Februar 25, 2019

Kino: CAN YOU EVER FORGIVE ME?

Mag sein, dass meine persönliche Abneigung gegenüber bestimmten Drehbuchmechaniken, zum Beispiel den unsäglichen Missbrauch historischer Erzählungen für gegenwartsschlaue Kommentare und Woke-Dialoge, es mir von vornherein unmöglich macht, Filme wie Can You Ever Forgive Me? nicht unerträglich zu finden. Gewundert hat mich dennoch, dass keine Kritik, jedenfalls keine, die ich las, ein Problem zu haben schien mit Richard E. Grants übertrieben effeminierter Performance einer Figur, die keine über ihr Schwulsein hinausweisenden Eigenschaften besitzt, und so etwas, im Gegenteil, sogar für preiswürdig erachtet wird. Zumal der Film auffällig flach gedreht ist (ähnlich wie Marielle Hellers Vorgänger, der seinerseits recht dümmliche Diary of a Teenage Girl) und keinerlei Gespür für Lee Israels literarische (Aneignungs-)Qualitäten sowie jene offenbar sehr überzeugend gestalteten Fälschungen vermittelt, die sie zur resignierten Heldin der Geschichte machen. 

Can You Ever Forgive Me? startete in den deutschen Kinos am selben Tag wie Boy Erased und etwa einen Monat nach The Favorite, zwei ebenfalls von nicht-heteronormativem Begehren erzählenden Filmen. Misslungen sind sie auf insgesamt sehr unterschiedliche Weise, wobei sie allesamt zur figuralen Vereinfachung neigen (Queerness als plot device: der heimlich schwule Konversionstherapeut, die lesbischen Intrigen von Machtfrauen). Im Oscar-Kontext 2019, der noch Green Book und Bohemian Rhapsody mit einschließt, kommen dann Revision und Verschämtheit hinzu, besonders grotesk beim Queen-Biopic, das Homosexualität als Exzess mit anschließender AIDS-Diagnose zeigt, die Freddie Mercury in einem sakral anmutenden Krankenhaus erhält, durch dessen dunkle Gänge er schleichen muss, vorbei an sichtbar von der Krankheit ausgemergelten Patienten. LGBT-Kino, oder auf welche Formel auch immer man diese Filme bringen möchte, war schon mal deutlich weiter.