Juni 27, 2007

Kino: NEXT

Gemessen an der nahezu dreisten Unverfrorenheit, die hanebüchene Geschichte dieses Films auch für nur eine Minute ernst meinen zu wollen, ist die Zauselfrisur von Nicolas Cage ja eigentlich noch das kleinere Übel. Und das, obwohl der dezent übermütige Produzent und Hauptdarsteller für "Next" mindestens den schlechtesten Frisör seit "Con Air" verpflichtet hat – neben dem sich wie üblich überaus zurückgeblieben in Szene setzenden Hollywoodstar schaut hier nämlich sogar die sonst so stilvolle Juliane Moore mit unvorteilhaft gefärbter Mähne aus wie die böse Hexe von nebenan. Unvorteilhaft ist auch gleich das Stichwort, die Kamera scheint keine Gelegenheit auslassen zu wollen, Moores Falten auf den Leib zu rücken. Natürlich schüttelt sich die gute Blockbuster-Rollen wie diese aus dem Ärmel und spielt dennoch jeden um sich herum an die Wand, doch so ein wenig Mitleid bekommt man da als Zuschauer dann schon – was hat die hier auch eigentlich zu suchen, in einem Nic Cage-Film?

Aber zurück zum Wesentlichen. Cage mimt in "Next" den Magier Cris Johnson, der begeisterungsfähigen Las Vegas-Besuchern in einer kleinen Show u.a. vorgaukelt, in die Zukunft sehen zu können. Der Clou bei der Sache – tatsächlich ist es ihm vergönnt, die Dinge schon zwei Minuten im Voraus sehen zu können. Da ihm dieser Segen auch schnell zum Fluch werden kann, behält Johnson seine Gabe allerdings für sich. Bis Thomas Kretschmann als – natürlich! – deutscher Terrorist des Weges kommt und irgendwo irgendeine Bombe zu legen gedenkt. Was es mit ihm und seiner Schar genau auf sich hat, erfährt man indes allerdings nicht, logischerweise heften sich die zahlreichen FBI-Ermittler auch nicht an die Fersen der vermutlichen Täter, sondern versuchen viel mehr Johnson aufzuspüren. Durch einen kleinen Zwischenfall nämlich meint Chefermittlerin Callie Ferris (Moore) hinter dessen Treiben gekommen zu sein und erhofft sich selbstredend Hilfe vom Mann, der die Zukunft sehen kann.

Ob und inwiefern das angesichts der Terrorbedrohung bei einer zweiminütigen Halbwertszeit nun so praktisch ist, verrät der Film nicht. Wie genau Johnson den Ermittlern schließlich aber doch noch wird helfen können, soll nicht schon aufgedeckt werden, um die mitunter grotesk peinlichen Highlights des rasch eintretenden Finalszenarios dieses – immerhin – recht kurzweiligen Films zu wahren. Verraten werden aber darf, dass natürlich eine Frau den guten Cage dazu bewegt, seine Gabe guten Taten zu leihen – und das ist nicht Moore, sondern Jessica Biel, die man nur zu gern noch als vollbusiges, im nassen Topteil durch den Schlamm watendes Finalgirl aus dem lahmen "Texas Chainsaw Massacre"-Remake in Erinnerung hat. Deren Rolle birgt in "Next" gar noch mehr unfreiwillig komisches Potential, als es ihrem sonst für die Lacher aus dem Fremdschämsektor abonnierten Filmliebhaber Cage vergönnt ist. Ihre messiasähnliche Figur nämlich ist die große Liebe des Magiers auf der Flucht, obwohl sich deren Wege gerade erst kreuzten, und wird demnach schnell zum Spielball der bösen Terroristen, die neben Deutsch auch allerlei Kauderwelsch auf Französisch zum Besten geben.

Abgesehen davon, dass es selbst dem als alten Greis im Geschehen mitmischenden Peter Falk nicht gelingt, gegen den langen, langen Bart der Geschichte anzuspielen, entbehrt der irgendwo zwischen "Dead Zone" und seiner trivialen Möchtegernernsthaftigkeit wegen auch "Deja Vu" ange- siedelte Quark jeglicher innerer Logik. Was genau sieht oder durchlebt Johnson denn eigentlich in jenem Moment der Gegenwart, in dem er fähig ist, die folgenden zwei Minuten wahrzunehmen? Wie kann es sein, dass die FBI-Ermittler jegliche berufsbedingt nüchterne Rationalität aufgeben und dessen übersinnliche Fähigkeit nicht einmal kurzzeitig in Frage stellen? Viel wichtiger jedoch: Wenn Johnson Ereignisse kurz vor ihrem Eintritt voraussieht, wie z.B. in einer Szene, bei der er sich an einem Abhang vor einem herunterrasenden Jeep millimetergenau in Deckung begibt, befähigt ihn das dann gleich zu unmenschlicher Präzision?

Dass sich die Macher aufgrund der natürlich recht undefinierten Darstellung selbiger Zukunftsvisionen auch alle Freiheiten nehmen, anstatt sie visuell reizvoll zu einer Konstante festzulegen, verleiht dem Film besonders in seinen lauen Effekten eine Beliebigkeit, die jeglichen B-Movie-Appeal geradezu forciert. Und was man aus der albernen Grundidee eigentlich dennoch alles so hätte machen können, reißt "Next" nicht einmal an. Stattdessen setzt er auf himmelschreiend grausigen Kitsch (Biel als Mutter Theresa, die armen Kindern hilft; Cage als fürsorglicher Wald- hüttenromantiker), lausige Figuren (Was bedeutet eine derartige Gabe für das eigene Leben? Wer sind die Terroristen, was haben sie vor?) und einen selten doofen Schlusstwist. Das ganze ist also mittelschwerer Trash, der manchen womöglich genau deshalb schon wieder zu gefallen droht. Next, please.

20%