Mai 18, 2009

Kino: MY BLOODY VALENTINE 3D

Es war nur eine Frage der Zeit, bis das wieder entdeckte und neuerdings ja auch als Zukunft des Kinos verhandelte 3D-Format sich nicht mehr nur auf bunte Animationsfilme beschränken, sondern sein mehr oder weniger interaktives Potential auch in anderen Sparten ausspielen würde. Insbesondere effektbetonte Genreware hat dem Verfahren schließlich überwiegend in den 50er und später noch einmal 80er Jahren – seinerzeit noch mit Rot-Grün-Brillen – zu einer kurzlebigen Hochzeit verholfen.
 
Von daher kann sich "My Bloody Valentine" zwar nun zu Recht als erster Horrorfilm behaupten, der sein Publikum mithilfe von Digital-3D unmittelbar ins fröhliche Abmurksen einbezieht. Vom technischen Unterschied und den wesentlich angenehmeren, die Augen weniger strapazierenden Brillen abgesehen bedient sich Patrick Lussiers Remake des 1981er-Originals ("Blutiger Valentinstag") allerdings der gleichen offensichtlichen Gimmicks wie seine Vorbilder.

Regisseure wie Jack Arnold und William Castle hatten es mit obskuren Monsterheulern vorgemacht, ehe sich auch der zeitgenössische Horrorfilm viele Jahre später noch einmal mehr Frische und zweifelsfrei mehr Einnahmen vom umworbenen 3D-Effekt versprach. "My Bloody Valentine" steht klar in der Tradition von Genreproduktionen wie dem dritten Teil der "Freitag, der 13."-Serie, der dem Zuschauer einst mit altmodischen 3D-Tricks ebenso permanent allerlei spitzes Mordwerkzeug und andere Gegenstände entgegen brachte.

Entsprechend Retro ist auch die Geschichte, die sich mal mehr, mal weniger am kanadischen Original von George Mihalka orientiert. Es gibt das schreckliche Ereignis aus der Vergangenheit, und es gibt natürlich auch das Ereignis der Gegenwart, in dem blutige Rache geübt werden muss: Bei einem Bergarbeiterunfall wurde Harry Warden einst schwer verletzt, weshalb er pünktlich zum Jahrestag ein Blutbad unter Tage anrichtete. Die Bewohner der Kleinstadt Harmony geben indes seit jeher Tom Hanniger (Jensen Ackles) die Schuld am Massaker, weil er den Unfall des Mörders versehentlich verursachte.

Der junge Mann verließ das Örtchen daraufhin, kehrt allerdings nach zwei Jahren wieder dorthin zurück. Rein zufällig beginnt gleichzeitig erneut eine Serie von Morden: Ein Killer mit Spitzhacke – der wieder auferstandene Harry? – raubt seinen Opfern die Herzen und verarbeitet sie zu hübschen Valentinstagsgeschenken. Polizist Axel (Kerr Smith), ein ehemaliger Freund von Tom und nun liiert mit dessen einstiger Flamme Sarah (Jaime King), vermutet natürlich einen Zusammenhang… und selbstverständlich landen letztlich alle wieder im Bergwerk, wo das Grauen seinen Lauf nahm.

Im Gegensatz zum Original konzentriert sich das Remake auf die Dreiecksbeziehung und verlagert den Großteil der Handlung zu Ungunsten einer gradlinigen Dramaturgie in den Außenbereich der eigentlichen Attraktion – dem unheimlichen Schauplatz. Die Version von 1981 schöpfte ihre enorm wirkungsvolle Atmosphäre schließlich vor allem aus den Winkeln und Ecken des tief unter der Erde gelegenen Bergbau-Settings, in dem der Spitzhackenkiller Jagd auf eine junge Partymeute machte.

Der Versuch des Remakes, den Stoff erzählerisch auszudehnen, wirkt sich allerdings negativ auf die Spannung aus, denn viel mehr als effektives und – da in prallem 3D gedreht – auch selbstredend eindrucksvolles Meucheln hat "My Bloody Valentine" freilich nicht zu bieten. Es ist immer noch simpler und allen Genregesetzen folgender Slasher- Horror mit hohem Bodycount, viel Gore und wenig Gespür fürs Originelle: Der geänderte Schlusstwist ist so altbacken und unmotiviert, dass auch die dicken 3D-Brillen nicht dessen Vorhersehbarkeit verschleiern wollen.

Regisseur Patrick Lussier, Zögling und langjähriger Cutter von Wes Craven, muss sich deshalb ganz auf die attraktive Ästhetik seines 3D-Konzepts verlassen: Schon nach wenigen Minuten lässt er eine Spitzhacke ins Publikums rasen, was je nach Sitzposition als sehr wirkungsvolle Einladung zum Mitgruseln und –fiebern verstanden werden kann. Trotz verbesserter Technik bleiben die kreativen Methoden des Effektausreizens aber letztlich, was sie schon immer waren: ein Gimmick.

Es wird also offenbar noch ein wenig dauern, bis wieder ein Regisseur die Idee so für sich zu nutzen weiß wie einst Alfred Hitchcock. Er verband das 3D-Format in "Bei Anruf Mord" tatsächlich mit einer dramaturgischen Komponente und verleitete den Zuschauer mit Grace Kellys legendärem Griff ins Publikum zur Komplizenschaft mit einem Mörder. Für so viel Doppelbödigkeit mag es hier noch nicht reichen – so ist "My Bloody Valentine" äußerst mittelprächtiges Slasher-Kino samt vieler spaßiger, aber bedeutungsloser 3D-Einlagen.


50% - erschienen bei: gamona