August 31, 2006

Kino: SHORTBUS

Der als Schauspieler und Regisseur mit diversen Preisen ausgezeichnete John Cameron Mitchell ("Hedwig and the Angry Inch") schickt sich mit "Shortbus" an, die Lebenskultur der eigenen Generationsgeneration abzubilden. Irgendwo in New York haben irgendwelche Mitzwanziger eben irgendwie so ihre Probleme mit Selbstfindung, Befriedigung oder Einsamkeit. Der Nenner bleibt dabei der gleiche: Sex. Der Unterschied: Mitchell erklärt ihn zum Sinn des Lebens, seine Figuren sinnieren und reden ausschließlich Übers Ficken – Sex ist nicht nur der einzig wahre Grund ihrer Existenz, er hält sie quasi auch am Leben.

Dementsprechend sehen wir davon reichlich auf der großen Leinwand, in unverhüllten Hardcore-Bildern treibt es jeder mit jedem, ob homo oder hetero, vorne oder hinten, oben oder unten. Zwar muss man Mitchell zugestehen, dass seine Freizügigkeit weniger dem Selbstzweck dient als es bei den penetranten, letztlich auf den reinen schmierigen Voyeurseffekt hin ausgelegten, Bildern eines Larry Clark (
"Kids") der Fall ist, sein "Shortbus" weiß darüber hinaus aber letztlich ebenso wenig Substantielles zu berichten.

Z
u oberflächlich und banal sind seine Themen und zu unwichtig sind ihm schließlich auch die Figuren. Die (zugegeben brillant gefilmte) Odyssee der Hauptdarstellerin Lee Sook-Yin mag in ihrer Virtuosität, die jene Momente in der Titel gebenden Bar aufweisen, "authentische" Dichte kennzeichnen, die Motivation dieser Figur – die Suche nach dem weiblichen Orgasmus (!) – ist hingegen ebenso albern wie unzulänglich, da Mitchell offenbar nicht einmal versucht, einen Ausweg aus ihrer inneren Krise zu suchen. Das verhältnismäßig pompöse Finale verkommt somit zum unfreiwillig komischen Höhepunkt, bei dem der Regisseur zudem vergeblich darauf picht, den finalen Orgasmus seiner Figur auch zu einem des Films werden zu lassen.

Trotz einiger hervorragend inszenierter und erfrischend natürlicher Szenen scheitert
"Shortbus" deshalb an seinen unzureichenden Charakteren, die nur als bessere Schablonen für Mitzwanziger-Nostalgie und allzu gewollt erscheinen. So bunt und zahlreich Mitchell sein Ensemble in Szene setzt, so leer und einfach gestrickt sind die Figuren letztlich – und so sehr enden auch tragische Themen wie Suizid und Kindesmissbrauch im aussagelosen Nichts. Richtig schief geht der kokette Versuch, eine angeblich zerstörerische Gesellschaft in Bezug zu 9/11 zu setzen, was den Ficken-für-die-Freiheit-Appell des Films nur umso überproportionierter erscheinen lässt (Fremdschamgarantie). Da kann New York einen in noch so wundervoll gebastelten Miniaturen verzaubern, die den Zuschauer in ihren Zwischensequenzen umgarnen - es mag schön aussehen, aber einen Blick dahinter will man besser gar nicht erst riskieren.


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