Heute im Programm: Mal wieder ein Genre-Remake. Eine Neubearbeitung. Oder Reimagining. Noch-Mal-Machen. Wiederholen. Nachstellen. Und das bemüht aufgepeppt, modernisiert und unterm Strich auch versucht besser, nicht mehr so: langweilig, altbacken, überholt. Ein Vorurteil, zugegeben. Aber zumindest ein Entkopplungsprozess, der den betreffenden Film aus seiner Zeit, seiner Bedeutung, seiner Wirkung löst, um ihn in einer neuen Zeit mit neuer Wirkung und neuer Bedeutung installieren zu können – jede Generation hat das Recht auf ihren Klassiker, neu gemacht. Nun wimmelt es nach 37 Jahren noch einmal vor Verrückten auf der Leinwand: Die "Crazies" von George A. Romero wurden wiederverfilmt.
Ob der Titel tatsächlich jene durch einen biochemischen Kampfstoff infizierte US-Bürger irgendwo im Nirgendwo umschrieb, stellte zumindest das Original noch in Frage. Die wahren Crazies mag Romero eher in seiner Darstellung von Politikern, Militärs und Wissenschaftlern gefunden haben. Gegen deren knallhartes Kalkül erschien das orientierungs- und hilflose Töten der unschuldigen Betroffenen schließlich nahezu milde, und der zynisch-bittere Schluss unterstrich noch einmal mit Nachdruck, dass – wie schon in Romeros Zombiefilmen – nichts grausamer ist, als die autorisierte Gewalt der hiesigen Verantwortungsapparate und ihrer Entscheidungsträger.
Der Plot des Originals blieb im Remake Breck Eisners weitgehend erhalten, dessen sperrige Figurenvielfalt hingegen tauschte man gegen schablonenhafte Identifikationsangebote ein. Der "Hitman" Timothy Olyphant gibt den Provinzsheriff, Radha Mitchell steht ihm als Ehefrau zur Seite. Gemeinsam versuchen sie dem Chaos zu entfliehen, das über ihre bisher so friedvolle Kleinstadt Ogden Marsh hereinbrach. Durch Waffentests der Regierung sind deren mit verseuchtem Trinkwasser in Berührung gekommene Bewohner zu aggressiven Tötungsmaschinen mutiert, während das Militär mit allen Mitteln eine Ausbreitung der Seuche zu verhindern sucht.
Dieser neue "The Crazies" ist natürlich ein ganz anderer Film. Er ist ungleich teurer, wesentlich aufwendiger und deutlich detailfreudiger als das Original. Er sieht so aus, wie die meisten Horrorfilme von heute eben aussehen – wie Werbung. Noch der größte Gräuel besitzt einen ästhetischen Wert, und keine Figur würde etwas offensichtlich Peinliches sagen oder tun, weil das der Glaubwürdigkeit abträglich wäre. Spannung und Unterhaltung stehen gleichermaßen im Vordergrund wie Widerspruch zur unangenehmen, bedrohlichen, denkbaren Geschichte eines Films, der sie zumindest 1973 noch aus intuitiven Ängsten heraus formulierte.
Diese Ängste mögen einst apokalyptischen Krisenbildern aus Vietnam oder Washington entsprungen und dadurch ausschließlich im gesellschaftlichen Kontext verhandelt worden sein, doch sie haben nichts an Aktualität eingebüßt. Die Angst vor der Entwicklung biologischer Waffen, atomarer Rüstung oder, wie jüngst, einer globalen Pandemie, dürfte auch im Jahre 2010 noch ausreichend Potenzial freisetzen, um eine ganze Generation junger wilder Filmemacher zu kreativen Horrorszenarien auf der Leinwand zu motivieren. Die Themen und Stoffe, sie haben mitunter gar an Relevanz gewonnen. Es ist das Genrekino, das ihnen keinen Ausdruck mehr verleihen mag.
Wie sonst ließe sich erklären, dass Eisners Film eine Geschichte über den Ausbruch von gefährlichen Viren oder die Macht des Militärs erzählt, ohne letztlich wirklich etwas darüber erzählen zu wollen. Dass er Romeros teils plakative politische Anklänge nicht in eigene subtile Gesten übersetzt, sondern zugunsten ermüdender Spannungs- und Schockmomente gleich ganz aufgibt. Dass er also den kompletten Bedeutungsverlust sich und seiner Vorlage gegenüber in Kauf nimmt, um nur ein weiterer austauschbarer Horrorfilm mit infizierten Menschen sein zu dürfen, der letztlich sowieso nur der Tradition des Zombiekinos unterliegt.
Und hier lässt sich wohl die Tendenz erkennen, warum ein Film wie dieser neue "The Crazies" nicht nur seiner Vorlage kaum gerecht werden, sondern im einfältigen Wiederkäuen bloßer Reize auch sonst keinerlei Sinn herstellen kann. Denn es gibt einen großen Irrtum, der die nunmehr langjährige Neigung zu Neuauflagen berühmter und berüchtigter und begnadeter Genrefilme konsequent begleitet: Das Remaken in der Hoffnung, mit höheren Budgets und größeren Produktionsverhältnissen neue Zuschauer für alte Stoffe zu gewinnen, hat zumindest den einst so wachen Horrorfilm in einen künstlerischen Tiefschlaf versetzt.
Die Annahme dieser Filme, und "The Crazies" ist dafür beispielhaft, zeitgemäße Updates angestaubter oder wenig massentauglicher Genreklassiker liefern zu können, ist schlicht falsch, weil sie in ihrer Strategie per se gestrig wirken müssen. Sie wiederholen nur, und sie ergehen sich in totaler Redundanz. Sie haben nichts zu erzählen oder mitzuteilen, obwohl sie das könnten. Alles was sie sagen ist reine kommerzielle Diktion. Man wird später, sofern sie dann überhaupt noch gesehen werden, nichts über die Zeit erfahren, in der diese Filme entstanden sind. Nichts über ihre Regisseure, die Auftragsfilmer aus der Werbe- und Musikvideobranche, und nichts über ihre Bedeutung für das Kino oder das Genre.
Das einzige, was ein Film wie "The Crazies" wirklich zu sagen hat, ist etwas über das Geschäft. Und das wissen wir bereits. Auch wenn Eisner also mit "seiner" "Interpretation" einen formal größtenteils recht kompetent gemachten Film zum Essen serviert, so hat er lediglich etwas erwärmt, das frisch gekocht schon einmal viel besser schmeckte. Er hat etwas geschaffen, das neu und vital erscheinen sollte, aber altbackener daherkommt, als es Romeros kleiner dreckiger Independentfilm je sein könnte. Das ist der Fluch der Remakes, die Logik des Stillstandes.
30% - erschienen bei: gamona
Ob der Titel tatsächlich jene durch einen biochemischen Kampfstoff infizierte US-Bürger irgendwo im Nirgendwo umschrieb, stellte zumindest das Original noch in Frage. Die wahren Crazies mag Romero eher in seiner Darstellung von Politikern, Militärs und Wissenschaftlern gefunden haben. Gegen deren knallhartes Kalkül erschien das orientierungs- und hilflose Töten der unschuldigen Betroffenen schließlich nahezu milde, und der zynisch-bittere Schluss unterstrich noch einmal mit Nachdruck, dass – wie schon in Romeros Zombiefilmen – nichts grausamer ist, als die autorisierte Gewalt der hiesigen Verantwortungsapparate und ihrer Entscheidungsträger.
Der Plot des Originals blieb im Remake Breck Eisners weitgehend erhalten, dessen sperrige Figurenvielfalt hingegen tauschte man gegen schablonenhafte Identifikationsangebote ein. Der "Hitman" Timothy Olyphant gibt den Provinzsheriff, Radha Mitchell steht ihm als Ehefrau zur Seite. Gemeinsam versuchen sie dem Chaos zu entfliehen, das über ihre bisher so friedvolle Kleinstadt Ogden Marsh hereinbrach. Durch Waffentests der Regierung sind deren mit verseuchtem Trinkwasser in Berührung gekommene Bewohner zu aggressiven Tötungsmaschinen mutiert, während das Militär mit allen Mitteln eine Ausbreitung der Seuche zu verhindern sucht.
Dieser neue "The Crazies" ist natürlich ein ganz anderer Film. Er ist ungleich teurer, wesentlich aufwendiger und deutlich detailfreudiger als das Original. Er sieht so aus, wie die meisten Horrorfilme von heute eben aussehen – wie Werbung. Noch der größte Gräuel besitzt einen ästhetischen Wert, und keine Figur würde etwas offensichtlich Peinliches sagen oder tun, weil das der Glaubwürdigkeit abträglich wäre. Spannung und Unterhaltung stehen gleichermaßen im Vordergrund wie Widerspruch zur unangenehmen, bedrohlichen, denkbaren Geschichte eines Films, der sie zumindest 1973 noch aus intuitiven Ängsten heraus formulierte.
Diese Ängste mögen einst apokalyptischen Krisenbildern aus Vietnam oder Washington entsprungen und dadurch ausschließlich im gesellschaftlichen Kontext verhandelt worden sein, doch sie haben nichts an Aktualität eingebüßt. Die Angst vor der Entwicklung biologischer Waffen, atomarer Rüstung oder, wie jüngst, einer globalen Pandemie, dürfte auch im Jahre 2010 noch ausreichend Potenzial freisetzen, um eine ganze Generation junger wilder Filmemacher zu kreativen Horrorszenarien auf der Leinwand zu motivieren. Die Themen und Stoffe, sie haben mitunter gar an Relevanz gewonnen. Es ist das Genrekino, das ihnen keinen Ausdruck mehr verleihen mag.
Wie sonst ließe sich erklären, dass Eisners Film eine Geschichte über den Ausbruch von gefährlichen Viren oder die Macht des Militärs erzählt, ohne letztlich wirklich etwas darüber erzählen zu wollen. Dass er Romeros teils plakative politische Anklänge nicht in eigene subtile Gesten übersetzt, sondern zugunsten ermüdender Spannungs- und Schockmomente gleich ganz aufgibt. Dass er also den kompletten Bedeutungsverlust sich und seiner Vorlage gegenüber in Kauf nimmt, um nur ein weiterer austauschbarer Horrorfilm mit infizierten Menschen sein zu dürfen, der letztlich sowieso nur der Tradition des Zombiekinos unterliegt.
Und hier lässt sich wohl die Tendenz erkennen, warum ein Film wie dieser neue "The Crazies" nicht nur seiner Vorlage kaum gerecht werden, sondern im einfältigen Wiederkäuen bloßer Reize auch sonst keinerlei Sinn herstellen kann. Denn es gibt einen großen Irrtum, der die nunmehr langjährige Neigung zu Neuauflagen berühmter und berüchtigter und begnadeter Genrefilme konsequent begleitet: Das Remaken in der Hoffnung, mit höheren Budgets und größeren Produktionsverhältnissen neue Zuschauer für alte Stoffe zu gewinnen, hat zumindest den einst so wachen Horrorfilm in einen künstlerischen Tiefschlaf versetzt.
Die Annahme dieser Filme, und "The Crazies" ist dafür beispielhaft, zeitgemäße Updates angestaubter oder wenig massentauglicher Genreklassiker liefern zu können, ist schlicht falsch, weil sie in ihrer Strategie per se gestrig wirken müssen. Sie wiederholen nur, und sie ergehen sich in totaler Redundanz. Sie haben nichts zu erzählen oder mitzuteilen, obwohl sie das könnten. Alles was sie sagen ist reine kommerzielle Diktion. Man wird später, sofern sie dann überhaupt noch gesehen werden, nichts über die Zeit erfahren, in der diese Filme entstanden sind. Nichts über ihre Regisseure, die Auftragsfilmer aus der Werbe- und Musikvideobranche, und nichts über ihre Bedeutung für das Kino oder das Genre.
Das einzige, was ein Film wie "The Crazies" wirklich zu sagen hat, ist etwas über das Geschäft. Und das wissen wir bereits. Auch wenn Eisner also mit "seiner" "Interpretation" einen formal größtenteils recht kompetent gemachten Film zum Essen serviert, so hat er lediglich etwas erwärmt, das frisch gekocht schon einmal viel besser schmeckte. Er hat etwas geschaffen, das neu und vital erscheinen sollte, aber altbackener daherkommt, als es Romeros kleiner dreckiger Independentfilm je sein könnte. Das ist der Fluch der Remakes, die Logik des Stillstandes.
30% - erschienen bei: gamona