Februar 04, 2010

Kino: ZEITEN ÄNDERN DICH

Es ist nicht schwer einen zynischen, böswilligen, polemischen Text über einen so kuriosen Film wie "Zeiten ändern dich", der gleichermaßen das Anekdotenbuch des Rappers Bushido wie dessen privaten und künstlerischen Werdegang adaptiert, zu verfassen. Und es ist gewiss noch weniger schwer, dieses Geldmachunterfangen nicht ernst zu nehmen, an seinen etwaigen Ambitionen abgleichen und womöglich noch sorgfältig aufzeigen zu wollen, was ohnehin zu beweisen galt: Dass diese Komplettkatastrophe auf der Leinwand die Erwartungen noch unterbietet. Den leichten Weg hat sich der – und schon hier ergeben sich erste Probleme adäquater Wortfindung – Musiker hingegen redlich verdient, warum verbale Umwege bemühen für einen Medienkünstler, der sich so plump provokativ, durchschaubar und banal-direkt vermarktet wie Bushido. Kurz also: "Zeiten ändern dich" ist die größtmögliche erdenkliche Fremdscham auf Zelluloid, ein peinliches und offen gesagt erbärmliches Stilisieren von Mist, das seinen einzigen Mehrwert, wenn überhaupt, aus der unfreiwilligen Dekonstruktion seiner Titelfigur gewinnt.

Natürlich ist dieser Film zunächst einmal nur trashig, unglaublich trashig. Am Trashigsten immer dann, wenn er soziale Realität, Milieutreue und Berliner Gangstertum abzubilden glaubt. Nicht, dass Bushido alias Anis Mohamed Youssef Ferchichi nicht seine Erfahrungen mit so genannten No-go-Areas oder unsichtbaren Bereichen einer alltäglichen Ghettosubkultur gemacht haben mag. Aber das ist, mit Verlaub, ja erst einmal völlig uninteressant. Wen kümmert das durchschnittliche Leben eines unterdurchschnittlichen Rappers, der mit Halbsätzen und Möchtegernreimen mal auf ein Leben als Einzelkind, mal auf die Macht des Schwanzes verweist. Niemanden. Bushidos Leben lässt sich, anhand des Films, im Wesentlichen auf eine normale mittelständische Erziehung und einen anschließenden unverschämten Erfolg als Hip-Hop-Artist zusammenkürzen. Die üblichen Reibereien in sozialen urbanen Brennpunkten mit eingeschlossen. Das alles ist, nun wirklich, nicht allzu dramatisch, kein Grund, sich ellenlang in Texten über Ehre, Respekt, Schlampen (=Frauen) und Ficken, also das harte Leben, auslassen zu müssen.

Bushido fehlte ein Vater, okay. Akzeptiert. Ihm fehlte das Abitur. Verschmerzbar. Seine reiche Freundin ist ihm davon gelaufen. Verständlich! Und nun ist er Millionär. Und Filmstar. Und Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. (blöd!) Ignoranz wäre eine Möglichkeit, würde Bushido das Leid eines Medienopfers nicht so gut zur Selbstinszenierung stehen. Deshalb muss man hinsehen und das Kind beim Namen nennen: Dir ging es nicht so schlecht, Junge. Und auch wenn es dir schlecht ergangen sein sollte, ist das kein Grund sich wie ein Rüpel zu benehmen. Und rüpelhaft darfst du ja gern sein, aber lass uns damit doch in Ruhe. Du bist langweilig. Und, entgegen anders lautender Gerüchte (gestreut von Kerner und der NDR-Talkshow, basierend auf dem Umstand, einige Sätze geradeaus sprechen zu können), auch dumm und ungebildet. Vielleicht nicht in Maßstäben von Verkauf, Erfolg und Marketing, aber hinsichtlich kollektiver Verblödung, Volksverhetzung und Rundum-Belästigung. Jawohl!

Aber zurück zum Trash, bevor Bushido noch als Phänomen begreiflich zu werden droht (er ist kein solches, Aufregung generiert lediglich Aufmerksamkeit). Zum Trash also. Und zur Fremdscham. Die ist Bernd Eichinger vorbehalten. Er hat ein ekelhaftes Drehbuch geschrieben, das sich szenisch im Leben Bushidos vorarbeitet, ohne biographische Zusammenhänge herzustellen, den musikalischen Werdegang schlüssig zu beleuchten oder authentische Situationen zu kreieren. In Dialogen, die bestenfalls zwischen totaler Belanglosigkeit oder einfältigen One-Linern jonglieren, meist aber unangenehm berührend den Slang und Jargon der "Straße" nachempfinden wollen. In Szenen, deren Gestelltheit und unglaubwürdiges Herantasten an ein ihm offenbar völlig fremdes Milieu noch das geringste Problem sind. In einer letztlich nur auf das gegenseitige Schulterklopfen mit einem, der es auch geschafft, der auch mit Scheiße Millionen verdient hat, ausgelegten Werbestrategie, am Hype eines (für ihn sicherlich faszinierenden) „Jugendphänomens“ (verdammt, doch ein Phänomen?) profitieren zu können. Eichinger hat Bushido diesen Film vor-, er hat dankend zugeschlagen. Mehr Kasse, mehr Dreck.

Es will nicht recht gelingen, das mit dem Trash. Also das mit Hannelore Elsner als Kim Basinger, die Bushidos Mutter spielen und dabei Sätze sagen darf wie "Das ist Karel Gott, der hat seinen Namen wirklich verdient, den haben wir früher so gern gehört". Oder mit Bushido, der sich im Fernsehen die einstürzenden Twin Tower des World Trade Centers anschaut und dabei laut denkt: "Das war das Krasseste, was ich je gesehen habe". Denn: Unfreiwillige Komik ist das eine – ein Film, der das Image eines homophoben, frauenfeindlichen, sexistischen Dummschwätzers mit Pseudotiefgang und Plattitüden im Dauertakt kommerziell glatt bügeln, greifbar und verständlich machen möchte das andere. Es geht bei alledem letztlich nur um noch mehr Geld. Für die Constantin und für Bushido. Und selbst wenn dieser sich, seine rebellische Attitüde, den auferlegten Habitus und schließlich auch die eigenen Fans schlussendlich vorführt und entwürdigt, indem er alles Fragwürdige aus dem Film streichen und sich mit Karel Gott zum beschwingten Duett auf die Bühne hat stellen lassen: Im Grunde meint der Kerl wahrscheinlich tatsächlich als Spiegel der Jugend und Straße auszusprechen, was die seinigen denken. Aber es sei hier mit diesem Film noch einmal versichert: Denken spielt im künstlerischen Schaffen Bushidos eine untergeordnete Rolle.


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