Wo eigentlich finden sich Gefängnisseinrichtungen, in denen die Inhaftierten in gesondert bebetteten Räumen Besuch fast ausschließlich des Sexes wegen empfangen dürfen, inkl. freundlicher Ausstattung, die das potentielle Vergnügen auch besonders unterstreicht? Die gibt es offenbar in Madrid, zumindest jedoch im Film "AzuloscuroCasinegro" – zu Deutsch: "DunkelblauFastschwarz" –, in dem eine junge Frau ein sexuelles Verhältnis mit ihrem Mithäftling beginnt. Dieser kann ihr jedoch nicht den Herzenswunsch eines Kindes erfüllen, und so muss der in Freiheit lebende Bruder die Sache übernehmen, ganz platonisch selbstredend. Der junge Jorge allerdings muss sich darüber hinaus mit weitaus schlimmeren Dingen als seinem zeugungsunfähigen Bruder herumschlagen: Da wäre der hilfsbedürftige demenzkranke Vater, die hübsche Nachbarin, mit der es in der Liebe nicht recht klappen will und natürlich auch noch die berufliche Zukunft, die hoffentlich mehr bereithalten wird, als es der derzeitige Hausmeisterjob verspricht.
Jorge ist der leading character in diesem skurrilen, mitunter liebenswerten Film des Spaniers Daniel Sánchez Arévalo ("La Culpa del alpinista"). Zu den Irrungen und Wirrungen der Hauptfiguren gesellen sich allerdings noch zahlreiche Subplots, die auf verschiedene Art alle mit dem überzeugend von Quim Gutiérrez gespielten Protagonisten in Verbindung stehen. Für den meisten Witz sorgt dabei zweifellos die Nebengeschichte um Jorges besten Freund Israel, der täglich von einem Dach aus ins Fenster eines Masseurs blickt, der seine männlichen Kunden nach getaner Arbeit abschließend gern auch mal oral befriedigt. Der Spaß hat allerdings ein vorläufiges Ende, als plötzlich sein Vater jenen Dienst wahrnimmt. Schließlich erpresst Israel ihn mit Photos der heimlichen Techtelmechtel – um sich mit dem Geld paradoxerweise selbst vom Masseur verwöhnen zu lassen. Wenn dann Vater und Sohn im Konflikt mit ihrer Homosexualität vor dem Hauseingang aufeinander treffen, ergibt sich das vielleicht amüsanteste Bild dieses Films.
"AzuloscuroCasinegro" ist bemerkenswert gespielt, die Frische der – zumindest hierzulande – noch weitestgehend unbekannten Schauspieler trägt viel zur unverbrauchten, leichten Stimmung des Films bei. Gerade weil Geschichten wie diese schnell zur Hysterie in Inszenierung und Schauspiel verleiten, erfreut der zurückhaltende Gestus, mit dem sich Arévalo präsentiert. Das liegt zu einem nicht unwesentlichen Teil auch daran, und hier offenbart sich eine der grundsätzlichen Schwächen, dass er sich zwar weniger stilistisch, aber zumindest inhaltlich vor allem beim Meister Pedro Almodóvar bedient. Dessen Kunst, mit leichtem Ton menschliche Abgründe zu offenbaren, wird nicht selten zu imitieren versucht, aber insbesondere hinsichtlich "Hable con ella" bleibt Arévalo weit hinter der Tiefe und Komplexität seines vermutlichen Vorbildes zurück.
Schade auch, dass der Film kein rechtes Ende finden will und sich mehr und mehr in unbefriedenden Auflösungen seiner zuvor so elegant geschürten Konflikte verzettelt. Wenig subtil wird gar das ohnehin schon offensichtliche Symbol des Titel gebenden dunkelblauen, fast schwarzen Anzuges im Schaufenster, durch das Jorge ob seiner ungewissen Zukunft tagtäglich blickt, entzaubert, in dem das Drehbuch seinen Figuren erklärungswütig Dialoge überstülpt, die sie schließlich ihr Inneres nach außen kehren lässt. Hier scheint Arévalo nicht auf das visuelle Erzählvermögen vertrauen zu wollen – sehr zum Bedauern eines ansonsten wunderbar poetischen Films, der als Flickenteppich illustrer Liebesspielarten und -typen, nicht aber als bewegende Tragikomödie über die spanische Unterschicht überzeugen kann.
55%
Jorge ist der leading character in diesem skurrilen, mitunter liebenswerten Film des Spaniers Daniel Sánchez Arévalo ("La Culpa del alpinista"). Zu den Irrungen und Wirrungen der Hauptfiguren gesellen sich allerdings noch zahlreiche Subplots, die auf verschiedene Art alle mit dem überzeugend von Quim Gutiérrez gespielten Protagonisten in Verbindung stehen. Für den meisten Witz sorgt dabei zweifellos die Nebengeschichte um Jorges besten Freund Israel, der täglich von einem Dach aus ins Fenster eines Masseurs blickt, der seine männlichen Kunden nach getaner Arbeit abschließend gern auch mal oral befriedigt. Der Spaß hat allerdings ein vorläufiges Ende, als plötzlich sein Vater jenen Dienst wahrnimmt. Schließlich erpresst Israel ihn mit Photos der heimlichen Techtelmechtel – um sich mit dem Geld paradoxerweise selbst vom Masseur verwöhnen zu lassen. Wenn dann Vater und Sohn im Konflikt mit ihrer Homosexualität vor dem Hauseingang aufeinander treffen, ergibt sich das vielleicht amüsanteste Bild dieses Films.
"AzuloscuroCasinegro" ist bemerkenswert gespielt, die Frische der – zumindest hierzulande – noch weitestgehend unbekannten Schauspieler trägt viel zur unverbrauchten, leichten Stimmung des Films bei. Gerade weil Geschichten wie diese schnell zur Hysterie in Inszenierung und Schauspiel verleiten, erfreut der zurückhaltende Gestus, mit dem sich Arévalo präsentiert. Das liegt zu einem nicht unwesentlichen Teil auch daran, und hier offenbart sich eine der grundsätzlichen Schwächen, dass er sich zwar weniger stilistisch, aber zumindest inhaltlich vor allem beim Meister Pedro Almodóvar bedient. Dessen Kunst, mit leichtem Ton menschliche Abgründe zu offenbaren, wird nicht selten zu imitieren versucht, aber insbesondere hinsichtlich "Hable con ella" bleibt Arévalo weit hinter der Tiefe und Komplexität seines vermutlichen Vorbildes zurück.
Schade auch, dass der Film kein rechtes Ende finden will und sich mehr und mehr in unbefriedenden Auflösungen seiner zuvor so elegant geschürten Konflikte verzettelt. Wenig subtil wird gar das ohnehin schon offensichtliche Symbol des Titel gebenden dunkelblauen, fast schwarzen Anzuges im Schaufenster, durch das Jorge ob seiner ungewissen Zukunft tagtäglich blickt, entzaubert, in dem das Drehbuch seinen Figuren erklärungswütig Dialoge überstülpt, die sie schließlich ihr Inneres nach außen kehren lässt. Hier scheint Arévalo nicht auf das visuelle Erzählvermögen vertrauen zu wollen – sehr zum Bedauern eines ansonsten wunderbar poetischen Films, der als Flickenteppich illustrer Liebesspielarten und -typen, nicht aber als bewegende Tragikomödie über die spanische Unterschicht überzeugen kann.
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