorin in
New York. Ihrer zarten und schmächtigen Erscheinung steht eine einfühlsame Intelligenz gegenüber, sie kann auf Menschen eingehen, steht mit beiden Beinen im Leben. Eines Nachts spazieren sie und ihr Freund David (Naveen Andrews) im Park, sie führen den Hund aus, küssen sich, albern herum – und werden von brutalen Straßengangstern überfallen. Wochen später erwacht Erica aus dem Koma, David hat den Angriff nicht überlebt. Fortan ist die Frau geplagt von Angstzuständen und Panikattacken. Als sie dann unerwartet in einen weiteren Überfall gerät, wehrt sie sich: Und beginnt einen Rachefeldzug auf eigene Faust.

Das Übel beginnt wohl mit der Erwartungshaltung: Beim "The Crying Game"-Regisseur hätte man guten Gewissens eine – wenn schon nicht ideologisch einwandfreie – so doch zumindest differenzierte, komplexe, uneindeutige, ja wenigstens eine gedankliche Auseinandersetzung mit dem leidigen Selbstjustizstoff vermuten dürfen. Das haben sie uns doch uns vorgemacht, die großen Meister. Diejenigen, auf die sich Jordan so plump beruft. Auf Martin Scorsese etwa, auf "Taxi Driver" also – den mit der jungen Jodie Foster und der Musik von Bernard Herrmann. "The Brave One" zitiert fleißig, grobschlächtig, auf sich selbst verweisend. Und macht es dem Zuschauer besonders unangenehm. Selbst wenn das hingegen nur halb so peinlich wie langweilig ist.

Weil der Film so arglos vor sich hin plätschert, möchte man schnell mutmaßen, dass Jordan an einer weniger spekulativen, denn behutsamen Annäherung interessiert scheint. Viel zu tun hat der Mann allerdings nicht. Seine Jodie Foster inszeniert sich unweigerlich selbst: Die Rolle als zerbrechliche, agile und hilflose Frau, die sich nach schmerzlicher Pein zur Emanzipation aufrafft, hat sie sicherlich schon einige Dutzend Mal gespielt. Die Kamera steigt ihr stets nach, und mehr als Mitleid für die Hauptfigur soll dabei auch nicht herumkommen. Doof nur, dass "The Brave One" ähnlich wie jüngst "Death Sentence" vorheuchelt, an Graustufen interessiert zu sein, anders als dieser aber nicht einmal für zwei Stunden gesunde Exploitation genügt.

Jordan bzw. Foster zeigen den ersten Überfall mit vehementer Brutalität, an deren Intensität der Film ganz bewusst zu keiner Zeit mehr anknüpfen wird. Die weiteren Morde als Akt der Eigenvergeltung werden niemals in Frage gestellt, obwohl es fast schon so wirkt, als provoziere Fosters Figur jeglichen Konflikt. Ob ein Überfall im Spirituosengeschäft oder eine Pöbelei in der U-Bahn – der Film fährt eine konstante moralische Linie, immer sollen die Sympathien bei der gebeutelten Moderatorin liegen, ohne dass hier nach Ursachen in gesellschaftlichen und/oder politischen Institutionen gesucht wird. Richtig unangenehm, fast schon grotesk wird’s zum Ende, wenn Terrence Howard als gutmütiger, seines Zeichens selbst von Justitia losgelöster Polizist der weinerlichen Foster die Waffe in die Hand drückt, um schließlich den Gangleader erschießen zu können. An Jordans Gespür fürs Mehrdeutige, für Subtilität und trockenen Witz denkt man hier dann schon längst nicht mehr. Ein wahres Trauerspiel.


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- erschienen bei: DAS MANIFEST