Mai 30, 2006

DVD: WOLF CREEK

Mit seinem ersten Spielfilm "Wolf Creek" präsentiert Autor und Regisseur Greg McLean einen erstaunlich gelungenen Horrorfilm aus Down Under, der im Rahmen seiner routinierten Inszenierung mit sicherer Hand das Nervenkostüm strapaziert und zuweilen durchaus spannend zu fesseln vermag. Nach dem britischen Faustschlag "The Descent" beweist abermals ein kleiner Independentfilm, dass guter Survivalhorror mit Backwood- bzw. Outback-Einschlag nicht unbedingt aus den USA stammen muss - so lässt "Wolf Creek" auch Kollegen wie "Wrong Turn" hinter sich.

Die Zahl der Vorbilder mag dabei lang sein: "Hitcher", "Race with the Devil", "The Texas Chainsaw Massacre", sie stehen mehr oder weniger Pate für ein Drehbuch, das die verschiedenen Zutaten – leere Highways, Dead-Ends und wahnsinnige Hillbillys – jedoch recht geschickt kombiniert und zu einem sehr gradlinigen, sich auf das Wesentliche konzentrierenden Genrefilm zu vermischen versteht. "Wolf Creek" ist dabei so erstaunlich simpel, so angenehm ungezwungen, originell zu sein, dass er nie Gefahr läuft, sich zu blamieren und durch vermeintlich logische Strickmuster den vielerorts geforderten Sinn herstellen zu müssen, was dann zumeist ohnehin nach hinten losgeht.

Zunächst einmal lässt sich der Film Zeit, viel Zeit. Und das ist eine wesentliche Stärke. So führen uns die angenehm klischeefreien Hauptdarsteller, die einmal nicht die Sprüche klopfenden Pimps und Bitches darstellen, durch die wenig spektakulären, aber keinesfalls langwierigen ersten zwei Drittel, ohne sich allzu deutlich dem üblichen "Sex, Drugs und so ungeschickt wie möglich verhalten"-Schema zu bedienen. Das ganze soll auf einem wahren Fall basieren, eine Tatsache, die den Film zunächst nicht unbedingt interessanter gestaltet, als er ohnehin schon ist, sich zum erfreulich pessimistischen Ausklang hin jedoch als angenehme Zutat entpuppt. Die weite Einöde der australischen Outbacks und die gleichermaßen wundervollen wie auch gefährlich weiten Landschaften schafft "Wolf Creek" erstaunlich eindrucksvoll einzufangen. Die Atmosphäre erinnert nicht selten an zitierte Vorbilder, mischt diese jedoch im Schlussdrittel mit drastischen Nuancen, die an moderne, ähnliche Vertreter wie den französischen "Haute Tension" erinnern. Der manches Mal etwas zu viel von Filtern durchtränkte Look kaschiert dabei in jeder Minute eindrucksvoll, um was für eine Low Budget-Produktion (Budget unter 1 Mio. Dollar) es sich hierbei eigentlich doch handelt (der Film wurde übrigens auf Video gedreht).

"Wolf Creek" lässt es mit seiner anfangs ruhigen und eleganten Erzählung nicht von ungefähr verhältnismäßig ruhig angehen, wenn Mick Taylor sich plötzlich als durchgedrehter Redneck entpuppt, dann wechselt der Film gekonnt schlagartig das Tempo und reißt den Zuschauer in jenen Strudel aus Gewalt und Ausweglosigkeit, in dem sich fortan auch die Protagonisten befinden. Erfreulicherweise wird dabei nicht auf allzu graphische Details gesetzt, sondern ordnen sich wüste F/X eher einer sadistischen, teils beklemmenden Grundstimmung unter. Dabei spart auch McLean nicht immer mit den etwas ausgelaugten Klischees, die sich insgesamt jedoch in tolerierbaren Gefilden tummeln - denn das Rad wird hier erwartungsgemäß auch nicht neu erfunden. Ein wenig vermisst man das letzte Quintchen stringente Härte, die sich bedrückend breit macht und ein Ende nicht erahnen lässt, die Terroreinschübe im letzten Drittel des Films sind doch etwas zu großzügig gesät, um jene Daueranspannung zu forcieren, die beispielsweise den durchaus vergleichbaren "The Descent" auszeichnete. Hier verlässt sich McLean etwas zu sehr auf solide Konventionen, um den letzten Rest aus einem mehr oder weniger verwöhnten Adrenalin-Publikum herauszukitzeln und dem Motto "The Thrill Is In The Hunt" vollends gerecht zu werden. Ansätze sind diesbezüglich aber reichlich vorhanden: So verfehlt insbesondere die Sniper-Attacke des Killers nicht ihre Wirkung.

Der Film erregte aufgrund seiner im Heimatland tatsächlich brisanten Thematik vom jährlichen, unerklärlichen Verschwinden zahlreicher Menschen bereits vor seiner ersten Aufführung in Australien erstes Aufsehen und verkaufte sich, aufgeblasen auf 35mm, mehrfach in verschiedene Länder (für die US-Auswertung schlugen die Weinstein-Brüder mit Dimension Films zu). Auf dem Sundance-Festival wurde „Wolf Creek“ für den Großen Preis der Jury nominiert, weitere Nominierungen gab es für den Saturn Award, den Empire Award sowie in mehreren Kategorien vom Australian Film Institute. Bislang hat der Streifen weltweit fast 30 Mio. Dollar eingespielt, in vielen Ländern läuft er sogar noch an. Ein berechtigter Erfolg für einen Independentfilm, der vielleicht nicht so gänzlich originell daherkommt und sein Potential auch nie so richtig ausschöpfen will, im Rahmen der Subgenre-Gegebenheiten aber erstaunlich gut funktioniert. Und das ist wohl bemerkt mehr, als einem vielerlei andere Vertreter der postpopulären Abteilung bieten können.

7/10