September 18, 2009

Kino: THE TIME TRAVELER'S WIFE

Manche Filme entziehen sich ihrer Erzähllogik sehr klug, indem sie etwas per se Unlogisches als so selbstverständlich voraus- und ins Bild setzen, dass man sich nur zu gern von den heilsam eskapistischen Fäden einer großen Geschichte einspinnen lässt – für den Genrefilm ist das schließlich auch ein apodiktisches Prinzip. Die Rezeption findet dann bestmöglich irgendwo auf einer irrationalen Gefühlsebene statt, allerhöchstens stolpert man aufmerksam über die Unlogik innerhalb der eigenen Unlogik und stellt doch das große Behauptungskonstrukt nicht in Frage. "The Time Traveler’s Wife" bricht diese Erwartungshaltung noch stärker herunter, er möchte schlicht ein Film sein, den man spüren und ertasten muss. Es ist eine wattebauschig-gediegene Kitschanhäufung voller definierter Emotionen und zielgruppenorientierter Appelle: Ein Film für Frauen, die Monogamie und ewige Liebe nicht für eine Erfindung der Kirche halten.

Henry DeTamble steht im Mittelpunkt einer Handlung, die ebenso unvermittelt wie unmotiviert ihren Anfang nimmt: Er ist das Opfer eines genetischen Defekts (in jeder Hinsicht allzu adäquat: Eric Bana), der ihn willkürlich und unkontrolliert durch die Zeit reisen lässt. Meist führt ihn der plötzliche Raumentzug in die Vergangenheit, an Orte, die wahrscheinlich von seinem Unterbewusststein gesteuert werden. Diese unkonventionelle Eigenschaft könnte ein großer Spaß sein, würde Henry sein Schicksal nicht als quälende Stigmatisation begreifen, die die Beziehung zu seiner stets im Hier und Jetzt zurückgelassenen Frau Clare (Rachel McAdams) auf eine repetitive Probe stellt. Immerhin ist Henry seiner treudoofen Liebsten auf Zeitreisen nicht untreu, im Gegenteil – er landet sogar einmal im Gebüsch neben einer Wiese, auf der Clare gerade ein Picknick veranstaltet. Da ist sie zwar noch ein kleines Kind und er dank Zeitkontinuumsregel splitterfaser- nackt, aber der Grundstein für ihre immerwährende Liebe ist mit diesem Pädo-Sinnbild zweifelsfrei gelegt.

Und so durchzieht diesen Film ein ständiger Hauch von Wehmut, Sehnsucht, unerfüllter Liebe. Das ist formal in einer beachtlich lethargischen Schönbilder-Ästhetik gehalten, die faltenfrei und farbenbunt chronologisch Jahre und Zeiten durchläuft bis zum unaufhaltbaren dramaturgischen Brücken- schlag. Wie ein Geist stolpern Eric Bana und seine von Drehbuch und Regie zur totalen Konturenlosigkeit verdammte Figur durch diesen penetrant schwermütigen Taschentuch- heuler, der seinem Titel noch nicht einmal gerecht wird: Die in die völlige Passivität verdrängte "Frau des Zeitreisenden" bleibt eine Schattengestalt, deren Probleme vom hilflosen Zurückbleiben und ständigen Alleinsein der Film keine einzige Minute thematisiert. Stets folgt er vielmehr Henrys irrelevanten, uninteressanten, einschläfernden und letztlich keinerlei schlüssigen Logik folgenden Quickies in der Zeit, ohne bedeutende Teile der Handlung seiner Frau zu widmen. Man möchte nicht glauben, dass Oscargewinner Joel Rubin mit diesem Wohlfühlpamphlet nach Audrey Niffenegger sein eigenes großartiges "Ghost"-Drehbuch plündert.

Das alles erinnert nicht selten an den seltsamen Fall des "Benjamin Button", und witzigerweise hat Brad Pitt diese Adaption des Bestsellerschmachtfetzens auch noch produziert. Hier wie dort wird über Vergänglichkeit und eine alle Zeiten und Hindernisse überdauernde Romanze sinniert, hier wie dort geschieht das ebenso schleppend wie fremdartig. Der Exil-Schwabe Robert Schwentke verliert sich dabei in seinem zweiten Hollywoodfilm nach "Flightplan" in präzis gelackten Bildern, die keinen Raum für Emotionen und wirkliche Konflikte lassen. Das hätte ein spannender Film über die Unmöglichkeit von Liebe oder auch eine schöne Vanitas-Metapher werden können, stattdessen lässt uns "The Time Traveler’s Wife" zwei gepflegt langweilige Stunden in die gequält leidigen Gesichter seiner Hauptdarsteller blicken: Unendliche Leere.


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