Dezember 07, 2010

DVD/BD: RAMMBOCK

Zombies in Berlin, überall. Ein Weltuntergangsszenario auf Kreuzberger Art. Apokalypse Altbau, Horror Hinterhof. – Die Deutschen und das Genrekino, immer noch von allerhöchstem Seltenheitswert. Ein Zombiefilm, co-produziert vom ZDF, das wäre dann wohl sogar Meta, eine schöne Wunschvorstellung oder ein redaktioneller Unfall. Aber "Rammbock" von Marvin Kren ist tatsächlich ein zunächst als kleines Fernsehspiel fürs Nachtprogramm erdachter und dann schließlich gar fürs Kino weitergereichter Zombie- oder korrekterweise Virushorrorfilm aus Deutschland, mit freundlicher Unterstützung vom Zweiten Deutschen Fernsehen. Und er ist ziemlich klasse, er braucht Vergleiche mit Danny Boyles London-Dystopie "28 Days Later" nicht scheuen, und auch mit all den anderen Romero-Erben nicht. Ein Film von großer Eigenwilligkeit, Charme und Konsequenz, der nicht einmal Bonussympathien für seinen Mut zum teutonischen Genrekino benötigt.

Der Wiener Michael (Michael Fuith) sucht seine Gabi. Die Beziehung ist am Ende, drum will er sie in Berlin überraschen und zurückerobern. Doch Gabi ist nicht zuhause, nur Handwerker trifft Michael in ihrer Wohnung an. Und dann geht alles ganz schnell. Der Heizungsmann mutiert zur bissfreudigen Bestie, Sirenen ertönen, das Fernsehen sendet nur noch Testbilder. Michael und der Auszubildende Harper (Theo Trebs) müssen sich verbarrikadieren, um vor einer wütenden Infiziertenmeute sicher zu sein. Ein aussichtloser Überlebenskampf beginnt, um der Epidemie zu entrinnen. Aber wo ist eigentlich die Gabi?

Den Einbruch des plötzlichen Grauens in den ganz gewöhnlichen Berliner Alltag inszeniert Kren von Beginn an als faszinierenden Kontrast: Bilder mutierter Menschen und Genreästhetik in Kombination mit hauptstädtischem Lokalkolorit, das hat einen ganz speziellen Reiz. Folglich bindet er die Räumlichkeiten des typischen Altbaukomplexes in die Handlung ein und verarbeitet den apokalyptischen Horror äußerst geschickt als Kammerspiel im Hinterhof. Das (manchmal etwas vordergründige) Drehbuch von Benjamin Hessler kombiniert dabei stets Gegensätze – alltäglich banale treffen auf existenzielle Umstände – und vermeidet bewusst die Klischees der US-Vorbilder: Die Helden sind keine Superhelden, sie verteidigen sich nur ungern und machen dabei natürlich keine sonderlich gute Figur. Sie ziehen sich zurück, verstecken sich in Wäschekammern und auf Dachböden, versuchen sich nachvollziehbar in der Ausnahmesituation zu positionieren.

Zuletzt ließ Regisseur Bruce LaBruce den untoten Titelhelden seines "Otto; or, Up with Dead People" durch Berlin schwelgen, "Rammbock" aber fügt sich den Konventionen des Genres wesentlich deutlicher, was seine Klischeebrüche und Modifizierungen am sonstigen Horrorkino umso erfrischender erscheinen lässt. Einen waschechten und ernsthaften Zombiefilm aus deutschen Landen hat es ja nun auch dringend einmal gebraucht, insbesondere nachdem die lebenden Toten hier bisher ausschließlich ein trauriges Dasein im Amateurquatsch der Schnaas- und Rose-Fanzirkel fristen mussten. Da ist es nur konsequent, dass Kren seine Geschichte nicht ironisiert: Die Helden können keine Zombiefilmalphabete aufsagen und müssen auch nicht knöcheltief im Blut waten. Einen so puren Zombiefilm gab es schon lange nicht mehr. Wirklich schade, dass er nur etwas über eine Stunde läuft.


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