In Bezug auf die filmische Adaption dieses Werkes war es ein Glücksfall, dass sich 1995 der taiwanesische Regisseur Ang Lee ihrer annahm. "Sense and Sensibility" war die lebendige, meisterliche Entsprechung der Austenschen Ironie in Bildern; mit wunderbarer Sentimentalität und einer inszenatorischen Genauigkeit, die die ohnehin exakten Beschreibungen der Vorlage unterfüttert und gar noch übertrifft, sollte es die beste Verfilmung eines Austen-Romans werden. Daran kann auch Joe Wright nichts rütteln, wenngleich "Pride and Prejudice" ein unerwartet toller Film geworden ist. Und mit Mut zur künstlerischen Eigenständigkeit nach einer Reihe vieler mehr oder weniger gelungener Adaptionen Ende der 90er sogar die interessanteste.
Die Frische, mit der Wright einen der populärsten und beliebtesten Austen-Stoffe umsetzt, überrascht und entzückt zugleich: Spielerisch und überaus ausgelassen umkreist die Kamera ihre adrett gekleideten Figuren, durchfährt sie minutenlang ohne Schnitte opulente Räume und scheint sich an den bezaubernden Gesichtern von Keira Knightley oder Rosamund Pike gar nicht satt sehen zu können. In vielen Momenten, darunter einer Schaukelszene, bei der die Photographie rasanten 360°-Drehungen folgt, um den verwirrten Gefühlszustand seiner verzweifelten Figur zu bebildern, manifestieren sich hübsche visuelle Ideen, die dem Film einen modernen Anstrich geben, der sich angenehm vom klassischen Stil anderer Verfilmungen abhebt.
Die größte Überraschung von "Pride and Prejudice" aber heißt Keira Knightley. Hier regelrecht offenbart sich, wie unterfordert die junge Schauspielerin durch Kostümepen stolpern musste, um in die Rolle der klassischen Austen-Heldin schlüpfen zu dürfen. Ihr allein gehört dieser Film, und als Zuschauer kann man gar nicht genug bekommen von Knightleys traumhafter Präsenz, ihren geheimnisvollen Augen und ihrer selbst beherrschten Darstellung der törichten, aber unglücklichen Lizzie. Erst recht wenn sich die schnippischen Dialoge mit dem sprachlich so feinen englischen Mundwerk entfalten, reift Wrights Film zu einem lichten Moment des von seinem Ensemble getragenen Schauspielerkinos – nicht nur die hinreißende Brenda Blethyn oder der charmante Matthew MacFadyen begeistern, auch Donald Sutherland war schon lange Zeit nicht mehr so brillant wie als gutherziger, besorgter Vater Bennet.
"Pride and Prejudice" also ist eine verträumte, aber ebenso aufmerksam erzählte Reise ins 19. Jahrhundert, wo Titel alles und Individualität nichts bedeuten. Darin ist Knightley als selbstbewusstes Mädchen, das mit eigenem Willen zeittypischen Rollenmustern zuwiderläuft, eine wahre Entdeckung. Möge man ihr die weitere Entwicklung hin zu komplexen Rollen wünschen – und dem Film bzw. der Vorlage die Tatsache, dass jegliche Rebellion letztlich doch nur in der Fügung vorherrschender Systeme mündet, verzeihen. Manchmal, da kann das Schmachten dann eben doch so schön sein.
75%